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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 2. Berlin, 1876.

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Besondere Pflanzenbaulehre.
[Abbildung] Fig. 79.

Leinsamen, vergr. 1 Längs-
schnitt, 2 Querschnitt -- a Samen-
hülle, b Endosperm, c Cothledonen,
d Würzelchen des Embryo.

zum Unterschiede von der Baumwolle, welche ein flaches, oft
stark gewundenes Band darstellt. Die Länge der dickrandi-
gen, gekammerten Bastzellen des Leines wechselt zwischen
6--95 Mm. Sie sind derber gebaut als jene des
Hanfes, welche nur 6--22 Mm. lang sind. Die ein-
zelnen Bündeln (Faser) sind jedoch bei dem Leine aus
einer geringeren Zahl von Bastzellen zusammengesetzt,
weshalb die Faser feiner als jene des Hanfes erscheint.
Auf die Beschaffenheit der Flachsfaser hat vornehmlich,
wie später ausgeführt werden soll, die Düngung einen
bestimmenden Einfluß.

Die Leinsamen, Fig. 79, sind länglich eiförmig,
goldbraun, mit einer zarten äußersten Zellenhülle versehen,
welche im Wasser stark anquillt. Der Keim besitzt zwei
große, ölreiche (bis 30 %) Cotyledonen, welche von einem
dünnen Endosperme umgeben sind.

1. Die Wachsthumsbedingungen.

Der Lein, welcher wahrscheinlich aus dem Orient stammt, zählt zu den ältesten
bekannten Culturpflanzen. Gegenwärtig wird er überall gebaut, wo der Boden ge-
nügende Frische besitzt und ein feuchtes Klima vorhanden ist. Seine Cultur ist über
ganz Europa verbreitet. Außerdem wird der Flachs in Aegypten, Algier, Australien,
Nordamerika, Brasilien etc. gebaut. In Europa liefern die russischen Ostseeprovinzen,
Belgien, Irland, Tirol, Schlesien die besten Flachsqualitäten

Zu seinem Gedeihen verlangt er feuchte Wärme; Hitze und Dürre, sowie Spät-
fröste verträgt er nicht. Er gedeiht daher am vorzüglichsten im Gebirge, in Nie-
derungen an den Meeresküsten, überhaupt in Gegenden, welche sich durch reichliche
Thau- und Nebelbildung auszeichnen.

In feuchten Gegenden liefert der Flachs die feinsten Qualitäten auf sandigen
Bodenarten, vornehmlich auf nicht zu überreichem, sandigem Lehmboden, auf humosem,
lehmigem Sandboden mit durchlassendem Untergrunde und auf trocken gelegtem Teich-
boden. Am wenigsten zusagend sind dem Leine Thonböden und dürrer Sand.

2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.

Die beste Vorfrucht für den Lein ist der frisch umgebrochene Rothklee oder
irgend eine andere Futterpflanze. Häufig wird er nach einer gedüngten Hackfrucht,
nach Raps, nach Roggen, gebaut. Nach sich selbst gedeiht er nicht, weshalb er nur alle
6--9 Jahre auf dasselbe Feld wiederkehren soll. Welche Ursache dieser Erscheinung,
der Leinmüdigkeit, zu Grunde liegt, ist zur Zeit nicht genügend bekannt. Durch die
Erschöpfung des Bodens kann sie nicht allein herbeigeführt werden, nachdem sonst
eine entsprechende Düngung die Wiederkehr des Leines auf dasselbe Feld möglich
machen würde, was jedoch nicht zutrifft.

Nach dem Leine, welcher das Feld in reinem, frischem Zustande zurückläßt, ge-
deiht jede Pflanze gut. Gewöhnlich ist der Flachs die Vorfrucht für Winterung,

Beſondere Pflanzenbaulehre.
[Abbildung] Fig. 79.

Leinſamen, vergr. 1 Längs-
ſchnitt, 2 Querſchnitt — a Samen-
hülle, b Endoſperm, c Cothledonen,
d Würzelchen des Embryo.

zum Unterſchiede von der Baumwolle, welche ein flaches, oft
ſtark gewundenes Band darſtellt. Die Länge der dickrandi-
gen, gekammerten Baſtzellen des Leines wechſelt zwiſchen
6—95 Mm. Sie ſind derber gebaut als jene des
Hanfes, welche nur 6—22 Mm. lang ſind. Die ein-
zelnen Bündeln (Faſer) ſind jedoch bei dem Leine aus
einer geringeren Zahl von Baſtzellen zuſammengeſetzt,
weshalb die Faſer feiner als jene des Hanfes erſcheint.
Auf die Beſchaffenheit der Flachsfaſer hat vornehmlich,
wie ſpäter ausgeführt werden ſoll, die Düngung einen
beſtimmenden Einfluß.

Die Leinſamen, Fig. 79, ſind länglich eiförmig,
goldbraun, mit einer zarten äußerſten Zellenhülle verſehen,
welche im Waſſer ſtark anquillt. Der Keim beſitzt zwei
große, ölreiche (bis 30 %) Cotyledonen, welche von einem
dünnen Endoſperme umgeben ſind.

1. Die Wachsthumsbedingungen.

Der Lein, welcher wahrſcheinlich aus dem Orient ſtammt, zählt zu den älteſten
bekannten Culturpflanzen. Gegenwärtig wird er überall gebaut, wo der Boden ge-
nügende Friſche beſitzt und ein feuchtes Klima vorhanden iſt. Seine Cultur iſt über
ganz Europa verbreitet. Außerdem wird der Flachs in Aegypten, Algier, Auſtralien,
Nordamerika, Braſilien ꝛc. gebaut. In Europa liefern die ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen,
Belgien, Irland, Tirol, Schleſien die beſten Flachsqualitäten

Zu ſeinem Gedeihen verlangt er feuchte Wärme; Hitze und Dürre, ſowie Spät-
fröſte verträgt er nicht. Er gedeiht daher am vorzüglichſten im Gebirge, in Nie-
derungen an den Meeresküſten, überhaupt in Gegenden, welche ſich durch reichliche
Thau- und Nebelbildung auszeichnen.

