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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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Einleitung.
lassen, hat manchen Anglomanen veranlasst, auch sein Pferd gar
früh unter den Sattel zu bringen. Er hat nicht bedacht, dass
sein Thier weder jene treibhausartige Frühreife hatte, noch
einen so leichten Reiter wie den abgeschwitzten Jokey, noch
endlich die sorgfältige Pflege nach jedem Ritt, welche der
englische Stall gewährt, und hat es eher zu Schanden geritten, als
es von Rechtswegen den Sattel hätte tragen sollen. Das lit-
thauische
und manches andere knapp gefütterte Pferd von
guter Race ist mit fünf Jahren noch nicht ausgebildet
und bedarf, wenn es, vor Fehler bewahrt, eine lange Dienstzeit
erreichen soll, einer langen Schonung.

Die vollendete Körperausbildung wird mithin und
nicht das Alter den Zeitpunkt der zu beginnenden Dres-
sur bestimmen.
Das vorherige Gewöhnen an den Rei-
ter,
das sogenannte "spielende Anreiten" möchte ich nicht
anrathen. Junge Dinger von Race und Temperament bringen den
erfahrensten, geschicktesten und geduldigsten Reiter in verlegene
Situationen, wo er sie anfassen muss, wenn er nicht befürchten
soll, dass sich diese oder jene Unart zur bösen Angewöhnung aus-
bilde. Eben so wenig ist das frühe Longiren anzurathen, wenn
es nicht von dazu völlig Befähigten geschieht, indem dadurch nicht
nur später schwer zu beseitigende Verbiegungen des Halses ange-
wöhnt werden, sondern auch leicht die Beine, namentlich die Hin-
terfesseln leiden. Jeder Bereiter wird gewiss lieber das ganz
rohe,
als ein ungeschickt longirtes, oder schlecht ange-
rittenes
Pferd in Dressur nehmen. Das Gehenlassen im
Bewegungsraume
(Fohlengarten) viele Stunden des Tages und
eine recht gute Behandlung von Seiten der Wärter sind die besten
Vorbereitungen zur Dressur. Es wird dadurch die Muskulatur
gestärkt und das Thier dem Menschen gegenüber vertrauensvoll
und handhabig.

Noch schwieriger ist es, die Dauer der Dressur
auch nur annäherungsweise zu bestimmen.
Es sind die
Gebrauchszwecke so unendlich verschieden, dazu kommen
noch die individuellen Anforderungen, die jeder Reiter
verschieden stellt, dass hierin allein schon ein grosser Unterschied
liegt. Der Gutsbesitzer, der sich auf seinem Terrain umsehn
will, bedarf eines Pferdes, das unermüdlich und ruhig durch

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Einleitung.
lassen, hat manchen Anglomanen veranlasst, auch sein Pferd gar
früh unter den Sattel zu bringen. Er hat nicht bedacht, dass
sein Thier weder jene treibhausartige Frühreife hatte, noch
einen so leichten Reiter wie den abgeschwitzten Jokey, noch
endlich die sorgfältige Pflege nach jedem Ritt, welche der
englische Stall gewährt, und hat es eher zu Schanden geritten, als
es von Rechtswegen den Sattel hätte tragen sollen. Das lit-
thauische
und manches andere knapp gefütterte Pferd von
guter Race ist mit fünf Jahren noch nicht ausgebildet
und bedarf, wenn es, vor Fehler bewahrt, eine lange Dienstzeit
erreichen soll, einer langen Schonung.

