Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

keine, L. II dagegen eine sehr beträchtliche Verkürzung ergeben hat.
Zur Aufhellung dieser Differenz kann vielleicht der Umstand dienen,
dass L. I Abends ziemlich spät, L. II aber um die Mittagszeit ge-
wonnen wurde. Wenn nun auch das Normalmittel dort sogar etwas
niedriger ausfiel, als hier, so ist es doch nicht unwahrscheinlich, dass
in L. I die Ermüdbarkeit und damit die Empfänglichkeit für die ver-
langsamenden Wirkungen des Alkohols eine grössere war.

Die Verlängerung der Reactionen nach der anfänglichen Ver-
kürzung tritt in den betreffenden Versuchen überall hervor. Nur bei
Tr. II finden sich noch gegen Ende der ersten Stunde Schwankungen zu
ganz auffallend niedrigen Werthen. Zur Erklärung derselben dürfen
wir vielleicht die Thatsache heranziehen, dass hier gerade in der letz-
ten Zeit des Versuches mehrere Fehlreactionen auftraten, in denen
mit der falschen Hand reagirt wurde. Dieselben deuten darauf
hin, dass Tr. geneigt war, den Vorgang zu übereilen und die Unter-
scheidung wie die Auswahl der Bewegung nicht vollständig sich ent-
wickeln liess, sondern den Impuls vorzeitig auslöste. Diese Erscheinung
ist offenbar derjenigen der vorzeitigen Reaction durchaus analog.

Eine kurze Betrachtung werden wir zum Schlusse noch denjenigen
Versuchen zu widmen haben, in denen die Alkoholgabe nicht mit
einem Male, sondern in refracta dosi genommen wurde, ein Verfahren,
welches sich mehr der gewöhnlichen Art des Trinkens annähert. Ich
verfüge über 3 derartige, an mir selbst in den Abendstunden aus-
geführte Beobachtungsreihen, von denen sich je eine auf die einfache,
die Unterscheidungs- und Wahlreaction erstreckt; sie sind in der folgen-
den Tabelle wiedergegeben. An den durch ein Sternchen bezeichneten
Stellen wurden je 7,5 gr Alkohol getrunken.

Tabelle XI.

[Tabelle]

Eine Verkürzung der Reactionszeiten ist hier besonders bei den
Unterscheidungszeiten deutlich. Bei den einfachen Reactionen kann
davon kaum, bei den Wahlreactionen gar keine Rede sein; hier findet
sich vielmehr, namentlich gegen den Schluss der Beobachtungsreihe,
eine deutliche Verlangsamung. Im Versuche R wird übrigens die
sofort nach fast jeder Dosis auftretende anfängliche Beschleunigung

keine, L. II dagegen eine sehr beträchtliche Verkürzung ergeben hat.
Zur Aufhellung dieser Differenz kann vielleicht der Umstand dienen,
dass L. I Abends ziemlich spät, L. II aber um die Mittagszeit ge-
wonnen wurde. Wenn nun auch das Normalmittel dort sogar etwas
niedriger ausfiel, als hier, so ist es doch nicht unwahrscheinlich, dass
in L. I die Ermüdbarkeit und damit die Empfänglichkeit für die ver-
langsamenden Wirkungen des Alkohols eine grössere war.

Die Verlängerung der Reactionen nach der anfänglichen Ver-
kürzung tritt in den betreffenden Versuchen überall hervor. Nur bei
Tr. II finden sich noch gegen Ende der ersten Stunde Schwankungen zu
ganz auffallend niedrigen Werthen. Zur Erklärung derselben dürfen
wir vielleicht die Thatsache heranziehen, dass hier gerade in der letz-
ten Zeit des Versuches mehrere Fehlreactionen auftraten, in denen
mit der falschen Hand reagirt wurde. Dieselben deuten darauf
hin, dass Tr. geneigt war, den Vorgang zu übereilen und die Unter-
scheidung wie die Auswahl der Bewegung nicht vollständig sich ent-
wickeln liess, sondern den Impuls vorzeitig auslöste. Diese Erscheinung
ist offenbar derjenigen der vorzeitigen Reaction durchaus analog.

Eine kurze Betrachtung werden wir zum Schlusse noch denjenigen
Versuchen zu widmen haben, in denen die Alkoholgabe nicht mit
einem Male, sondern in refracta dosi genommen wurde, ein Verfahren,
welches sich mehr der gewöhnlichen Art des Trinkens annähert. Ich
verfüge über 3 derartige, an mir selbst in den Abendstunden aus-
geführte Beobachtungsreihen, von denen sich je eine auf die einfache,
die Unterscheidungs- und Wahlreaction erstreckt; sie sind in der folgen-
den Tabelle wiedergegeben. An den durch ein Sternchen bezeichneten
Stellen wurden je 7,5 gr Alkohol getrunken.

Tabelle XI.

