Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

Bei De. heben sich die Normalversuche durch ihre höhere An-
fangsleistung sofort von den Alkoholreihen ab. In dem ersten der-
selben steigt die Leistung gegen Ende der ersten Stunde etwas an, um
zum Schlusse wieder ein wenig zu sinken. Eine solche Steigerung ist
beim zweiten Normalversuche nicht vorhanden; dagegen tritt das end-
liche Sinken früher auf, eine Erscheinung, die zusammen mit der
Schwankung des zweiten Werthes auf eine minder gute Disposition
der Versuchsperson hinweist. Dafür spricht auch der Umstand, dass
eine Zunahme der Kraftleistung vom ersten zum zweiten Normalver-
suche in Folge der Uebung nicht vorhanden ist, vielmehr hier
die Dynamometerausschläge im Ganzen sogar erheblich hinter jenem
zurückbleiben.

Die Alkoholversuche haben fast überall auffallend niedrige Werthe
aufzuweisen. Einen gleichartigen Verlauf zeigen die Versuche 1 und 5.
Der erste Werth ist hier der höchste der Reihe, aber im Vergleich
zu den benachbarten Normalversuchen dennoch recht niedrig. Alsdann
kommt es zu einer raschen und verhältnissmässig bedeutenden Ab-
nahme der Muskelkraft, an die sich eine geringe Steigerung und neuer-
liche Abnahme anschliesst. Das letzte Stadium dürfte, wie der Ver-
gleich mit den Normalreihen zeigt, der physiologischen Ermüdung ent-
sprechen, während es nahe liegt, das anfängliche Sinken, analog den
vielfachen sonstigen Erfahrungen, auf die lähmende Wirkung des
Alkohols zurückzuführen, die nach 30--40 Minuten anscheinend ein
wenig nachzulassen beginnt, so dass sie vorübergehend durch den in
Versuch 2 nachgewiesenen fortschreitenden Uebungseinfluss überwogen
wird. Im Versuche 3 mit seinen ganz unverhältnissmässig niedrigen
Anfangswerthen scheint die Lähmung durch den Alkohol überaus rasch
und intensiv eingetreten zu sein. Dafür ist sie aber auch nach 40
bis 50 Minuten schon wieder so weit verschwunden, dass die nun
folgenden Werthe nahezu der erwarteten Norm entsprechen. Eine
wirkliche Zunahme der Kraft lässt sich demnach aus Dehio's Ver-
suchen während keiner Phase der Alkoholwirkung nachweisen; viel-
mehr tritt überall eine mehr oder weniger rasch vorübergehende, aber
doch mindestens eine halbe Stunde dauernde Abnahme der muscu-
lären Leistungsfähigkeit
deutlich hervor.

Meine eigenen, etwas zahlreicheren Normalversuche lassen zunächst
eine wachsende Steigerung der Muskelkraft während der ganzen Be-
obachtungsperiode erkennen. Freilich bietet die letzte Reihe, bei
welcher in den Protokollen Müdigkeit notirt ist, wieder etwas geringere
Werthe, als der Versuch 5, und die erste Zahl des Versuches 1 ist

Bei De. heben sich die Normalversuche durch ihre höhere An-
fangsleistung sofort von den Alkoholreihen ab. In dem ersten der-
selben steigt die Leistung gegen Ende der ersten Stunde etwas an, um
zum Schlusse wieder ein wenig zu sinken. Eine solche Steigerung ist
beim zweiten Normalversuche nicht vorhanden; dagegen tritt das end-
liche Sinken früher auf, eine Erscheinung, die zusammen mit der
Schwankung des zweiten Werthes auf eine minder gute Disposition
der Versuchsperson hinweist. Dafür spricht auch der Umstand, dass
eine Zunahme der Kraftleistung vom ersten zum zweiten Normalver-
suche in Folge der Uebung nicht vorhanden ist, vielmehr hier
die Dynamometerausschläge im Ganzen sogar erheblich hinter jenem
zurückbleiben.