Die vollendete Körperausbildung wird mithin und
nicht das Alter den Zeitpunkt der zu beginnenden Dres-
sur bestimmen.
Das vorherige Gewöhnen an den Rei-
ter,
das sogenannte „spielende Anreiten“ möchte ich nicht
anrathen. Junge Dinger von Race und Temperament bringen den
erfahrensten, geschicktesten und geduldigsten Reiter in verlegene
Situationen, wo er sie anfassen muss, wenn er nicht befürchten
soll, dass sich diese oder jene Unart zur bösen Angewöhnung aus-
bilde. Eben so wenig ist das frühe Longiren anzurathen, wenn
es nicht von dazu völlig Befähigten geschieht, indem dadurch nicht
nur später schwer zu beseitigende Verbiegungen des Halses ange-
wöhnt werden, sondern auch leicht die Beine, namentlich die Hin-
terfesseln leiden. Jeder Bereiter wird gewiss lieber das ganz
rohe,
als ein ungeschickt longirtes, oder schlecht ange-
rittenes
Pferd in Dressur nehmen. Das Gehenlassen im
Bewegungsraume
(Fohlengarten) viele Stunden des Tages und
eine recht gute Behandlung von Seiten der Wärter sind die besten
Vorbereitungen zur Dressur. Es wird dadurch die Muskulatur
gestärkt und das Thier dem Menschen gegenüber vertrauensvoll
und handhabig.

Noch schwieriger ist es, die Dauer der Dressur
auch nur annäherungsweise zu bestimmen.
Es sind die
Gebrauchszwecke so unendlich verschieden, dazu kommen
noch die individuellen Anforderungen, die jeder Reiter
verschieden stellt, dass hierin allein schon ein grosser Unterschied
liegt. Der Gutsbesitzer, der sich auf seinem Terrain umsehn
will, bedarf eines Pferdes, das unermüdlich und ruhig durch

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[163/0185] Einleitung. lassen, hat manchen Anglomanen veranlasst, auch sein Pferd gar früh unter den Sattel zu bringen. Er hat nicht bedacht, dass sein Thier weder jene treibhausartige Frühreife hatte, noch einen so leichten Reiter wie den abgeschwitzten Jokey, noch endlich die sorgfältige Pflege nach jedem Ritt, welche der englische Stall gewährt, und hat es eher zu Schanden geritten, als es von Rechtswegen den Sattel hätte tragen sollen. Das lit- thauische und manches andere knapp gefütterte Pferd von guter Race ist mit fünf Jahren noch nicht ausgebildet und bedarf, wenn es, vor Fehler bewahrt, eine lange Dienstzeit erreichen soll, einer langen Schonung. Die vollendete Körperausbildung wird mithin und nicht das Alter den Zeitpunkt der zu beginnenden Dres- sur bestimmen. Das vorherige Gewöhnen an den Rei- ter, das sogenannte „spielende Anreiten“ möchte ich nicht anrathen. Junge Dinger von Race und Temperament bringen den erfahrensten, geschicktesten und geduldigsten Reiter in verlegene Situationen, wo er sie anfassen muss, wenn er nicht befürchten soll, dass sich diese oder jene Unart zur bösen Angewöhnung aus- bilde. Eben so wenig ist das frühe Longiren anzurathen, wenn es nicht von dazu völlig Befähigten geschieht, indem dadurch nicht nur später schwer zu beseitigende Verbiegungen des Halses ange- wöhnt werden, sondern auch leicht die Beine, namentlich die Hin- terfesseln leiden. Jeder Bereiter wird gewiss lieber das ganz rohe, als ein ungeschickt longirtes, oder schlecht ange- rittenes Pferd in Dressur nehmen. Das Gehenlassen im Bewegungsraume (Fohlengarten) viele Stunden des Tages und eine recht gute Behandlung von Seiten der Wärter sind die besten Vorbereitungen zur Dressur. Es wird dadurch die Muskulatur gestärkt und das Thier dem Menschen gegenüber vertrauensvoll und handhabig. Noch schwieriger ist es, die Dauer der Dressur auch nur annäherungsweise zu bestimmen. Es sind die Gebrauchszwecke so unendlich verschieden, dazu kommen noch die individuellen Anforderungen, die jeder Reiter verschieden stellt, dass hierin allein schon ein grosser Unterschied liegt. Der Gutsbesitzer, der sich auf seinem Terrain umsehn will, bedarf eines Pferdes, das unermüdlich und ruhig durch 11*

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/185>, abgerufen am 04.12.2024.