In feuchten Gegenden liefert der Flachs die feinſten Qualitäten auf ſandigen
Bodenarten, vornehmlich auf nicht zu überreichem, ſandigem Lehmboden, auf humoſem,
lehmigem Sandboden mit durchlaſſendem Untergrunde und auf trocken gelegtem Teich-
boden. Am wenigſten zuſagend ſind dem Leine Thonböden und dürrer Sand.

2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.

Die beſte Vorfrucht für den Lein iſt der friſch umgebrochene Rothklee oder
irgend eine andere Futterpflanze. Häufig wird er nach einer gedüngten Hackfrucht,
nach Raps, nach Roggen, gebaut. Nach ſich ſelbſt gedeiht er nicht, weshalb er nur alle
6—9 Jahre auf daſſelbe Feld wiederkehren ſoll. Welche Urſache dieſer Erſcheinung,
der Leinmüdigkeit, zu Grunde liegt, iſt zur Zeit nicht genügend bekannt. Durch die
Erſchöpfung des Bodens kann ſie nicht allein herbeigeführt werden, nachdem ſonſt
eine entſprechende Düngung die Wiederkehr des Leines auf daſſelbe Feld möglich
machen würde, was jedoch nicht zutrifft.

Nach dem Leine, welcher das Feld in reinem, friſchem Zuſtande zurückläßt, ge-
deiht jede Pflanze gut. Gewöhnlich iſt der Flachs die Vorfrucht für Winterung,

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[120/0134] Beſondere Pflanzenbaulehre. [Abbildung Fig. 79. Leinſamen, vergr. 1 Längs- ſchnitt, 2 Querſchnitt — a Samen- hülle, b Endoſperm, c Cothledonen, d Würzelchen des Embryo.] zum Unterſchiede von der Baumwolle, welche ein flaches, oft ſtark gewundenes Band darſtellt. Die Länge der dickrandi- gen, gekammerten Baſtzellen des Leines wechſelt zwiſchen 6—95 Mm. Sie ſind derber gebaut als jene des Hanfes, welche nur 6—22 Mm. lang ſind. Die ein- zelnen Bündeln (Faſer) ſind jedoch bei dem Leine aus einer geringeren Zahl von Baſtzellen zuſammengeſetzt, weshalb die Faſer feiner als jene des Hanfes erſcheint. Auf die Beſchaffenheit der Flachsfaſer hat vornehmlich, wie ſpäter ausgeführt werden ſoll, die Düngung einen beſtimmenden Einfluß. Die Leinſamen, Fig. 79, ſind länglich eiförmig, goldbraun, mit einer zarten äußerſten Zellenhülle verſehen, welche im Waſſer ſtark anquillt. Der Keim beſitzt zwei große, ölreiche (bis 30 %) Cotyledonen, welche von einem dünnen Endoſperme umgeben ſind. 1. Die Wachsthumsbedingungen. Der Lein, welcher wahrſcheinlich aus dem Orient ſtammt, zählt zu den älteſten bekannten Culturpflanzen. Gegenwärtig wird er überall gebaut, wo der Boden ge- nügende Friſche beſitzt und ein feuchtes Klima vorhanden iſt. Seine Cultur iſt über ganz Europa verbreitet. Außerdem wird der Flachs in Aegypten, Algier, Auſtralien, Nordamerika, Braſilien ꝛc. gebaut. In Europa liefern die ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen, Belgien, Irland, Tirol, Schleſien die beſten Flachsqualitäten Zu ſeinem Gedeihen verlangt er feuchte Wärme; Hitze und Dürre, ſowie Spät- fröſte verträgt er nicht. Er gedeiht daher am vorzüglichſten im Gebirge, in Nie- derungen an den Meeresküſten, überhaupt in Gegenden, welche ſich durch reichliche Thau- und Nebelbildung auszeichnen. In feuchten Gegenden liefert der Flachs die feinſten Qualitäten auf ſandigen Bodenarten, vornehmlich auf nicht zu überreichem, ſandigem Lehmboden, auf humoſem, lehmigem Sandboden mit durchlaſſendem Untergrunde und auf trocken gelegtem Teich- boden. Am wenigſten zuſagend ſind dem Leine Thonböden und dürrer Sand. 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung. Die beſte Vorfrucht für den Lein iſt der friſch umgebrochene Rothklee oder irgend eine andere Futterpflanze. Häufig wird er nach einer gedüngten Hackfrucht, nach Raps, nach Roggen, gebaut. Nach ſich ſelbſt gedeiht er nicht, weshalb er nur alle 6—9 Jahre auf daſſelbe Feld wiederkehren ſoll. Welche Urſache dieſer Erſcheinung, der Leinmüdigkeit, zu Grunde liegt, iſt zur Zeit nicht genügend bekannt. Durch die Erſchöpfung des Bodens kann ſie nicht allein herbeigeführt werden, nachdem ſonſt eine entſprechende Düngung die Wiederkehr des Leines auf daſſelbe Feld möglich machen würde, was jedoch nicht zutrifft. Nach dem Leine, welcher das Feld in reinem, friſchem Zuſtande zurückläßt, ge- deiht jede Pflanze gut. Gewöhnlich iſt der Flachs die Vorfrucht für Winterung,

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 2. Berlin, 1876, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft02_1876/134>, abgerufen am 25.11.2024.