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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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I. Abschnitt. Erstes Kapitel.
Arzt helfen, sonst bedarf es anfangs oft des lauten Anschreiens
und des Schlagens, um das Thier zu erwecken. Man verfalle dabei
nicht in den Fehler andauernden Gebrauchs unzurei-
chender Mittel
, welche die Theilnahmlosigkeit und Harthörigkeit
nur steigern, und lasse sich nicht zur Grausamkeit hinreissen,
die Misstrauen und Furcht erweckt, und wohl Aufmerksamkeit,
doch statt des Erkennens -- Verkennen hervorbringt. Man
wähle bei ihnen stets kurze Reprisen, die ein nicht zu langes An-
spannen der Aufmerksamkeit verlangen. Die Flatterhaftigkeit,
das nicht Ausharren, sondern Abschweifen der Aufmerksamkeit auf
andere Gegenstände, ist theils eine Folge lebhafter Empfäng-
lichkeit
für fremde Eindrücke, welche im Allgemeinen Eigen-
thum der Jugend
und der höheren Racen ist, und sich bei
reizbaren Nerven bis zur fieberhaften Aufregung steigert, theils
Folge von Stallmuth, dem Gefühle der Kraft, und entspringt
endlich aus geschlechtlichen Ursachen. Entfernen aller
Gegenstände, welche die Aufmerksamkeit ablenken können, nament-
lich solcher, die dem Thiere, wie pressende oder verletzende Theile
des Ajustements, Schmerz oder Unbequemlichkeit verursachen,
längere Reprisen und Rücksichtsnahme auf geschlechtliches Begehr,
nebst ernster und ruhiger Behandlung sind die Mittel dagegen.

Es scheint mir hier der geeignete Ort, einige Worte über das
Temperament zu sagen. Man hat darunter die aus dem eigen-
thümlichen körperlichen Organismus hervorgehende geistige
Thätigkeit
in Bezug auf Gefühl, Leidenschaften etc. zu
verstehen. Bei den Pferden pflegt man von heftigem (reizba-
rem), lebhaftem und ruhigem Temperamente zu sprechen,
was mit dem cholerischen, sanguinischen und phlegmatischen über-
einkommt. Vom melancholischen ist dagegen weniger die
Rede. Im Allgemeinen pflegt man die grössere und geringere
Gehlust höchst willkürlich mit dem Ausdrucke Temperament zu
bezeichnen, und diese Naturanlage zum Deckmantel von Dressur-
mängeln zu benutzen. Da bei gerittenen Pferden der grössere
oder geringere Drang nach vorwärts mehr von der Zusam-
menstellung
, und die leichtere oder schwerere Folgsamkeit
auf die Hülfen mehr von der Abrichtung, als von der gei-
stigen Thätigkeit
abhängt, so wird, aus beiden Eigenschaften
die Temperamentsbestimmung herzuleiten, meist unrichtig

I. Abschnitt. Erstes Kapitel.
Arzt helfen, sonst bedarf es anfangs oft des lauten Anschreiens
und des Schlagens, um das Thier zu erwecken. Man verfalle dabei
nicht in den Fehler andauernden Gebrauchs unzurei-
chender Mittel
, welche die Theilnahmlosigkeit und Harthörigkeit
nur steigern, und lasse sich nicht zur Grausamkeit hinreissen,
die Misstrauen und Furcht erweckt, und wohl Aufmerksamkeit,
doch statt des Erkennens — Verkennen hervorbringt. Man
wähle bei ihnen stets kurze Reprisen, die ein nicht zu langes An-
spannen der Aufmerksamkeit verlangen. Die Flatterhaftigkeit,
das nicht Ausharren, sondern Abschweifen der Aufmerksamkeit auf
andere Gegenstände, ist theils eine Folge lebhafter Empfäng-
lichkeit
für fremde Eindrücke, welche im Allgemeinen Eigen-
thum der Jugend
und der höheren Racen ist, und sich bei
reizbaren Nerven bis zur fieberhaften Aufregung steigert, theils
Folge von Stallmuth, dem Gefühle der Kraft, und entspringt
endlich aus geschlechtlichen Ursachen. Entfernen aller
Gegenstände, welche die Aufmerksamkeit ablenken können, nament-
lich solcher, die dem Thiere, wie pressende oder verletzende Theile
des Ajustements, Schmerz oder Unbequemlichkeit verursachen,
längere Reprisen und Rücksichtsnahme auf geschlechtliches Begehr,
nebst ernster und ruhiger Behandlung sind die Mittel dagegen.

