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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
Biegung zu treiben, wogegen er es im Stillehalten mehr mit dem
Zügel ziehen, und so activ gegen einen activen Ungehorsam auf-
treten muss. Es scheint mir ferner im Gange das Pferd mehr
selbstthätig und so im Stande, sich in die gewünschte Biegung in
einer mehr selbstgewählten und schmerzloseren Art hineinzuarbeiten.

Mit der Art vieler Reiter, anfangs sehr viele Hals-
biegungen zu gestatten
und den stark nach einer Seitc gebo-
genen Hals allmälig mit dem auswendigen Zügel gerade zu spannen,
um so auf dem anderen Wege die absolute Biegung in die Ga-
nasche zu erreichen, kann ich mich nicht einverstanden erklären.
Nur bei Pferden von kurzen, dicken Hälsen, bei denen die
Gefahr eines Verwerfens am wenigsten zu befürchten
ist
, mag es ausnahmsweise von Nutzen sein. Sonst scheint mir
dies nur ein auf Selbsttäuschung beruhender Vortheil zu sein.
Es ist ein dem Verlangten Aehnliches erreicht, das
den Anschein eines Fortschrittes hat, aber in der Wirklichkeit nur
zu dem später so höchst schwierig zu beseitigenden Fehler des
Seitwärtsausweichens an einer oder der anderen Stelle des
Halses zu führen scheint. Will man dem Thiere anfangs nur lehren,
eine Drehung des Kopfes nach einer Seite in Folge des Druckes
des Gebisses auf eine Lade vorzunehmen, so braucht man es ihm
nur in der von Herrn Baucher empfohlenen Art an der Hand zu
lehren, und würde damit weiter kommen, als ihm unter dem Reiter
den Hals herumzuziehen. Die einzelnen Fälle von Gestal-
tungen dieser Schwierigkeit durchzugehen, wage ich
nicht, nach der trefflichen Belehrung des Hrn. Seidler
über diesen Gegenstand
. Ich müsste ihm wörtlich nach-
schreiben, denn ich weiss nichts hinzuzufügen, geschweige etwas
Besseres, und verweise meine verehrten Leser auf ihn.

Wir sehen aus dem Gesagten, dass der Ganaschenzwang
sehr häufig ein grosses Hemmniss für die richtige Bei-
zäumung ist
, und diese erst nach einiger Beseitigung desselben
vorschreiten kann, obschon erst die absolute Kopfstellung in der
beigenommenen Stellung deren gänzliche Beseitigung verlangt. Ein
übereiltes und gewaltsames Verfahren in der Beizäumung sowohl
bei diesem Hemmnisse, wie bei kurzem, festem Genicke wird das
Pferd veranlassen, die Biegung entweder zwischen weiter abwärts
gelegenen Wirbeln zu geben, oder durch eine zu gewaltsame Bie-

III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
Biegung zu treiben, wogegen er es im Stillehalten mehr mit dem
Zügel ziehen, und so activ gegen einen activen Ungehorsam auf-
treten muss. Es scheint mir ferner im Gange das Pferd mehr
selbstthätig und so im Stande, sich in die gewünschte Biegung in
einer mehr selbstgewählten und schmerzloseren Art hineinzuarbeiten.

Mit der Art vieler Reiter, anfangs sehr viele Hals-
biegungen zu gestatten
und den stark nach einer Seitc gebo-
genen Hals allmälig mit dem auswendigen Zügel gerade zu spannen,
um so auf dem anderen Wege die absolute Biegung in die Ga-
nasche zu erreichen, kann ich mich nicht einverstanden erklären.
Nur bei Pferden von kurzen, dicken Hälsen, bei denen die
Gefahr eines Verwerfens am wenigsten zu befürchten
ist
, mag es ausnahmsweise von Nutzen sein. Sonst scheint mir
dies nur ein auf Selbsttäuschung beruhender Vortheil zu sein.
Es ist ein dem Verlangten Aehnliches erreicht, das
den Anschein eines Fortschrittes hat, aber in der Wirklichkeit nur
zu dem später so höchst schwierig zu beseitigenden Fehler des
Seitwärtsausweichens an einer oder der anderen Stelle des
Halses zu führen scheint. Will man dem Thiere anfangs nur lehren,
eine Drehung des Kopfes nach einer Seite in Folge des Druckes
des Gebisses auf eine Lade vorzunehmen, so braucht man es ihm
nur in der von Herrn Baucher empfohlenen Art an der Hand zu
lehren, und würde damit weiter kommen, als ihm unter dem Reiter
den Hals herumzuziehen. Die einzelnen Fälle von Gestal-
tungen dieser Schwierigkeit durchzugehen, wage ich
nicht, nach der trefflichen Belehrung des Hrn. Seidler
über diesen Gegenstand
. Ich müsste ihm wörtlich nach-
schreiben, denn ich weiss nichts hinzuzufügen, geschweige etwas
Besseres, und verweise meine verehrten Leser auf ihn.

