Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Abschnitt. Drittes Kapitel.
sage dem Hündlein: " "bel, bellement, mon chien!" " oder: " "schön,
sehr schön, mein Thierchen!" " das ist dem Vieh all' eins!"

Das fortwährende Anschreien, wie man es auch leider
in Cavallerieställen bisweilen hört, erschrickt die sensiblen Pferde,
und stumpft die träumerischen noch mehr ab. Eine vernünf-
tige Behandlung im Stalle ist eine wesentliche Hülfe
zur Dressur
, und sollte das Augenmerk jedes Pferdefreundes
sein. Abgesehen davon, dass jene so oft gebrauchten Schimpf-
wörter den Begriff der Werthlosigkeit und Verächtlichkeit
so leicht auf den Geist der Leute übertragen, und dem: "ver-
fluchtes Aas und verdammte Schindmähre!" viel eher ein Stoss
oder ein Ruck im Maule folgt, als besseren Wörtern, ist es man-
chen Menschen eigen, mit dem ersten Schimpfworte sich selbst in
Zorn zu bringen, der bekanntlich blind ist.

Der Zungenschlag als ein Anfeurungsmittel ist von we-
sentlichem Nutzen, doch darf er beim Reiten in Gesellschaft nur
bescheiden angewendet werden, weil er sonst Pferde aufmuntert,
denen es nicht gelten soll. Wie alt die Anwendung desselben ist,
geht aus dem Xenophon hervor, (man verzeihe mir dies gelehrte Citat,
indem ich versichere, dass ich diesen Schriftsteller nur in deutscher
Sprache zu lesen vermag, wodurch der etwaige Verdacht, mit Ge-
lehrsamkeit glänzen zu wollen, sich erledigt), der in seinem Buche
über die Reitkunst sagt: "Ferner muss man wissen, dass nach der
Regel mit dem Lippenton (der wie beim Küssen durch die Lip-
pen hervorgebracht wird), sie besänftigt werden, mit dem Zun-
genton
aber aufgemuntert. Wenn Jemand aber von Anfang an
bei dem Zungenton die beruhigenden, beim Lippenton die aufmun-
ternden Mittel anwendet, so wird das Pferd lernen, durch den Lip-
penton sich aufmuntern, durch den Zungenton sich besänftigen zu
lassen." Wir sind mit dem Zungenton bei der ältern Praxis ge-
blieben. Der alte Herr ermahnt uns auch schon zur Consequenz
in der Anwendung der Hülfen, und schärft den jungen Herren ein,
den Lippenton nicht lediglich zur Beunruhigung der Gatten und
Väter, sondern auch bisweilen zur Beruhigung ihrer Pferde zu ver-
wenden -- was zu wünschen wäre.

Die Peitsche wird meist nur bei der Longendressur ange-
wendet. In zusammengestellten Abtheilungen muss ihr
geräuschvoller Gebrauch vermieden werden
. Das

I. Abschnitt. Drittes Kapitel.
sage dem Hündlein: „ „bel, bellement, mon chien!“ “ oder: „ „schön,
sehr schön, mein Thierchen!“ “ das ist dem Vieh all’ eins!“

Das fortwährende Anschreien, wie man es auch leider
in Cavallerieställen bisweilen hört, erschrickt die sensiblen Pferde,
und stumpft die träumerischen noch mehr ab. Eine vernünf-
tige Behandlung im Stalle ist eine wesentliche Hülfe
zur Dressur
, und sollte das Augenmerk jedes Pferdefreundes
sein. Abgesehen davon, dass jene so oft gebrauchten Schimpf-
wörter den Begriff der Werthlosigkeit und Verächtlichkeit
so leicht auf den Geist der Leute übertragen, und dem: „ver-
fluchtes Aas und verdammte Schindmähre!“ viel eher ein Stoss
oder ein Ruck im Maule folgt, als besseren Wörtern, ist es man-
chen Menschen eigen, mit dem ersten Schimpfworte sich selbst in
Zorn zu bringen, der bekanntlich blind ist.

