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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876.

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Das Thierleben.
findet bei der Verdauung ein anderer Vorgang
statt. In Folge der eigenthümlichen Magen-
einrichtung vermögen die Wiederkäuer größere,
wenn auch nährstoffärmere Futtermassen zu ihrer
Ernährung zu verwenden. Die aufgenommenen
Futtermassen werden von den Wiederkäuern zu-
nächst nur unvollkommen gekaut, in großen Bissen
verschlungen und im ersten Magen, dem Pansen
oder Wanst, gesammelt. Ist der Wanst, welcher
beim Rinde einen durchschnittlichen Cubikinhalt
von 0.093 -- 0.139 Cubikmeter besitzt, gefüllt,
so begibt sich das Thier zur Ruhe. Ein ge-
ringer Theil der Nahrung, die sich lösenden Nähr-
stoffe, nehmen ihren Weg durch die weiteren
Magenabtheilungen, während die gröberen, im
Wanst erweichten Stoffe gegen die Haube und
[Abbildung] Fig. 12.

Magen des Rindes (schema-
tisch). -- A Pansen, B Haube, C Psalter,
D Labmagen; a Speiseröhre, p Pförtner
(pylorus).

die Schlundrinne gedrängt und von dieser zu Bissen geballt werden. Die-
selben gelangen hierauf durch antiperistaltische Bewegung der Schlundröhre in die
Maulhöhle zurück, um daselbst nochmals gekaut und eingespeichelt zu werden. Die fein-
gekaute Masse wird wieder verschluckt, gelangt jedoch nicht mehr in den Wanst,
sondern durch die Schlundrinne, deren Lippen sich zu einer Röhre schließen, in den
dritten Magen, den Psalter, Blättermagen
oder Löser, und von hier aus in den letzten,
eigentlichen Magen, den Labmagen. Im
Psalter, dessen Cubikinhalt ein Viertel von
jenem des Pansens beträgt, wird das Futter
durch blattförmige Schleimhautfalten in dünne
Schichten getheilt und durch Resorption wasser-
ärmer. Im Labmagen, welcher ungefähr
gleich groß wie der Psalter, jedoch mit zahl-
reichen, schlauchförmigen Drüsen, den Magen-
saft- oder Labdrüsen, Fig. 13, dicht besetzt ist,
wird bei dem Untergange des Inhaltes dieser
Drüsen, der Labdrüsenzellen, Fig. 14, S. 18,
Pepsin frei, welches den wesentlichen Bestand-
theil des Magensaftes bildet. Die Verdauung
im Labmagen erfolgt daher in derselben
Weise wie im einfachen Magen anderer Thiere.
Getränke, flüssiges und breiartiges Futter, so-
bald es nicht in zu großen Partien verschlungen
wird, kann auch unmittelbar von der Schlund-
rinne, ohne den Wanst und die Haube zu
[Abbildung] Fig. 13.

Labdrüse aus dem Labmagen
einer 15jähr. Landkuh, 90/1. -- a Ende des Aus-
führungsganges auf der Schleimhaut, b oberes,
mit Cylinderepithel, c unteres mit Labdrüsen-
zellen versehenes Ende, d Drüsenäste.

Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 2

Das Thierleben.
findet bei der Verdauung ein anderer Vorgang
ſtatt. In Folge der eigenthümlichen Magen-
einrichtung vermögen die Wiederkäuer größere,
wenn auch nährſtoffärmere Futtermaſſen zu ihrer
Ernährung zu verwenden. Die aufgenommenen
Futtermaſſen werden von den Wiederkäuern zu-
nächſt nur unvollkommen gekaut, in großen Biſſen
verſchlungen und im erſten Magen, dem Panſen
oder Wanſt, geſammelt. Iſt der Wanſt, welcher
beim Rinde einen durchſchnittlichen Cubikinhalt
von 0.093 — 0.139 Cubikmeter beſitzt, gefüllt,
ſo begibt ſich das Thier zur Ruhe. Ein ge-
ringer Theil der Nahrung, die ſich löſenden Nähr-
ſtoffe, nehmen ihren Weg durch die weiteren
Magenabtheilungen, während die gröberen, im
Wanſt erweichten Stoffe gegen die Haube und
[Abbildung] Fig. 12.