[Tabelle]

Eine Verkürzung der Reactionszeiten ist hier besonders bei den
Unterscheidungszeiten deutlich. Bei den einfachen Reactionen kann
davon kaum, bei den Wahlreactionen gar keine Rede sein; hier findet
sich vielmehr, namentlich gegen den Schluss der Beobachtungsreihe,
eine deutliche Verlangsamung. Im Versuche R wird übrigens die
sofort nach fast jeder Dosis auftretende anfängliche Beschleunigung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0064" n="48"/>
keine, L. II dagegen eine sehr beträchtliche Verkürzung ergeben hat.<lb/>
Zur Aufhellung dieser Differenz kann vielleicht der Umstand dienen,<lb/>
dass L. I Abends ziemlich spät, L. II aber um die Mittagszeit ge-<lb/>
wonnen wurde. Wenn nun auch das Normalmittel dort sogar etwas<lb/>
niedriger ausfiel, als hier, so ist es doch nicht unwahrscheinlich, dass<lb/>
in L. I die Ermüdbarkeit und damit die Empfänglichkeit für die ver-<lb/>
langsamenden Wirkungen des Alkohols eine grössere war.</p><lb/>
          <p>Die Verlängerung der Reactionen nach der anfänglichen Ver-<lb/>
kürzung tritt in den betreffenden Versuchen überall hervor. Nur bei<lb/>
Tr. II finden sich noch gegen Ende der ersten Stunde Schwankungen zu<lb/>
ganz auffallend niedrigen Werthen. Zur Erklärung derselben dürfen<lb/>
wir vielleicht die Thatsache heranziehen, dass hier gerade in der letz-<lb/>
ten Zeit des Versuches mehrere Fehlreactionen auftraten, in denen<lb/>
mit der falschen Hand reagirt wurde. Dieselben deuten darauf<lb/>
hin, dass Tr. geneigt war, den Vorgang zu übereilen und die Unter-<lb/>
scheidung wie die Auswahl der Bewegung nicht vollständig sich ent-<lb/>
wickeln liess, sondern den Impuls vorzeitig auslöste. Diese Erscheinung<lb/>
ist offenbar derjenigen der vorzeitigen Reaction durchaus analog.</p><lb/>
          <p>Eine kurze Betrachtung werden wir zum Schlusse noch denjenigen<lb/>
Versuchen zu widmen haben, in denen die Alkoholgabe nicht mit<lb/>
einem Male, sondern in refracta dosi genommen wurde, ein Verfahren,<lb/>
welches sich mehr der gewöhnlichen Art des Trinkens annähert. Ich<lb/>
verfüge über 3 derartige, an mir selbst in den Abendstunden aus-<lb/>
geführte Beobachtungsreihen, von denen sich je eine auf die einfache,<lb/>
die Unterscheidungs- und Wahlreaction erstreckt; sie sind in der folgen-<lb/>
den Tabelle wiedergegeben. An den durch ein Sternchen bezeichneten<lb/>
Stellen wurden je 7,5 gr Alkohol getrunken.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Tabelle</hi> XI.</hi> </p><lb/>
          <table>
            <row>
              <cell/>
            </row>
          </table>
          <p>Eine Verkürzung der Reactionszeiten ist hier besonders bei den<lb/>
Unterscheidungszeiten deutlich. Bei den einfachen Reactionen kann<lb/>
davon kaum, bei den Wahlreactionen gar keine Rede sein; hier findet<lb/>
sich vielmehr, namentlich gegen den Schluss der Beobachtungsreihe,<lb/>
eine deutliche Verlangsamung. Im Versuche R wird übrigens die<lb/>
sofort nach fast jeder Dosis auftretende anfängliche Beschleunigung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0064] keine, L. II dagegen eine sehr beträchtliche Verkürzung ergeben hat. Zur Aufhellung dieser Differenz kann vielleicht der Umstand dienen, dass L. I Abends ziemlich spät, L. II aber um die Mittagszeit ge- wonnen wurde. Wenn nun auch das Normalmittel dort sogar etwas niedriger ausfiel, als hier, so ist es doch nicht unwahrscheinlich, dass in L. I die Ermüdbarkeit und damit die Empfänglichkeit für die ver- langsamenden Wirkungen des Alkohols eine grössere war. Die Verlängerung der Reactionen nach der anfänglichen Ver- kürzung tritt in den betreffenden Versuchen überall hervor. Nur bei Tr. II finden sich noch gegen Ende der ersten Stunde Schwankungen zu ganz auffallend niedrigen Werthen. Zur Erklärung derselben dürfen wir vielleicht die Thatsache heranziehen, dass hier gerade in der letz- ten Zeit des Versuches mehrere Fehlreactionen auftraten, in denen mit der falschen Hand reagirt wurde. Dieselben deuten darauf hin, dass Tr. geneigt war, den Vorgang zu übereilen und die Unter- scheidung wie die Auswahl der Bewegung nicht vollständig sich ent- wickeln liess, sondern den Impuls vorzeitig auslöste. Diese Erscheinung ist offenbar derjenigen der vorzeitigen Reaction durchaus analog. Eine kurze Betrachtung werden wir zum Schlusse noch denjenigen Versuchen zu widmen haben, in denen die Alkoholgabe nicht mit einem Male, sondern in refracta dosi genommen wurde, ein Verfahren, welches sich mehr der gewöhnlichen Art des Trinkens annähert. Ich verfüge über 3 derartige, an mir selbst in den Abendstunden aus- geführte Beobachtungsreihen, von denen sich je eine auf die einfache, die Unterscheidungs- und Wahlreaction erstreckt; sie sind in der folgen- den Tabelle wiedergegeben. An den durch ein Sternchen bezeichneten Stellen wurden je 7,5 gr Alkohol getrunken. Tabelle XI. Eine Verkürzung der Reactionszeiten ist hier besonders bei den Unterscheidungszeiten deutlich. Bei den einfachen Reactionen kann davon kaum, bei den Wahlreactionen gar keine Rede sein; hier findet sich vielmehr, namentlich gegen den Schluss der Beobachtungsreihe, eine deutliche Verlangsamung. Im Versuche R wird übrigens die sofort nach fast jeder Dosis auftretende anfängliche Beschleunigung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/64
Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/64>, abgerufen am 24.11.2024.