Die Alkoholversuche haben fast überall auffallend niedrige Werthe
aufzuweisen. Einen gleichartigen Verlauf zeigen die Versuche 1 und 5.
Der erste Werth ist hier der höchste der Reihe, aber im Vergleich
zu den benachbarten Normalversuchen dennoch recht niedrig. Alsdann
kommt es zu einer raschen und verhältnissmässig bedeutenden Ab-
nahme der Muskelkraft, an die sich eine geringe Steigerung und neuer-
liche Abnahme anschliesst. Das letzte Stadium dürfte, wie der Ver-
gleich mit den Normalreihen zeigt, der physiologischen Ermüdung ent-
sprechen, während es nahe liegt, das anfängliche Sinken, analog den
vielfachen sonstigen Erfahrungen, auf die lähmende Wirkung des
Alkohols zurückzuführen, die nach 30—40 Minuten anscheinend ein
wenig nachzulassen beginnt, so dass sie vorübergehend durch den in
Versuch 2 nachgewiesenen fortschreitenden Uebungseinfluss überwogen
wird. Im Versuche 3 mit seinen ganz unverhältnissmässig niedrigen
Anfangswerthen scheint die Lähmung durch den Alkohol überaus rasch
und intensiv eingetreten zu sein. Dafür ist sie aber auch nach 40
bis 50 Minuten schon wieder so weit verschwunden, dass die nun
folgenden Werthe nahezu der erwarteten Norm entsprechen. Eine
wirkliche Zunahme der Kraft lässt sich demnach aus Dehio’s Ver-
suchen während keiner Phase der Alkoholwirkung nachweisen; viel-
mehr tritt überall eine mehr oder weniger rasch vorübergehende, aber
doch mindestens eine halbe Stunde dauernde Abnahme der muscu-
lären Leistungsfähigkeit
deutlich hervor.

Meine eigenen, etwas zahlreicheren Normalversuche lassen zunächst
eine wachsende Steigerung der Muskelkraft während der ganzen Be-
obachtungsperiode erkennen. Freilich bietet die letzte Reihe, bei
welcher in den Protokollen Müdigkeit notirt ist, wieder etwas geringere
Werthe, als der Versuch 5, und die erste Zahl des Versuches 1 ist

