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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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Tabelle XXX.

[Tabelle]

Es ist gewiss nicht zu leugnen, dass bei dieser anscheinend völligen
Regellosigkeit zufällige Einflüsse eine gewisse Rolle gespielt haben
mögen. Immerhin steht so viel fest, dass von einem Parallelismus hier
nicht die Rede sein kann. Die Differenzen in den beiden letzten
Querreihen erklären sich einfach aus der so sehr verschiedenen Uebungs-
fähigkeit der einzelnen Personen. O. und namentlich Ha. rücken
beim zweiten Versuche trotz ihrer anfänglich nicht bedeutenden
Leistungsfähigkeit nach vorn, während Da. mit seiner sehr geringen
Uebungsfähigkeit weit überflügelt wird und der in der gleichen Lage
befindliche K. natürlich seine Stelle nicht verändert. Die Erfahrungen beim
Zahlenlernen sollten unter diesen Umständen füglich nur mit den
zweiten Leseversuchen verglichen werden; leider fehlen mir die Werthe
der Wiederholungen für die Normalversuche. Dabei stellt sich heraus,
dass die langsam wiederholenden M. und Ha. am schnellsten lesen,
und umgekehrt die langsam lesenden K. und De. relativ schnell
wiederholen. Man könnte demnach mit grösserem Rechte sogar von
einem gewissen Gegensatze beider Functionen sprechen.

Einigermassen verständlich wird dieses Verhalten, wenn wir erwägen,
dass beim Lesen der Inhalt des Gelesenen absichtlich ignorirt wurde,
während beim Zahlenlernen im Gegentheile die Einprägung des Inhaltes
die eigentliche Aufgabe war. Je nach der Art, wie ein Jeder gewohn-
heitsmässig diese Aufgaben löste, musste sich das gegenseitige Verhältniss
der Arbeitsgeschwindigkeit verschieden gestalten. M., der beim Zahlen-
lernen extrem langsam wiederholte, weil er wahrscheinlich hauptsächlich
das Schriftbild selbst festzuhalten suchte, konnte daher, wo es sich nur
um die Lesegeschwindigkeit handelte, recht wol eine wesentlich grössere
Leistungsfähigkeit entfalten, wie sie auch seiner Arbeitsleistung bei
dem immerhin verwandten, wenn auch etwas weniger mechanischen
Addiren entsprach. He. ist wegen Fehlens der Normalversuche mit
den Uebrigen nicht vergleichbar. Er wiederholte noch langsamer als
M., las aber trotz der ihm fehlenden Versuchsübung in der Alkohol-
reihe weit schneller als K. Aehnlich verhielt sich die Sache vielleicht
ursprünglich mit Ha. und Da; nur blieb eben Letzterer wegen seiner

Tabelle XXX.

[Tabelle]

Es ist gewiss nicht zu leugnen, dass bei dieser anscheinend völligen
Regellosigkeit zufällige Einflüsse eine gewisse Rolle gespielt haben
mögen. Immerhin steht so viel fest, dass von einem Parallelismus hier
nicht die Rede sein kann. Die Differenzen in den beiden letzten
Querreihen erklären sich einfach aus der so sehr verschiedenen Uebungs-
fähigkeit der einzelnen Personen. O. und namentlich Ha. rücken
beim zweiten Versuche trotz ihrer anfänglich nicht bedeutenden
Leistungsfähigkeit nach vorn, während Da. mit seiner sehr geringen
Uebungsfähigkeit weit überflügelt wird und der in der gleichen Lage
befindliche K. natürlich seine Stelle nicht verändert. Die Erfahrungen beim
Zahlenlernen sollten unter diesen Umständen füglich nur mit den
zweiten Leseversuchen verglichen werden; leider fehlen mir die Werthe
der Wiederholungen für die Normalversuche. Dabei stellt sich heraus,
dass die langsam wiederholenden M. und Ha. am schnellsten lesen,
und umgekehrt die langsam lesenden K. und De. relativ schnell
wiederholen. Man könnte demnach mit grösserem Rechte sogar von
einem gewissen Gegensatze beider Functionen sprechen.