Es scheint mir hier der geeignete Ort, einige Worte über das
Temperament zu sagen. Man hat darunter die aus dem eigen-
thümlichen körperlichen Organismus hervorgehende geistige
Thätigkeit
in Bezug auf Gefühl, Leidenschaften etc. zu
verstehen. Bei den Pferden pflegt man von heftigem (reizba-
rem), lebhaftem und ruhigem Temperamente zu sprechen,
was mit dem cholerischen, sanguinischen und phlegmatischen über-
einkommt. Vom melancholischen ist dagegen weniger die
Rede. Im Allgemeinen pflegt man die grössere und geringere
Gehlust höchst willkürlich mit dem Ausdrucke Temperament zu
bezeichnen, und diese Naturanlage zum Deckmantel von Dressur-
mängeln zu benutzen. Da bei gerittenen Pferden der grössere
oder geringere Drang nach vorwärts mehr von der Zusam-
menstellung
, und die leichtere oder schwerere Folgsamkeit
auf die Hülfen mehr von der Abrichtung, als von der gei-
stigen Thätigkeit
abhängt, so wird, aus beiden Eigenschaften
die Temperamentsbestimmung herzuleiten, meist unrichtig

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[42/0064] I. Abschnitt. Erstes Kapitel. Arzt helfen, sonst bedarf es anfangs oft des lauten Anschreiens und des Schlagens, um das Thier zu erwecken. Man verfalle dabei nicht in den Fehler andauernden Gebrauchs unzurei- chender Mittel, welche die Theilnahmlosigkeit und Harthörigkeit nur steigern, und lasse sich nicht zur Grausamkeit hinreissen, die Misstrauen und Furcht erweckt, und wohl Aufmerksamkeit, doch statt des Erkennens — Verkennen hervorbringt. Man wähle bei ihnen stets kurze Reprisen, die ein nicht zu langes An- spannen der Aufmerksamkeit verlangen. Die Flatterhaftigkeit, das nicht Ausharren, sondern Abschweifen der Aufmerksamkeit auf andere Gegenstände, ist theils eine Folge lebhafter Empfäng- lichkeit für fremde Eindrücke, welche im Allgemeinen Eigen- thum der Jugend und der höheren Racen ist, und sich bei reizbaren Nerven bis zur fieberhaften Aufregung steigert, theils Folge von Stallmuth, dem Gefühle der Kraft, und entspringt endlich aus geschlechtlichen Ursachen. Entfernen aller Gegenstände, welche die Aufmerksamkeit ablenken können, nament- lich solcher, die dem Thiere, wie pressende oder verletzende Theile des Ajustements, Schmerz oder Unbequemlichkeit verursachen, längere Reprisen und Rücksichtsnahme auf geschlechtliches Begehr, nebst ernster und ruhiger Behandlung sind die Mittel dagegen. Es scheint mir hier der geeignete Ort, einige Worte über das Temperament zu sagen. Man hat darunter die aus dem eigen- thümlichen körperlichen Organismus hervorgehende geistige Thätigkeit in Bezug auf Gefühl, Leidenschaften etc. zu verstehen. Bei den Pferden pflegt man von heftigem (reizba- rem), lebhaftem und ruhigem Temperamente zu sprechen, was mit dem cholerischen, sanguinischen und phlegmatischen über- einkommt. Vom melancholischen ist dagegen weniger die Rede. Im Allgemeinen pflegt man die grössere und geringere Gehlust höchst willkürlich mit dem Ausdrucke Temperament zu bezeichnen, und diese Naturanlage zum Deckmantel von Dressur- mängeln zu benutzen. Da bei gerittenen Pferden der grössere oder geringere Drang nach vorwärts mehr von der Zusam- menstellung, und die leichtere oder schwerere Folgsamkeit auf die Hülfen mehr von der Abrichtung, als von der gei- stigen Thätigkeit abhängt, so wird, aus beiden Eigenschaften die Temperamentsbestimmung herzuleiten, meist unrichtig

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/64>, abgerufen am 22.11.2024.