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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Allgemeine Ackerbaulehre.

Bei manchen Saaten, besonders bei Getreide, kommt häufig eine Erscheinung
zur Beobachtung, welche der Landwirth als das Lagern bezeichnet. Diese Er-
scheinung besteht darin, daß die davon betroffenen Pflanzen nicht aufrecht stehen bleiben,
sondern sich zur Erde legen und in Folge dessen in ihrer weiteren Entwickelung ge-
stört werden. Gelagerte Gewächse können daher nur unvollkommen ausgebildete
Körner liefern. Das Lagern tritt meist nur auf reichlich gedüngtem Boden und bei
sehr üppiger Vegetation der Pflanzen ein. Als Ursache desselben ergiebt sich der
Mangel an Licht, welcher bei Getreide in den unteren Internodien des Halmes,
ähnlich wie bei etiolirten (beschatteten) Pflanzen, eine Ueberverlängerung, bei un-
genügender Verdickung der Zellen hervorruft, so zwar, daß die üppig entwickelten
oberen Theile nicht den nöthigen Halt finden können. Als geeignetstes Mittel zur
Abhilfe empfiehlt sich die Drillsaat, da bei dieser selbst bei üppigerem Wachsthume
wenigstens zwischen den Reihen das Licht leichter Zutritt hat. Zeigen die Winter-
saaten ein zu kräftiges Wachsthum, welches Lagerfrucht befürchten läßt, so können
die Pflanzen durch flüchtiges Abweidenlassen im Herbste oder vor dem Ausschossen
der Halme im Frühjahre in ihrer zu üppigen Entwickelung gehemmt und dem Lichte
freierer Zutritt verschafft werden. Dasselbe läßt sich auch durch scharfes Eggen oder
Abwalzen erreichen. Sind die Pflanzen schon weiter herangewachsen, so läßt sich
die Gefahr des Lagerns auch durch Abnehmen der obersten Spitzen mit der Sichel
oder Sense, durch das sog. Schröpfen oder Serben abmindern.

Die Länge der Internodien bei etiolirten und im Lichte (frei) gewachsenen Roggenhalme
beträgt zur Zeit der Reife nach Koch 1)

[Tabelle]

Die durchschnittliche Verdickung der Zellen an der Basis des 2. Internodiums bei einer
5--800fachen Vergrößerung gemessen beträgt:

[Tabelle]

Das Abnehmen einzelner Pflanzentheile, um der übrigen Pflanze mehr Licht
und Raum zur Entwickelung zu verschaffen, findet nicht nur bei dem Getreide,
sondern auch bei manchen anderen Culturpflanzen statt. Im Hopfengarten bricht
oder schneidet man z. B. die Blätter 0. 5 Meter vom Boden aufwärts ab, um
der Luft und dem Lichte leichteren Zutritt zu gewähren. Bei dem Tabak werden
die aus den Blattwinkeln hervorkommenden Seitentriebe fort und fort ausgebrochen,
ausgegeizt. Treibt derselbe seine Blüthen aus, so werden diese gleichfalls abgebrochen,
um die Bildung vollkommener Blätter zu befördern. Das Abgipfeln der Blüthen-

1) L. Koch, Einfluß der Beschattung auf das Pflanzenwachsthum. L. Cbl. f. Deutschl.
1872. S. 202.
Allgemeine Ackerbaulehre.

Bei manchen Saaten, beſonders bei Getreide, kommt häufig eine Erſcheinung
zur Beobachtung, welche der Landwirth als das Lagern bezeichnet. Dieſe Er-
ſcheinung beſteht darin, daß die davon betroffenen Pflanzen nicht aufrecht ſtehen bleiben,
ſondern ſich zur Erde legen und in Folge deſſen in ihrer weiteren Entwickelung ge-
ſtört werden. Gelagerte Gewächſe können daher nur unvollkommen ausgebildete
Körner liefern. Das Lagern tritt meiſt nur auf reichlich gedüngtem Boden und bei
ſehr üppiger Vegetation der Pflanzen ein. Als Urſache deſſelben ergiebt ſich der
Mangel an Licht, welcher bei Getreide in den unteren Internodien des Halmes,
ähnlich wie bei etiolirten (beſchatteten) Pflanzen, eine Ueberverlängerung, bei un-
genügender Verdickung der Zellen hervorruft, ſo zwar, daß die üppig entwickelten
oberen Theile nicht den nöthigen Halt finden können. Als geeignetſtes Mittel zur
Abhilfe empfiehlt ſich die Drillſaat, da bei dieſer ſelbſt bei üppigerem Wachsthume
wenigſtens zwiſchen den Reihen das Licht leichter Zutritt hat. Zeigen die Winter-
ſaaten ein zu kräftiges Wachsthum, welches Lagerfrucht befürchten läßt, ſo können
die Pflanzen durch flüchtiges Abweidenlaſſen im Herbſte oder vor dem Ausſchoſſen
der Halme im Frühjahre in ihrer zu üppigen Entwickelung gehemmt und dem Lichte
freierer Zutritt verſchafft werden. Daſſelbe läßt ſich auch durch ſcharfes Eggen oder
Abwalzen erreichen. Sind die Pflanzen ſchon weiter herangewachſen, ſo läßt ſich
die Gefahr des Lagerns auch durch Abnehmen der oberſten Spitzen mit der Sichel
oder Senſe, durch das ſog. Schröpfen oder Serben abmindern.

