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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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telgrossen, in die Dressur genommenen Pferde nicht unter 12 Pf.
Hafer und 8 Pf. Heu reichen. Erhält man ein Thier von der
Weide
mit einem dicken Grasbauch, so entziehe man ihm die
grosse Futterquantität
, woran seine Eingeweide gewöhnt
sind, nicht plötzlich, und lege ihm erst allmälig an Körner-
futter zu, was man ihm an Rauhfutter nimmt. Bei den Remonten
wird bei ihrem Transport zu den Regimentern von dem üblichen
Rationssatz abgewichen und ihnen ein grösseres Heuquantum gege-
ben. Aehnlich würde man vielleicht zweckmässig bei Land-
wehr-Cavalleriepferden
, und bei den vom Lande gestellten
Mobilmachungspferden verfahren. Diese an grosse, bäuerische
Futtermassen gewöhnten Thiere kommen bei dem geringen Volumen
sichtbar herunter und Anfangs zu einem Schwächezustand, der sie,
bei der gänzlich veränderten Lebensweise, gewiss zur Druse etc.
besonders empfänglich macht. So lange indess das Rauhfutter vor-
herrscht, vermeide man anhaltend-schnelle Bewegungen.

Will man das bereits gerittene Pferd zu andauernd
raschen Bewegungen vorbereiten, es in Athem setzen
,
so würde ich niemals für das Campagnepferd zur Anwendung künst-
licher Hülfsmittel, wie Abschwitzen unter einer Menge von Decken,
Purgiren durch Aloepillen etc. anrathen. Diese Mittel bringen theils
eine Verweichlichung der Haut hervor, welche mehr zur Erkältung
disponirt, wie es der Gebrauch des Soldatenpferdes erlaubt, theils
möchte ich ihnen die nervöse Reizbarkeit zuschreiben, welche jene
Pferde so häufig zeigen. Anhaltende Bewegung bei reichlichem Futter
bringt einen natürlichen Training hervor, welcher für militärische
Zwecke völlig ausreicht. Die Geduld, womit der Engländer stun-
denlang sein Pferd erst im Schritt, dann im Schritt und kurzem
Trab übt, ehe er zum Galopp übergeht und diesen sofort wieder
abbricht, sobald die sorgfältige Beobachtung im Stall zeigt, dass
sich die Fresslust verringert, und zur niedern Periode zurückkehrt;
die Vorsicht, mit der er die Galoppübung steigert; die Sorgfalt in
Wahl des Weges und der Stunde: sie müssen zum nachahmungs-
würdigen Beispiele dienen, und weichen so unendlich von der un-
klugen Art vieler jüngerer Herren ab, die glauben, ihr Pferd in
Athem zu bringen, während sie es von Kräften bringen, glauben es
an die Hand zu reiten, während sie es auf den Kopf reiten und es
für Leistungen vorzubereiten, während sie ihm die Kraft und Hal-
tung dazu mit Gewalt nehmen. Wenn diese Herren sich nach ihren
Ritten in den Stall begeben und ihre Pferde beobachten möchten,
so würden sie sich eher überzeugen, dass ihr Verfahren ein unrich-

Anhang.
telgrossen, in die Dressur genommenen Pferde nicht unter 12 Pf.
Hafer und 8 Pf. Heu reichen. Erhält man ein Thier von der
Weide
mit einem dicken Grasbauch, so entziehe man ihm die
grosse Futterquantität
, woran seine Eingeweide gewöhnt
sind, nicht plötzlich, und lege ihm erst allmälig an Körner-
futter zu, was man ihm an Rauhfutter nimmt. Bei den Remonten
wird bei ihrem Transport zu den Regimentern von dem üblichen
Rationssatz abgewichen und ihnen ein grösseres Heuquantum gege-
ben. Aehnlich würde man vielleicht zweckmässig bei Land-
wehr-Cavalleriepferden
, und bei den vom Lande gestellten
Mobilmachungspferden verfahren. Diese an grosse, bäuerische
Futtermassen gewöhnten Thiere kommen bei dem geringen Volumen
sichtbar herunter und Anfangs zu einem Schwächezustand, der sie,
bei der gänzlich veränderten Lebensweise, gewiss zur Druse etc.
besonders empfänglich macht. So lange indess das Rauhfutter vor-
herrscht, vermeide man anhaltend-schnelle Bewegungen.

