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Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

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mer lesen? -- Ach! ich wollte, sie wären in der
Stadt geblieben, auf ihren Bällen und Clubbs,
auf ihren Assembleen und Promenaden, und hätten
sich da begafft und verläumdet, und betrogen und
verführt. -- Und heute schon! --
(in den Brief sehend)
ach! das ist mir gar nicht lieb! und ich kann nicht
recht klug aus dem Briefe werden, ob die Reise
aufs Land nur so eine Grille war, Laune eines
Augenblicks, oder Plan auf längere Dauer. Fast
befürcht' ich das letztere: und dann -- gute Nacht,
Einsamkeit, die du so oft mit deinem magischen
Stabe Ruhe in dieses Herz zurückbrachtest! Gute
Nacht, Lectüre! Schales Plaudern wird dich ver-
drängen. Hier, wo die Morgensonne sich nur in
meiner Thräne spiegelte, hier wird Jagdgetöse
und Hundegeheul sie begrüßen. -- Ach! alles wollt
ich gern ertragen; aber wenn nun die edle Gräfin
mir Beweise ihrer Zuneigung, wohl gar ihrer
Hochachtung giebt, und ich alle Augenblicke füh-
len muß, daß ich daß nicht verdiene -- o wie wird
dann mein Gewissen mich peinigen! -- Oder --
ich bebe vor dem Gedanken! -- wenn dieses Schloß
nun ein Tummelplatz von Gesellschaften würde,
unter welche das Ohngefähr wohl gar einige mei-
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mer leſen? — Ach! ich wollte, ſie waͤren in der
Stadt geblieben, auf ihren Baͤllen und Clubbs,
auf ihren Aſſembleen und Promenaden, und haͤtten
ſich da begafft und verlaͤumdet, und betrogen und
verfuͤhrt. — Und heute ſchon! —
(in den Brief ſehend)
ach! das iſt mir gar nicht lieb! und ich kann nicht
recht klug aus dem Briefe werden, ob die Reiſe
aufs Land nur ſo eine Grille war, Laune eines
Augenblicks, oder Plan auf laͤngere Dauer. Faſt
befuͤrcht’ ich das letztere: und dann — gute Nacht,
Einſamkeit, die du ſo oft mit deinem magiſchen
Stabe Ruhe in dieſes Herz zuruͤckbrachteſt! Gute
Nacht, Lectuͤre! Schales Plaudern wird dich ver-
draͤngen. Hier, wo die Morgenſonne ſich nur in
meiner Thraͤne ſpiegelte, hier wird Jagdgetoͤſe
und Hundegeheul ſie begruͤßen. — Ach! alles wollt
ich gern ertragen; aber wenn nun die edle Graͤfin
mir Beweiſe ihrer Zuneigung, wohl gar ihrer
Hochachtung giebt, und ich alle Augenblicke fuͤh-
len muß, daß ich daß nicht verdiene — o wie wird
dann mein Gewiſſen mich peinigen! — Oder —
ich bebe vor dem Gedanken! — wenn dieſes Schloß
nun ein Tummelplatz von Geſellſchaften wuͤrde,
unter welche das Ohngefaͤhr wohl gar einige mei-
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[25/0033] mer leſen? — Ach! ich wollte, ſie waͤren in der Stadt geblieben, auf ihren Baͤllen und Clubbs, auf ihren Aſſembleen und Promenaden, und haͤtten ſich da begafft und verlaͤumdet, und betrogen und verfuͤhrt. — Und heute ſchon! — (in den Brief ſehend) ach! das iſt mir gar nicht lieb! und ich kann nicht recht klug aus dem Briefe werden, ob die Reiſe aufs Land nur ſo eine Grille war, Laune eines Augenblicks, oder Plan auf laͤngere Dauer. Faſt befuͤrcht’ ich das letztere: und dann — gute Nacht, Einſamkeit, die du ſo oft mit deinem magiſchen Stabe Ruhe in dieſes Herz zuruͤckbrachteſt! Gute Nacht, Lectuͤre! Schales Plaudern wird dich ver- draͤngen. Hier, wo die Morgenſonne ſich nur in meiner Thraͤne ſpiegelte, hier wird Jagdgetoͤſe und Hundegeheul ſie begruͤßen. — Ach! alles wollt ich gern ertragen; aber wenn nun die edle Graͤfin mir Beweiſe ihrer Zuneigung, wohl gar ihrer Hochachtung giebt, und ich alle Augenblicke fuͤh- len muß, daß ich daß nicht verdiene — o wie wird dann mein Gewiſſen mich peinigen! — Oder — ich bebe vor dem Gedanken! — wenn dieſes Schloß nun ein Tummelplatz von Geſellſchaften wuͤrde, unter welche das Ohngefaͤhr wohl gar einige mei- B 5

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/33>, abgerufen am 30.11.2024.