Wir sehen aus dem Gesagten, dass der Ganaschenzwang
sehr häufig ein grosses Hemmniss für die richtige Bei-
zäumung ist
, und diese erst nach einiger Beseitigung desselben
vorschreiten kann, obschon erst die absolute Kopfstellung in der
beigenommenen Stellung deren gänzliche Beseitigung verlangt. Ein
übereiltes und gewaltsames Verfahren in der Beizäumung sowohl
bei diesem Hemmnisse, wie bei kurzem, festem Genicke wird das
Pferd veranlassen, die Biegung entweder zwischen weiter abwärts
gelegenen Wirbeln zu geben, oder durch eine zu gewaltsame Bie-

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[118/0140] III. Abschnitt. Zweites Kapitel. Biegung zu treiben, wogegen er es im Stillehalten mehr mit dem Zügel ziehen, und so activ gegen einen activen Ungehorsam auf- treten muss. Es scheint mir ferner im Gange das Pferd mehr selbstthätig und so im Stande, sich in die gewünschte Biegung in einer mehr selbstgewählten und schmerzloseren Art hineinzuarbeiten. Mit der Art vieler Reiter, anfangs sehr viele Hals- biegungen zu gestatten und den stark nach einer Seitc gebo- genen Hals allmälig mit dem auswendigen Zügel gerade zu spannen, um so auf dem anderen Wege die absolute Biegung in die Ga- nasche zu erreichen, kann ich mich nicht einverstanden erklären. Nur bei Pferden von kurzen, dicken Hälsen, bei denen die Gefahr eines Verwerfens am wenigsten zu befürchten ist, mag es ausnahmsweise von Nutzen sein. Sonst scheint mir dies nur ein auf Selbsttäuschung beruhender Vortheil zu sein. Es ist ein dem Verlangten Aehnliches erreicht, das den Anschein eines Fortschrittes hat, aber in der Wirklichkeit nur zu dem später so höchst schwierig zu beseitigenden Fehler des Seitwärtsausweichens an einer oder der anderen Stelle des Halses zu führen scheint. Will man dem Thiere anfangs nur lehren, eine Drehung des Kopfes nach einer Seite in Folge des Druckes des Gebisses auf eine Lade vorzunehmen, so braucht man es ihm nur in der von Herrn Baucher empfohlenen Art an der Hand zu lehren, und würde damit weiter kommen, als ihm unter dem Reiter den Hals herumzuziehen. Die einzelnen Fälle von Gestal- tungen dieser Schwierigkeit durchzugehen, wage ich nicht, nach der trefflichen Belehrung des Hrn. Seidler über diesen Gegenstand. Ich müsste ihm wörtlich nach- schreiben, denn ich weiss nichts hinzuzufügen, geschweige etwas Besseres, und verweise meine verehrten Leser auf ihn. Wir sehen aus dem Gesagten, dass der Ganaschenzwang sehr häufig ein grosses Hemmniss für die richtige Bei- zäumung ist, und diese erst nach einiger Beseitigung desselben vorschreiten kann, obschon erst die absolute Kopfstellung in der beigenommenen Stellung deren gänzliche Beseitigung verlangt. Ein übereiltes und gewaltsames Verfahren in der Beizäumung sowohl bei diesem Hemmnisse, wie bei kurzem, festem Genicke wird das Pferd veranlassen, die Biegung entweder zwischen weiter abwärts gelegenen Wirbeln zu geben, oder durch eine zu gewaltsame Bie-

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/140>, abgerufen am 27.04.2024.