Die Länge der Internodien bei etiolirten und im Lichte (frei) gewachſenen Roggenhalme
beträgt zur Zeit der Reife nach Koch 1)

[Tabelle]

Die durchſchnittliche Verdickung der Zellen an der Baſis des 2. Internodiums bei einer
5—800fachen Vergrößerung gemeſſen beträgt:

[Tabelle]

Das Abnehmen einzelner Pflanzentheile, um der übrigen Pflanze mehr Licht
und Raum zur Entwickelung zu verſchaffen, findet nicht nur bei dem Getreide,
ſondern auch bei manchen anderen Culturpflanzen ſtatt. Im Hopfengarten bricht
oder ſchneidet man z. B. die Blätter 0. 5 Meter vom Boden aufwärts ab, um
der Luft und dem Lichte leichteren Zutritt zu gewähren. Bei dem Tabak werden
die aus den Blattwinkeln hervorkommenden Seitentriebe fort und fort ausgebrochen,
ausgegeizt. Treibt derſelbe ſeine Blüthen aus, ſo werden dieſe gleichfalls abgebrochen,
um die Bildung vollkommener Blätter zu befördern. Das Abgipfeln der Blüthen-

1) L. Koch, Einfluß der Beſchattung auf das Pflanzenwachsthum. L. Cbl. f. Deutſchl.
1872. S. 202.
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[234/0252] Allgemeine Ackerbaulehre. Bei manchen Saaten, beſonders bei Getreide, kommt häufig eine Erſcheinung zur Beobachtung, welche der Landwirth als das Lagern bezeichnet. Dieſe Er- ſcheinung beſteht darin, daß die davon betroffenen Pflanzen nicht aufrecht ſtehen bleiben, ſondern ſich zur Erde legen und in Folge deſſen in ihrer weiteren Entwickelung ge- ſtört werden. Gelagerte Gewächſe können daher nur unvollkommen ausgebildete Körner liefern. Das Lagern tritt meiſt nur auf reichlich gedüngtem Boden und bei ſehr üppiger Vegetation der Pflanzen ein. Als Urſache deſſelben ergiebt ſich der Mangel an Licht, welcher bei Getreide in den unteren Internodien des Halmes, ähnlich wie bei etiolirten (beſchatteten) Pflanzen, eine Ueberverlängerung, bei un- genügender Verdickung der Zellen hervorruft, ſo zwar, daß die üppig entwickelten oberen Theile nicht den nöthigen Halt finden können. Als geeignetſtes Mittel zur Abhilfe empfiehlt ſich die Drillſaat, da bei dieſer ſelbſt bei üppigerem Wachsthume wenigſtens zwiſchen den Reihen das Licht leichter Zutritt hat. Zeigen die Winter- ſaaten ein zu kräftiges Wachsthum, welches Lagerfrucht befürchten läßt, ſo können die Pflanzen durch flüchtiges Abweidenlaſſen im Herbſte oder vor dem Ausſchoſſen der Halme im Frühjahre in ihrer zu üppigen Entwickelung gehemmt und dem Lichte freierer Zutritt verſchafft werden. Daſſelbe läßt ſich auch durch ſcharfes Eggen oder Abwalzen erreichen. Sind die Pflanzen ſchon weiter herangewachſen, ſo läßt ſich die Gefahr des Lagerns auch durch Abnehmen der oberſten Spitzen mit der Sichel oder Senſe, durch das ſog. Schröpfen oder Serben abmindern. Die Länge der Internodien bei etiolirten und im Lichte (frei) gewachſenen Roggenhalme beträgt zur Zeit der Reife nach Koch 1) Die durchſchnittliche Verdickung der Zellen an der Baſis des 2. Internodiums bei einer 5—800fachen Vergrößerung gemeſſen beträgt: Das Abnehmen einzelner Pflanzentheile, um der übrigen Pflanze mehr Licht und Raum zur Entwickelung zu verſchaffen, findet nicht nur bei dem Getreide, ſondern auch bei manchen anderen Culturpflanzen ſtatt. Im Hopfengarten bricht oder ſchneidet man z. B. die Blätter 0. 5 Meter vom Boden aufwärts ab, um der Luft und dem Lichte leichteren Zutritt zu gewähren. Bei dem Tabak werden die aus den Blattwinkeln hervorkommenden Seitentriebe fort und fort ausgebrochen, ausgegeizt. Treibt derſelbe ſeine Blüthen aus, ſo werden dieſe gleichfalls abgebrochen, um die Bildung vollkommener Blätter zu befördern. Das Abgipfeln der Blüthen- 1) L. Koch, Einfluß der Beſchattung auf das Pflanzenwachsthum. L. Cbl. f. Deutſchl. 1872. S. 202.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft01_1875/252>, abgerufen am 21.11.2024.