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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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III. Abschnitt. Erstes Kapitel.
zu bringen vermag. Der Hals möglichst aufgerichtet, die Hanke
bis zur vollendeten Elastizität gebogen, ist der Schwerpunkt fast
immer der Hinterhand zugeneigt. Nicht nur vollendet in den Gang-
arten auf einem und zwei Hufschlägen, ist es häufig zu künstlichen
Sprüngen dressirt. Von den Diensten des gemeinen Lebens befreit,
ist Dauer, Schnelligkeit und Tragen grossen Gewichtes nicht seine
Aufgabe. Es soll hauptsächlich dem Reiter das Gefühl vollkom-
mener Haltung und richtig einwirkender Hülfen geben.

Nach dem Aufhören von Turnieren, Carroussels und Festzügen
hatte der praktische Gebrauch des Schulpferdes seine Endschaft
gefunden. Die grosse Vollkommenheit des Gebäudes und die lange
Dauer der Dressur macht sie so kostspielig, dass nur auf wenigen
grossen Bahnen deren gehalten werden, und die Mittel reichen nicht
hin, um den ganzen Cyklus der höheren Schule auf einer Bahn
vertreten zu sehen, indem nicht jedem Schulpferde alle Sprünge
beizubringen sind, sondern das Thier nur in denen, zu welchen es
Neigung zeigt, fest gemacht werden kann. Es ist für jeden Reiter
gewiss eine grosse Freude, die schulgerechten Leistungen zu sehen,
wie die Hannöversche Manege sie aufzuweisen hat. Eben so wird
der Stallmeister Seidler, welcher nur aus den Pferden der Reit-
schule zu Schwedt sich das Material zu seinen Schulpferden aus-
suchen konnte, jedem Hochachtung und Bewunderung einflössen.
Die Bemühungen der Kunstreiter, wie Loisset, Renz, Wollschläger
etc., um die Dressur von Schulpferden, so anerkennenswerth sie
auch sind, zeigen indess zu sehr die Absicht, dem grossen Pu-
blikum durch halsbrechendes Steigen und kecke Sprünge eine Au-
genweide zu geben, als dass nicht jener ruhigen Haltung, die aus
dem nie aufgegebenen Gleichgewichte entspringt, und welche die
vornehme und edele Eleganz der alten Schule bildet, Abbruch
geschähe. Im Allgemeinen findet der Liebhaber so wenig Ge-
legenheit, jene Lectionen ausführen zu sehen, und die Werke, in
denen sie beschrieben werden, sind so selten geworden, dass ich
meinem Leser glaube angenehm zu sein, wenn ich sie in der Kürze
durchgehe und durch Zeichnungen zu erläutern suche. Ich gebe
dieselben meist nach der grossen Ausgabe des Marquis v. Newcastle,
Anvers 1663.

1) Der Schultritt oder spanische Tritt zeigt wie der
Schritt vier Tempos, mit Beibehaltung der Fusssetzung des

III. Abschnitt. Erstes Kapitel.
zu bringen vermag. Der Hals möglichst aufgerichtet, die Hanke
bis zur vollendeten Elastizität gebogen, ist der Schwerpunkt fast
immer der Hinterhand zugeneigt. Nicht nur vollendet in den Gang-
arten auf einem und zwei Hufschlägen, ist es häufig zu künstlichen
Sprüngen dressirt. Von den Diensten des gemeinen Lebens befreit,
ist Dauer, Schnelligkeit und Tragen grossen Gewichtes nicht seine
Aufgabe. Es soll hauptsächlich dem Reiter das Gefühl vollkom-
mener Haltung und richtig einwirkender Hülfen geben.