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0109" n="93"/>
          <p>Bei De. heben sich die Normalversuche durch ihre höhere An-<lb/>
fangsleistung sofort von den Alkoholreihen ab. In dem ersten der-<lb/>
selben steigt die Leistung gegen Ende der ersten Stunde etwas an, um<lb/>
zum Schlusse wieder ein wenig zu sinken. Eine solche Steigerung ist<lb/>
beim zweiten Normalversuche nicht vorhanden; dagegen tritt das end-<lb/>
liche Sinken früher auf, eine Erscheinung, die zusammen mit der<lb/>
Schwankung des zweiten Werthes auf eine minder gute Disposition<lb/>
der Versuchsperson hinweist. Dafür spricht auch der Umstand, dass<lb/>
eine Zunahme der Kraftleistung vom ersten zum zweiten Normalver-<lb/>
suche in Folge der Uebung nicht vorhanden ist, vielmehr hier<lb/>
die Dynamometerausschläge im Ganzen sogar erheblich hinter jenem<lb/>
zurückbleiben.</p><lb/>
          <p>Die Alkoholversuche haben fast überall auffallend niedrige Werthe<lb/>
aufzuweisen. Einen gleichartigen Verlauf zeigen die Versuche 1 und 5.<lb/>
Der erste Werth ist hier der höchste der Reihe, aber im Vergleich<lb/>
zu den benachbarten Normalversuchen dennoch recht niedrig. Alsdann<lb/>
kommt es zu einer raschen und verhältnissmässig bedeutenden Ab-<lb/>
nahme der Muskelkraft, an die sich eine geringe Steigerung und neuer-<lb/>
liche Abnahme anschliesst. Das letzte Stadium dürfte, wie der Ver-<lb/>
gleich mit den Normalreihen zeigt, der physiologischen Ermüdung ent-<lb/>
sprechen, während es nahe liegt, das anfängliche Sinken, analog den<lb/>
vielfachen sonstigen Erfahrungen, auf die lähmende Wirkung des<lb/>
Alkohols zurückzuführen, die nach 30&#x2014;40 Minuten anscheinend ein<lb/>
wenig nachzulassen beginnt, so dass sie vorübergehend durch den in<lb/>
Versuch 2 nachgewiesenen fortschreitenden Uebungseinfluss überwogen<lb/>
wird. Im Versuche 3 mit seinen ganz unverhältnissmässig niedrigen<lb/>
Anfangswerthen scheint die Lähmung durch den Alkohol überaus rasch<lb/>
und intensiv eingetreten zu sein. Dafür ist sie aber auch nach 40<lb/>
bis 50 Minuten schon wieder so weit verschwunden, dass die nun<lb/>
folgenden Werthe nahezu der erwarteten Norm entsprechen. Eine<lb/>
wirkliche Zunahme der Kraft lässt sich demnach aus <hi rendition="#g">Dehio&#x2019;s</hi> Ver-<lb/>
suchen während keiner Phase der Alkoholwirkung nachweisen; viel-<lb/>
mehr tritt überall eine mehr oder weniger rasch vorübergehende, aber<lb/>
doch mindestens eine halbe Stunde dauernde <hi rendition="#g">Abnahme der muscu-<lb/>
lären Leistungsfähigkeit</hi> deutlich hervor.</p><lb/>
          <p>Meine eigenen, etwas zahlreicheren Normalversuche lassen zunächst<lb/>
eine wachsende Steigerung der Muskelkraft während der ganzen Be-<lb/>
obachtungsperiode erkennen. Freilich bietet die letzte Reihe, bei<lb/>
welcher in den Protokollen Müdigkeit notirt ist, wieder etwas geringere<lb/>
Werthe, als der Versuch 5, und die erste Zahl des Versuches 1 ist<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0109] Bei De. heben sich die Normalversuche durch ihre höhere An- fangsleistung sofort von den Alkoholreihen ab. In dem ersten der- selben steigt die Leistung gegen Ende der ersten Stunde etwas an, um zum Schlusse wieder ein wenig zu sinken. Eine solche Steigerung ist beim zweiten Normalversuche nicht vorhanden; dagegen tritt das end- liche Sinken früher auf, eine Erscheinung, die zusammen mit der Schwankung des zweiten Werthes auf eine minder gute Disposition der Versuchsperson hinweist. Dafür spricht auch der Umstand, dass eine Zunahme der Kraftleistung vom ersten zum zweiten Normalver- suche in Folge der Uebung nicht vorhanden ist, vielmehr hier die Dynamometerausschläge im Ganzen sogar erheblich hinter jenem zurückbleiben. Die Alkoholversuche haben fast überall auffallend niedrige Werthe aufzuweisen. Einen gleichartigen Verlauf zeigen die Versuche 1 und 5. Der erste Werth ist hier der höchste der Reihe, aber im Vergleich zu den benachbarten Normalversuchen dennoch recht niedrig. Alsdann kommt es zu einer raschen und verhältnissmässig bedeutenden Ab- nahme der Muskelkraft, an die sich eine geringe Steigerung und neuer- liche Abnahme anschliesst. Das letzte Stadium dürfte, wie der Ver- gleich mit den Normalreihen zeigt, der physiologischen Ermüdung ent- sprechen, während es nahe liegt, das anfängliche Sinken, analog den vielfachen sonstigen Erfahrungen, auf die lähmende Wirkung des Alkohols zurückzuführen, die nach 30—40 Minuten anscheinend ein wenig nachzulassen beginnt, so dass sie vorübergehend durch den in Versuch 2 nachgewiesenen fortschreitenden Uebungseinfluss überwogen wird. Im Versuche 3 mit seinen ganz unverhältnissmässig niedrigen Anfangswerthen scheint die Lähmung durch den Alkohol überaus rasch und intensiv eingetreten zu sein. Dafür ist sie aber auch nach 40 bis 50 Minuten schon wieder so weit verschwunden, dass die nun folgenden Werthe nahezu der erwarteten Norm entsprechen. Eine wirkliche Zunahme der Kraft lässt sich demnach aus Dehio’s Ver- suchen während keiner Phase der Alkoholwirkung nachweisen; viel- mehr tritt überall eine mehr oder weniger rasch vorübergehende, aber doch mindestens eine halbe Stunde dauernde Abnahme der muscu- lären Leistungsfähigkeit deutlich hervor. Meine eigenen, etwas zahlreicheren Normalversuche lassen zunächst eine wachsende Steigerung der Muskelkraft während der ganzen Be- obachtungsperiode erkennen. Freilich bietet die letzte Reihe, bei welcher in den Protokollen Müdigkeit notirt ist, wieder etwas geringere Werthe, als der Versuch 5, und die erste Zahl des Versuches 1 ist

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/109
Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/109>, abgerufen am 06.05.2024.