Magen des Rindes (ſchema-
tiſch). — A Panſen, B Haube, C Pſalter,
D Labmagen; a Speiſeröhre, p Pförtner
(pylorus).

die Schlundrinne gedrängt und von dieſer zu Biſſen geballt werden. Die-
ſelben gelangen hierauf durch antiperiſtaltiſche Bewegung der Schlundröhre in die
Maulhöhle zurück, um daſelbſt nochmals gekaut und eingeſpeichelt zu werden. Die fein-
gekaute Maſſe wird wieder verſchluckt, gelangt jedoch nicht mehr in den Wanſt,
ſondern durch die Schlundrinne, deren Lippen ſich zu einer Röhre ſchließen, in den
dritten Magen, den Pſalter, Blättermagen
oder Löſer, und von hier aus in den letzten,
eigentlichen Magen, den Labmagen. Im
Pſalter, deſſen Cubikinhalt ein Viertel von
jenem des Panſens beträgt, wird das Futter
durch blattförmige Schleimhautfalten in dünne
Schichten getheilt und durch Reſorption waſſer-
ärmer. Im Labmagen, welcher ungefähr
gleich groß wie der Pſalter, jedoch mit zahl-
reichen, ſchlauchförmigen Drüſen, den Magen-
ſaft- oder Labdrüſen, Fig. 13, dicht beſetzt iſt,
wird bei dem Untergange des Inhaltes dieſer
Drüſen, der Labdrüſenzellen, Fig. 14, S. 18,
Pepſin frei, welches den weſentlichen Beſtand-
theil des Magenſaftes bildet. Die Verdauung
im Labmagen erfolgt daher in derſelben
Weiſe wie im einfachen Magen anderer Thiere.
Getränke, flüſſiges und breiartiges Futter, ſo-
bald es nicht in zu großen Partien verſchlungen
wird, kann auch unmittelbar von der Schlund-
rinne, ohne den Wanſt und die Haube zu
[Abbildung] Fig. 13.

Labdrüſe aus dem Labmagen
einer 15jähr. Landkuh, 90/1. — a Ende des Aus-
führungsganges auf der Schleimhaut, b oberes,
mit Cylinderepithel, c unteres mit Labdrüſen-
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[17/0033] Das Thierleben. findet bei der Verdauung ein anderer Vorgang ſtatt. In Folge der eigenthümlichen Magen- einrichtung vermögen die Wiederkäuer größere, wenn auch nährſtoffärmere Futtermaſſen zu ihrer Ernährung zu verwenden. Die aufgenommenen Futtermaſſen werden von den Wiederkäuern zu- nächſt nur unvollkommen gekaut, in großen Biſſen verſchlungen und im erſten Magen, dem Panſen oder Wanſt, geſammelt. Iſt der Wanſt, welcher beim Rinde einen durchſchnittlichen Cubikinhalt von 0.093 — 0.139 Cubikmeter beſitzt, gefüllt, ſo begibt ſich das Thier zur Ruhe. Ein ge- ringer Theil der Nahrung, die ſich löſenden Nähr- ſtoffe, nehmen ihren Weg durch die weiteren Magenabtheilungen, während die gröberen, im Wanſt erweichten Stoffe gegen die Haube und [Abbildung Fig. 12. Magen des Rindes (ſchema- tiſch). — A Panſen, B Haube, C Pſalter, D Labmagen; a Speiſeröhre, p Pförtner (pylorus).] die Schlundrinne gedrängt und von dieſer zu Biſſen geballt werden. Die- ſelben gelangen hierauf durch antiperiſtaltiſche Bewegung der Schlundröhre in die Maulhöhle zurück, um daſelbſt nochmals gekaut und eingeſpeichelt zu werden. Die fein- gekaute Maſſe wird wieder verſchluckt, gelangt jedoch nicht mehr in den Wanſt, ſondern durch die Schlundrinne, deren Lippen ſich zu einer Röhre ſchließen, in den dritten Magen, den Pſalter, Blättermagen oder Löſer, und von hier aus in den letzten, eigentlichen Magen, den Labmagen. Im Pſalter, deſſen Cubikinhalt ein Viertel von jenem des Panſens beträgt, wird das Futter durch blattförmige Schleimhautfalten in dünne Schichten getheilt und durch Reſorption waſſer- ärmer. Im Labmagen, welcher ungefähr gleich groß wie der Pſalter, jedoch mit zahl- reichen, ſchlauchförmigen Drüſen, den Magen- ſaft- oder Labdrüſen, Fig. 13, dicht beſetzt iſt, wird bei dem Untergange des Inhaltes dieſer Drüſen, der Labdrüſenzellen, Fig. 14, S. 18, Pepſin frei, welches den weſentlichen Beſtand- theil des Magenſaftes bildet. Die Verdauung im Labmagen erfolgt daher in derſelben Weiſe wie im einfachen Magen anderer Thiere. Getränke, flüſſiges und breiartiges Futter, ſo- bald es nicht in zu großen Partien verſchlungen wird, kann auch unmittelbar von der Schlund- rinne, ohne den Wanſt und die Haube zu [Abbildung Fig. 13. Labdrüſe aus dem Labmagen einer 15jähr. Landkuh, 90/1. — a Ende des Aus- führungsganges auf der Schleimhaut, b oberes, mit Cylinderepithel, c unteres mit Labdrüſen- zellen verſehenes Ende, d Drüſenäſte.] Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 2

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/33>, abgerufen am 19.04.2024.