Nach dem Aufhören von Turnieren, Carroussels und Festzügen
hatte der praktische Gebrauch des Schulpferdes seine Endschaft
gefunden. Die grosse Vollkommenheit des Gebäudes und die lange
Dauer der Dressur macht sie so kostspielig, dass nur auf wenigen
grossen Bahnen deren gehalten werden, und die Mittel reichen nicht
hin, um den ganzen Cyklus der höheren Schule auf einer Bahn
vertreten zu sehen, indem nicht jedem Schulpferde alle Sprünge
beizubringen sind, sondern das Thier nur in denen, zu welchen es
Neigung zeigt, fest gemacht werden kann. Es ist für jeden Reiter
gewiss eine grosse Freude, die schulgerechten Leistungen zu sehen,
wie die Hannöversche Manège sie aufzuweisen hat. Eben so wird
der Stallmeister Seidler, welcher nur aus den Pferden der Reit-
schule zu Schwedt sich das Material zu seinen Schulpferden aus-
suchen konnte, jedem Hochachtung und Bewunderung einflössen.
Die Bemühungen der Kunstreiter, wie Loisset, Renz, Wollschläger
etc., um die Dressur von Schulpferden, so anerkennenswerth sie
auch sind, zeigen indess zu sehr die Absicht, dem grossen Pu-
blikum durch halsbrechendes Steigen und kecke Sprünge eine Au-
genweide zu geben, als dass nicht jener ruhigen Haltung, die aus
dem nie aufgegebenen Gleichgewichte entspringt, und welche die
vornehme und edele Eleganz der alten Schule bildet, Abbruch
geschähe. Im Allgemeinen findet der Liebhaber so wenig Ge-
legenheit, jene Lectionen ausführen zu sehen, und die Werke, in
denen sie beschrieben werden, sind so selten geworden, dass ich
meinem Leser glaube angenehm zu sein, wenn ich sie in der Kürze
durchgehe und durch Zeichnungen zu erläutern suche. Ich gebe
dieselben meist nach der grossen Ausgabe des Marquis v. Newcastle,
Anvers 1663.

1) Der Schultritt oder spanische Tritt zeigt wie der
Schritt vier Tempos, mit Beibehaltung der Fusssetzung des
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[86/0108] III. Abschnitt. Erstes Kapitel. zu bringen vermag. Der Hals möglichst aufgerichtet, die Hanke bis zur vollendeten Elastizität gebogen, ist der Schwerpunkt fast immer der Hinterhand zugeneigt. Nicht nur vollendet in den Gang- arten auf einem und zwei Hufschlägen, ist es häufig zu künstlichen Sprüngen dressirt. Von den Diensten des gemeinen Lebens befreit, ist Dauer, Schnelligkeit und Tragen grossen Gewichtes nicht seine Aufgabe. Es soll hauptsächlich dem Reiter das Gefühl vollkom- mener Haltung und richtig einwirkender Hülfen geben. Nach dem Aufhören von Turnieren, Carroussels und Festzügen hatte der praktische Gebrauch des Schulpferdes seine Endschaft gefunden. Die grosse Vollkommenheit des Gebäudes und die lange Dauer der Dressur macht sie so kostspielig, dass nur auf wenigen grossen Bahnen deren gehalten werden, und die Mittel reichen nicht hin, um den ganzen Cyklus der höheren Schule auf einer Bahn vertreten zu sehen, indem nicht jedem Schulpferde alle Sprünge beizubringen sind, sondern das Thier nur in denen, zu welchen es Neigung zeigt, fest gemacht werden kann. Es ist für jeden Reiter gewiss eine grosse Freude, die schulgerechten Leistungen zu sehen, wie die Hannöversche Manège sie aufzuweisen hat. Eben so wird der Stallmeister Seidler, welcher nur aus den Pferden der Reit- schule zu Schwedt sich das Material zu seinen Schulpferden aus- suchen konnte, jedem Hochachtung und Bewunderung einflössen. Die Bemühungen der Kunstreiter, wie Loisset, Renz, Wollschläger etc., um die Dressur von Schulpferden, so anerkennenswerth sie auch sind, zeigen indess zu sehr die Absicht, dem grossen Pu- blikum durch halsbrechendes Steigen und kecke Sprünge eine Au- genweide zu geben, als dass nicht jener ruhigen Haltung, die aus dem nie aufgegebenen Gleichgewichte entspringt, und welche die vornehme und edele Eleganz der alten Schule bildet, Abbruch geschähe. Im Allgemeinen findet der Liebhaber so wenig Ge- legenheit, jene Lectionen ausführen zu sehen, und die Werke, in denen sie beschrieben werden, sind so selten geworden, dass ich meinem Leser glaube angenehm zu sein, wenn ich sie in der Kürze durchgehe und durch Zeichnungen zu erläutern suche. Ich gebe dieselben meist nach der grossen Ausgabe des Marquis v. Newcastle, Anvers 1663. 1) Der Schultritt oder spanische Tritt zeigt wie der Schritt vier Tempos, mit Beibehaltung der Fusssetzung des

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/108>, abgerufen am 27.04.2024.