Einigermassen verständlich wird dieses Verhalten, wenn wir erwägen,
dass beim Lesen der Inhalt des Gelesenen absichtlich ignorirt wurde,
während beim Zahlenlernen im Gegentheile die Einprägung des Inhaltes
die eigentliche Aufgabe war. Je nach der Art, wie ein Jeder gewohn-
heitsmässig diese Aufgaben löste, musste sich das gegenseitige Verhältniss
der Arbeitsgeschwindigkeit verschieden gestalten. M., der beim Zahlen-
lernen extrem langsam wiederholte, weil er wahrscheinlich hauptsächlich
das Schriftbild selbst festzuhalten suchte, konnte daher, wo es sich nur
um die Lesegeschwindigkeit handelte, recht wol eine wesentlich grössere
Leistungsfähigkeit entfalten, wie sie auch seiner Arbeitsleistung bei
dem immerhin verwandten, wenn auch etwas weniger mechanischen
Addiren entsprach. He. ist wegen Fehlens der Normalversuche mit
den Uebrigen nicht vergleichbar. Er wiederholte noch langsamer als
M., las aber trotz der ihm fehlenden Versuchsübung in der Alkohol-
reihe weit schneller als K. Aehnlich verhielt sich die Sache vielleicht
ursprünglich mit Ha. und Da; nur blieb eben Letzterer wegen seiner

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[85/0101] Tabelle XXX. Es ist gewiss nicht zu leugnen, dass bei dieser anscheinend völligen Regellosigkeit zufällige Einflüsse eine gewisse Rolle gespielt haben mögen. Immerhin steht so viel fest, dass von einem Parallelismus hier nicht die Rede sein kann. Die Differenzen in den beiden letzten Querreihen erklären sich einfach aus der so sehr verschiedenen Uebungs- fähigkeit der einzelnen Personen. O. und namentlich Ha. rücken beim zweiten Versuche trotz ihrer anfänglich nicht bedeutenden Leistungsfähigkeit nach vorn, während Da. mit seiner sehr geringen Uebungsfähigkeit weit überflügelt wird und der in der gleichen Lage befindliche K. natürlich seine Stelle nicht verändert. Die Erfahrungen beim Zahlenlernen sollten unter diesen Umständen füglich nur mit den zweiten Leseversuchen verglichen werden; leider fehlen mir die Werthe der Wiederholungen für die Normalversuche. Dabei stellt sich heraus, dass die langsam wiederholenden M. und Ha. am schnellsten lesen, und umgekehrt die langsam lesenden K. und De. relativ schnell wiederholen. Man könnte demnach mit grösserem Rechte sogar von einem gewissen Gegensatze beider Functionen sprechen. Einigermassen verständlich wird dieses Verhalten, wenn wir erwägen, dass beim Lesen der Inhalt des Gelesenen absichtlich ignorirt wurde, während beim Zahlenlernen im Gegentheile die Einprägung des Inhaltes die eigentliche Aufgabe war. Je nach der Art, wie ein Jeder gewohn- heitsmässig diese Aufgaben löste, musste sich das gegenseitige Verhältniss der Arbeitsgeschwindigkeit verschieden gestalten. M., der beim Zahlen- lernen extrem langsam wiederholte, weil er wahrscheinlich hauptsächlich das Schriftbild selbst festzuhalten suchte, konnte daher, wo es sich nur um die Lesegeschwindigkeit handelte, recht wol eine wesentlich grössere Leistungsfähigkeit entfalten, wie sie auch seiner Arbeitsleistung bei dem immerhin verwandten, wenn auch etwas weniger mechanischen Addiren entsprach. He. ist wegen Fehlens der Normalversuche mit den Uebrigen nicht vergleichbar. Er wiederholte noch langsamer als M., las aber trotz der ihm fehlenden Versuchsübung in der Alkohol- reihe weit schneller als K. Aehnlich verhielt sich die Sache vielleicht ursprünglich mit Ha. und Da; nur blieb eben Letzterer wegen seiner

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/101>, abgerufen am 23.11.2024.