Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.
Müller gelb ist, so mag das vielleicht in ihrem Va- lande so gebräuchlich seyn. Lotte. In ihrem Vaterlande? Allerliebster Herr Bittermann! Sie können mir also sagen, wer diese Creatur ist? und ob sie in Ansehung ihrer Geburt und Herkunft sich mit gewissen Personen messen darf? Bitterm. Nein, hochedle Mamsell, ich habe darüber keine Briefe, weder aus Europa, noch aus irgend einem andern Welttheile. Lotte. Wenn eine hochgetragene Nase immer das Zeichen eines vornehmen Standes ist; wirk- lich, so muß sie eine Prinzessin seyn. Bitterm. In der That, wenn man sie zuweilen reden hört, sollte man denken, man habe eine Hoch- wohlgebohrne Frau Baronin vor sich. Lotte. Aber wer ist Schuld daran, als die ho- hen Herrschaften selbst? War das auch heute eine Aufführung für einen Grafen? er tritt kaum in die Thüre -- ich stand auf dem Vorsaal -- so läuft er auf Madam Müller zu und umarmt sie, recht als ob sie seines Gleichen wäre. Bitterm. Ja, ja, davon bin ich Zeuge gewesen. Lotte. Eben so die Frau Gräfin. Sie speis't mit den Herrschaften, sie geht mit ihnen spatzieren,
Muͤller gelb iſt, ſo mag das vielleicht in ihrem Va- lande ſo gebraͤuchlich ſeyn. Lotte. In ihrem Vaterlande? Allerliebſter Herr Bittermann! Sie koͤnnen mir alſo ſagen, wer dieſe Creatur iſt? und ob ſie in Anſehung ihrer Geburt und Herkunft ſich mit gewiſſen Perſonen meſſen darf? Bitterm. Nein, hochedle Mamſell, ich habe daruͤber keine Briefe, weder aus Europa, noch aus irgend einem andern Welttheile. Lotte. Wenn eine hochgetragene Naſe immer das Zeichen eines vornehmen Standes iſt; wirk- lich, ſo muß ſie eine Prinzeſſin ſeyn. Bitterm. In der That, wenn man ſie zuweilen reden hoͤrt, ſollte man denken, man habe eine Hoch- wohlgebohrne Frau Baronin vor ſich. Lotte. Aber wer iſt Schuld daran, als die ho- hen Herrſchaften ſelbſt? War das auch heute eine Auffuͤhrung fuͤr einen Grafen? er tritt kaum in die Thuͤre — ich ſtand auf dem Vorſaal — ſo laͤuft er auf Madam Muͤller zu und umarmt ſie, recht als ob ſie ſeines Gleichen waͤre. Bitterm. Ja, ja, davon bin ich Zeuge geweſen. Lotte. Eben ſo die Frau Graͤfin. Sie ſpeiſ’t mit den Herrſchaften, ſie geht mit ihnen ſpatzieren, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#BITTER"> <p><pb facs="#f0134" n="126"/> Muͤller gelb iſt, ſo mag das vielleicht in ihrem Va-<lb/> lande ſo gebraͤuchlich ſeyn.</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker> <hi rendition="#fr">Lotte.</hi> </speaker> <p>In ihrem Vaterlande? Allerliebſter Herr<lb/> Bittermann! Sie koͤnnen mir alſo ſagen, wer dieſe<lb/> Creatur iſt? und ob ſie in Anſehung ihrer Geburt<lb/> und Herkunft ſich mit gewiſſen Perſonen meſſen darf?</p> </sp><lb/> <sp who="#BITTER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Bitterm.</hi> </speaker> <p>Nein, hochedle Mamſell, ich habe<lb/> daruͤber keine Briefe, weder aus Europa, noch<lb/> aus irgend einem andern Welttheile.</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker> <hi rendition="#fr">Lotte.</hi> </speaker> <p>Wenn eine hochgetragene Naſe immer<lb/> das Zeichen eines vornehmen Standes iſt; wirk-<lb/> lich, ſo muß ſie eine Prinzeſſin ſeyn.</p> </sp><lb/> <sp who="#BITTER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Bitterm.</hi> </speaker> <p>In der That, wenn man ſie zuweilen<lb/> reden hoͤrt, ſollte man denken, man habe eine Hoch-<lb/> wohlgebohrne Frau Baronin vor ſich.</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker> <hi rendition="#fr">Lotte.</hi> </speaker> <p>Aber wer iſt Schuld daran, als die ho-<lb/> hen Herrſchaften ſelbſt? War das auch heute eine<lb/> Auffuͤhrung fuͤr einen Grafen? er tritt kaum in die<lb/> Thuͤre — ich ſtand auf dem Vorſaal — ſo laͤuft<lb/> er auf Madam Muͤller zu und umarmt ſie, recht<lb/> als ob ſie ſeines Gleichen waͤre.</p> </sp><lb/> <sp who="#BITTER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Bitterm.</hi> </speaker> <p>Ja, ja, davon bin ich Zeuge geweſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker> <hi rendition="#fr">Lotte.</hi> </speaker> <p>Eben ſo die Frau Graͤfin. Sie ſpeiſ’t<lb/> mit den Herrſchaften, ſie geht mit ihnen ſpatzieren,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0134]
Muͤller gelb iſt, ſo mag das vielleicht in ihrem Va-
lande ſo gebraͤuchlich ſeyn.
Lotte. In ihrem Vaterlande? Allerliebſter Herr
Bittermann! Sie koͤnnen mir alſo ſagen, wer dieſe
Creatur iſt? und ob ſie in Anſehung ihrer Geburt
und Herkunft ſich mit gewiſſen Perſonen meſſen darf?
Bitterm. Nein, hochedle Mamſell, ich habe
daruͤber keine Briefe, weder aus Europa, noch
aus irgend einem andern Welttheile.
Lotte. Wenn eine hochgetragene Naſe immer
das Zeichen eines vornehmen Standes iſt; wirk-
lich, ſo muß ſie eine Prinzeſſin ſeyn.
Bitterm. In der That, wenn man ſie zuweilen
reden hoͤrt, ſollte man denken, man habe eine Hoch-
wohlgebohrne Frau Baronin vor ſich.
Lotte. Aber wer iſt Schuld daran, als die ho-
hen Herrſchaften ſelbſt? War das auch heute eine
Auffuͤhrung fuͤr einen Grafen? er tritt kaum in die
Thuͤre — ich ſtand auf dem Vorſaal — ſo laͤuft
er auf Madam Muͤller zu und umarmt ſie, recht
als ob ſie ſeines Gleichen waͤre.
Bitterm. Ja, ja, davon bin ich Zeuge geweſen.
Lotte. Eben ſo die Frau Graͤfin. Sie ſpeiſ’t
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Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/134>, abgerufen am 22.07.2024. |