Der Zungenschlag als ein Anfeurungsmittel ist von we-
sentlichem Nutzen, doch darf er beim Reiten in Gesellschaft nur
bescheiden angewendet werden, weil er sonst Pferde aufmuntert,
denen es nicht gelten soll. Wie alt die Anwendung desselben ist,
geht aus dem Xenophon hervor, (man verzeihe mir dies gelehrte Citat,
indem ich versichere, dass ich diesen Schriftsteller nur in deutscher
Sprache zu lesen vermag, wodurch der etwaige Verdacht, mit Ge-
lehrsamkeit glänzen zu wollen, sich erledigt), der in seinem Buche
über die Reitkunst sagt: „Ferner muss man wissen, dass nach der
Regel mit dem Lippenton (der wie beim Küssen durch die Lip-
pen hervorgebracht wird), sie besänftigt werden, mit dem Zun-
genton
aber aufgemuntert. Wenn Jemand aber von Anfang an
bei dem Zungenton die beruhigenden, beim Lippenton die aufmun-
ternden Mittel anwendet, so wird das Pferd lernen, durch den Lip-
penton sich aufmuntern, durch den Zungenton sich besänftigen zu
lassen.“ Wir sind mit dem Zungenton bei der ältern Praxis ge-
blieben. Der alte Herr ermahnt uns auch schon zur Consequenz
in der Anwendung der Hülfen, und schärft den jungen Herren ein,
den Lippenton nicht lediglich zur Beunruhigung der Gatten und
Väter, sondern auch bisweilen zur Beruhigung ihrer Pferde zu ver-
wenden — was zu wünschen wäre.

