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Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

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Franz. Wer weiß, ob deine Augen ihn je wie-
dersehen?
Greis. Er lebt aber doch.
Franz. Er kann auch wohl schon todt seyn.
Greis. Ach warum nicht gar! Und wenn auch;
so lange ich dessen nicht gewiß bin, so lange lebt
er in meinen Gedanken, und das erhält mir mein
eigenes Leben. Ja, Herr, selbst wenn mein Sohn
todt wäre, so würd' ich darum doch nicht gern ster-
ben. Denn hier ist noch eine Hütte, in der ich
gebohren und erzogen bin; hier ist noch eine alte
Linde, die mit mir aufwuchs, und -- fast schäm'
ich mich, es zu bekennen: ich hab' auch noch einen
alten treuen Hund, den ich liebe.
Franz. Einen Hund?
Greis. Ja, einen Hund. Lach' er, wie er will!
Madam Müller, die Herzensgute Frau, war
selbst einmal in meiner Hütte. Der alte Fidel
knurrte, als sie kam. "Warum schafft er den gar-
"stigen großen Hund nicht ab? fragte sie mich;
"er hat ja kaum Brodt für sich." Lieber Gott!
gab ich ihr zur Antwort: wenn ich ihn abschaffe,
wer wird mich dann lieben?
Franz. Wer weiß, ob deine Augen ihn je wie-
derſehen?
Greis. Er lebt aber doch.
Franz. Er kann auch wohl ſchon todt ſeyn.
Greis. Ach warum nicht gar! Und wenn auch;
ſo lange ich deſſen nicht gewiß bin, ſo lange lebt
er in meinen Gedanken, und das erhaͤlt mir mein
eigenes Leben. Ja, Herr, ſelbſt wenn mein Sohn
todt waͤre, ſo wuͤrd’ ich darum doch nicht gern ſter-
ben. Denn hier iſt noch eine Huͤtte, in der ich
gebohren und erzogen bin; hier iſt noch eine alte
Linde, die mit mir aufwuchs, und — faſt ſchaͤm’
ich mich, es zu bekennen: ich hab’ auch noch einen
alten treuen Hund, den ich liebe.
Franz. Einen Hund?
Greis. Ja, einen Hund. Lach’ er, wie er will!
Madam Muͤller, die Herzensgute Frau, war
ſelbſt einmal in meiner Huͤtte. Der alte Fidel
knurrte, als ſie kam. „Warum ſchafft er den gar-
„ſtigen großen Hund nicht ab? fragte ſie mich;
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[20/0028] Franz. Wer weiß, ob deine Augen ihn je wie- derſehen? Greis. Er lebt aber doch. Franz. Er kann auch wohl ſchon todt ſeyn. Greis. Ach warum nicht gar! Und wenn auch; ſo lange ich deſſen nicht gewiß bin, ſo lange lebt er in meinen Gedanken, und das erhaͤlt mir mein eigenes Leben. Ja, Herr, ſelbſt wenn mein Sohn todt waͤre, ſo wuͤrd’ ich darum doch nicht gern ſter- ben. Denn hier iſt noch eine Huͤtte, in der ich gebohren und erzogen bin; hier iſt noch eine alte Linde, die mit mir aufwuchs, und — faſt ſchaͤm’ ich mich, es zu bekennen: ich hab’ auch noch einen alten treuen Hund, den ich liebe. Franz. Einen Hund? Greis. Ja, einen Hund. Lach’ er, wie er will! Madam Muͤller, die Herzensgute Frau, war ſelbſt einmal in meiner Huͤtte. Der alte Fidel knurrte, als ſie kam. „Warum ſchafft er den gar- „ſtigen großen Hund nicht ab? fragte ſie mich; „er hat ja kaum Brodt fuͤr ſich.“ Lieber Gott! gab ich ihr zur Antwort: wenn ich ihn abſchaffe, wer wird mich dann lieben?

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/28>, abgerufen am 30.11.2024.