Will man das bereits gerittene Pferd zu andauernd
raschen Bewegungen vorbereiten, es in Athem setzen
,
so würde ich niemals für das Campagnepferd zur Anwendung künst-
licher Hülfsmittel, wie Abschwitzen unter einer Menge von Decken,
Purgiren durch Aloëpillen etc. anrathen. Diese Mittel bringen theils
eine Verweichlichung der Haut hervor, welche mehr zur Erkältung
disponirt, wie es der Gebrauch des Soldatenpferdes erlaubt, theils
möchte ich ihnen die nervöse Reizbarkeit zuschreiben, welche jene
Pferde so häufig zeigen. Anhaltende Bewegung bei reichlichem Futter
bringt einen natürlichen Training hervor, welcher für militärische
Zwecke völlig ausreicht. Die Geduld, womit der Engländer stun-
denlang sein Pferd erst im Schritt, dann im Schritt und kurzem
Trab übt, ehe er zum Galopp übergeht und diesen sofort wieder
abbricht, sobald die sorgfältige Beobachtung im Stall zeigt, dass
sich die Fresslust verringert, und zur niedern Periode zurückkehrt;
die Vorsicht, mit der er die Galoppübung steigert; die Sorgfalt in
Wahl des Weges und der Stunde: sie müssen zum nachahmungs-
würdigen Beispiele dienen, und weichen so unendlich von der un-
klugen Art vieler jüngerer Herren ab, die glauben, ihr Pferd in
Athem zu bringen, während sie es von Kräften bringen, glauben es
an die Hand zu reiten, während sie es auf den Kopf reiten und es
für Leistungen vorzubereiten, während sie ihm die Kraft und Hal-
tung dazu mit Gewalt nehmen. Wenn diese Herren sich nach ihren
Ritten in den Stall begeben und ihre Pferde beobachten möchten,
so würden sie sich eher überzeugen, dass ihr Verfahren ein unrich-

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[292/0314] Anhang. telgrossen, in die Dressur genommenen Pferde nicht unter 12 Pf. Hafer und 8 Pf. Heu reichen. Erhält man ein Thier von der Weide mit einem dicken Grasbauch, so entziehe man ihm die grosse Futterquantität, woran seine Eingeweide gewöhnt sind, nicht plötzlich, und lege ihm erst allmälig an Körner- futter zu, was man ihm an Rauhfutter nimmt. Bei den Remonten wird bei ihrem Transport zu den Regimentern von dem üblichen Rationssatz abgewichen und ihnen ein grösseres Heuquantum gege- ben. Aehnlich würde man vielleicht zweckmässig bei Land- wehr-Cavalleriepferden, und bei den vom Lande gestellten Mobilmachungspferden verfahren. Diese an grosse, bäuerische Futtermassen gewöhnten Thiere kommen bei dem geringen Volumen sichtbar herunter und Anfangs zu einem Schwächezustand, der sie, bei der gänzlich veränderten Lebensweise, gewiss zur Druse etc. besonders empfänglich macht. So lange indess das Rauhfutter vor- herrscht, vermeide man anhaltend-schnelle Bewegungen. Will man das bereits gerittene Pferd zu andauernd raschen Bewegungen vorbereiten, es in Athem setzen, so würde ich niemals für das Campagnepferd zur Anwendung künst- licher Hülfsmittel, wie Abschwitzen unter einer Menge von Decken, Purgiren durch Aloëpillen etc. anrathen. Diese Mittel bringen theils eine Verweichlichung der Haut hervor, welche mehr zur Erkältung disponirt, wie es der Gebrauch des Soldatenpferdes erlaubt, theils möchte ich ihnen die nervöse Reizbarkeit zuschreiben, welche jene Pferde so häufig zeigen. Anhaltende Bewegung bei reichlichem Futter bringt einen natürlichen Training hervor, welcher für militärische Zwecke völlig ausreicht. Die Geduld, womit der Engländer stun- denlang sein Pferd erst im Schritt, dann im Schritt und kurzem Trab übt, ehe er zum Galopp übergeht und diesen sofort wieder abbricht, sobald die sorgfältige Beobachtung im Stall zeigt, dass sich die Fresslust verringert, und zur niedern Periode zurückkehrt; die Vorsicht, mit der er die Galoppübung steigert; die Sorgfalt in Wahl des Weges und der Stunde: sie müssen zum nachahmungs- würdigen Beispiele dienen, und weichen so unendlich von der un- klugen Art vieler jüngerer Herren ab, die glauben, ihr Pferd in Athem zu bringen, während sie es von Kräften bringen, glauben es an die Hand zu reiten, während sie es auf den Kopf reiten und es für Leistungen vorzubereiten, während sie ihm die Kraft und Hal- tung dazu mit Gewalt nehmen. Wenn diese Herren sich nach ihren Ritten in den Stall begeben und ihre Pferde beobachten möchten, so würden sie sich eher überzeugen, dass ihr Verfahren ein unrich-

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/314>, abgerufen am 05.05.2024.