Die Peitsche wird meist nur bei der Longendressur ange-
wendet. In zusammengestellten Abtheilungen muss ihr
geräuschvoller Gebrauch vermieden werden
. Das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0070" n="48"/><fw place="top" type="header">I. Abschnitt. Drittes Kapitel.</fw><lb/>
sage dem Hündlein: &#x201E; &#x201E;bel, bellement, mon chien!&#x201C; &#x201C; oder: &#x201E; &#x201E;schön,<lb/>
sehr schön, mein Thierchen!&#x201C; &#x201C; <hi rendition="#g">das ist dem Vieh all&#x2019;</hi> eins!&#x201C;</p><lb/>
            <p>Das <hi rendition="#g">fortwährende Anschreien</hi>, wie man es auch leider<lb/>
in Cavallerieställen bisweilen hört, erschrickt die sensiblen Pferde,<lb/>
und stumpft die träumerischen noch mehr ab. <hi rendition="#g">Eine vernünf-<lb/>
tige Behandlung im Stalle ist eine wesentliche Hülfe<lb/>
zur Dressur</hi>, und sollte das Augenmerk jedes Pferdefreundes<lb/>
sein. Abgesehen davon, dass jene so oft gebrauchten Schimpf-<lb/>
wörter den Begriff der <hi rendition="#g">Werthlosigkeit</hi> und <hi rendition="#g">Verächtlichkeit</hi><lb/>
so leicht auf den Geist der Leute übertragen, und dem: &#x201E;ver-<lb/>
fluchtes Aas und verdammte Schindmähre!&#x201C; viel eher ein Stoss<lb/>
oder ein Ruck im Maule folgt, als besseren Wörtern, ist es man-<lb/>
chen Menschen eigen, mit dem ersten Schimpfworte sich selbst in<lb/>
Zorn zu bringen, der bekanntlich blind ist.</p><lb/>
            <p>Der <hi rendition="#g">Zungenschlag</hi> als ein Anfeurungsmittel ist von we-<lb/>
sentlichem Nutzen, doch darf er beim Reiten in Gesellschaft nur<lb/><hi rendition="#g">bescheiden</hi> angewendet werden, weil er sonst Pferde aufmuntert,<lb/>
denen es nicht gelten soll. Wie alt die Anwendung desselben ist,<lb/>
geht aus dem Xenophon hervor, (man verzeihe mir dies gelehrte Citat,<lb/>
indem ich versichere, dass ich diesen Schriftsteller nur in deutscher<lb/>
Sprache zu lesen vermag, wodurch der etwaige Verdacht, mit Ge-<lb/>
lehrsamkeit glänzen zu wollen, sich erledigt), der in seinem Buche<lb/>
über die Reitkunst sagt: &#x201E;Ferner muss man wissen, dass nach der<lb/>
Regel mit dem <hi rendition="#g">Lippenton</hi> (der wie beim Küssen durch die Lip-<lb/>
pen hervorgebracht wird), sie besänftigt werden, mit dem <hi rendition="#g">Zun-<lb/>
genton</hi> aber aufgemuntert. Wenn Jemand aber von Anfang an<lb/>
bei dem Zungenton die beruhigenden, beim Lippenton die aufmun-<lb/>
ternden Mittel anwendet, so wird das Pferd lernen, durch den Lip-<lb/>
penton sich aufmuntern, durch den Zungenton sich besänftigen zu<lb/>
lassen.&#x201C; Wir sind mit dem Zungenton bei der ältern Praxis ge-<lb/>
blieben. Der alte Herr ermahnt uns auch schon zur Consequenz<lb/>
in der Anwendung der Hülfen, und schärft den jungen Herren ein,<lb/>
den Lippenton nicht lediglich zur Beunruhigung der Gatten und<lb/>
Väter, sondern auch bisweilen zur Beruhigung ihrer Pferde zu ver-<lb/>
wenden &#x2014; was zu wünschen wäre.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#b">Die Peitsche</hi> wird meist nur bei der Longendressur ange-<lb/>
wendet. <hi rendition="#g">In zusammengestellten Abtheilungen muss ihr<lb/>
geräuschvoller Gebrauch vermieden werden</hi>. Das<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0070] I. Abschnitt. Drittes Kapitel. sage dem Hündlein: „ „bel, bellement, mon chien!“ “ oder: „ „schön, sehr schön, mein Thierchen!“ “ das ist dem Vieh all’ eins!“ Das fortwährende Anschreien, wie man es auch leider in Cavallerieställen bisweilen hört, erschrickt die sensiblen Pferde, und stumpft die träumerischen noch mehr ab. Eine vernünf- tige Behandlung im Stalle ist eine wesentliche Hülfe zur Dressur, und sollte das Augenmerk jedes Pferdefreundes sein. Abgesehen davon, dass jene so oft gebrauchten Schimpf- wörter den Begriff der Werthlosigkeit und Verächtlichkeit so leicht auf den Geist der Leute übertragen, und dem: „ver- fluchtes Aas und verdammte Schindmähre!“ viel eher ein Stoss oder ein Ruck im Maule folgt, als besseren Wörtern, ist es man- chen Menschen eigen, mit dem ersten Schimpfworte sich selbst in Zorn zu bringen, der bekanntlich blind ist. Der Zungenschlag als ein Anfeurungsmittel ist von we- sentlichem Nutzen, doch darf er beim Reiten in Gesellschaft nur bescheiden angewendet werden, weil er sonst Pferde aufmuntert, denen es nicht gelten soll. Wie alt die Anwendung desselben ist, geht aus dem Xenophon hervor, (man verzeihe mir dies gelehrte Citat, indem ich versichere, dass ich diesen Schriftsteller nur in deutscher Sprache zu lesen vermag, wodurch der etwaige Verdacht, mit Ge- lehrsamkeit glänzen zu wollen, sich erledigt), der in seinem Buche über die Reitkunst sagt: „Ferner muss man wissen, dass nach der Regel mit dem Lippenton (der wie beim Küssen durch die Lip- pen hervorgebracht wird), sie besänftigt werden, mit dem Zun- genton aber aufgemuntert. Wenn Jemand aber von Anfang an bei dem Zungenton die beruhigenden, beim Lippenton die aufmun- ternden Mittel anwendet, so wird das Pferd lernen, durch den Lip- penton sich aufmuntern, durch den Zungenton sich besänftigen zu lassen.“ Wir sind mit dem Zungenton bei der ältern Praxis ge- blieben. Der alte Herr ermahnt uns auch schon zur Consequenz in der Anwendung der Hülfen, und schärft den jungen Herren ein, den Lippenton nicht lediglich zur Beunruhigung der Gatten und Väter, sondern auch bisweilen zur Beruhigung ihrer Pferde zu ver- wenden — was zu wünschen wäre. Die Peitsche wird meist nur bei der Longendressur ange- wendet. In zusammengestellten Abtheilungen muss ihr geräuschvoller Gebrauch vermieden werden. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/70
Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/70>, abgerufen am 14.05.2024.