Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Die deutschen Kleinstädter. Leipzig, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite
Fr. St. Will heydnische Lieder singen.
Sperl. Küßt die Nachbarin.
Fr. St. Hat weder deinem Vater noch
dem Herrn Pastor loci geduldig zuge-
hört.
Sab. O weh! o weh! der arme Olmers!
-- Liebe Großmutter, in der Residenz ver-
bannt man so viel möglich allen Zwang.
Komplimente sind dem, der sie macht, im
Grunde eben so lästig, als dem, der sie em-
pfängt. Man läßt die Leute essen wovon sie
Lust haben, und so viel sie mögen, man nö-
thigt nie. Das Tischgebet ist nicht mehr ge-
bräuchlich, weil die Kinder nur plappern, und
die Erwachsenen nichts dabey denken. Ein
anständiger Scherz, ein frohes Lied, würzen
das Mahl. Der Titel bedient man sich blos
im Amte, im geselligen Leben würden sie nur
die Freude verscheuchen. Kurz, ein guter
Wirth sucht Alles zu entfernen, was die Be-
haglichkeit seiner Gäste stören könnte. Man
kömmt, man setzt sich, man steht, Alles nach
Belieben.
Fr. St. Will heydniſche Lieder ſingen.
Sperl. Kuͤßt die Nachbarin.
Fr. St. Hat weder deinem Vater noch
dem Herrn Paſtor loci geduldig zuge-
hoͤrt.
Sab. O weh! o weh! der arme Olmers!
— Liebe Großmutter, in der Reſidenz ver-
bannt man ſo viel moͤglich allen Zwang.
Komplimente ſind dem, der ſie macht, im
Grunde eben ſo laͤſtig, als dem, der ſie em-
pfaͤngt. Man laͤßt die Leute eſſen wovon ſie
Luſt haben, und ſo viel ſie moͤgen, man noͤ-
thigt nie. Das Tiſchgebet iſt nicht mehr ge-
braͤuchlich, weil die Kinder nur plappern, und
die Erwachſenen nichts dabey denken. Ein
anſtaͤndiger Scherz, ein frohes Lied, wuͤrzen
das Mahl. Der Titel bedient man ſich blos
im Amte, im geſelligen Leben wuͤrden ſie nur
die Freude verſcheuchen. Kurz, ein guter
Wirth ſucht Alles zu entfernen, was die Be-
haglichkeit ſeiner Gaͤſte ſtoͤren koͤnnte. Man
koͤmmt, man ſetzt ſich, man ſteht, Alles nach
Belieben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0104" n="98"/>
          <sp who="#FRSTAAR ">
            <speaker> <hi rendition="#g">Fr. St.</hi> </speaker>
            <p>Will heydni&#x017F;che Lieder &#x017F;ingen.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#SPER">
            <speaker><hi rendition="#g">Sperl</hi>.</speaker>
            <p>Ku&#x0364;ßt die Nachbarin.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FRSTAAR ">
            <speaker> <hi rendition="#g">Fr. St.</hi> </speaker>
            <p>Hat weder deinem Vater noch<lb/>
dem Herrn <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;tor loci</hi> geduldig zuge-<lb/>
ho&#x0364;rt.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#SAB">
            <speaker><hi rendition="#g">Sab</hi>.</speaker>
            <p>O weh! o weh! der arme Olmers!<lb/>
&#x2014; Liebe Großmutter, in der Re&#x017F;idenz ver-<lb/>
bannt man &#x017F;o viel mo&#x0364;glich allen Zwang.<lb/>
Komplimente &#x017F;ind dem, der &#x017F;ie macht, im<lb/>
Grunde eben &#x017F;o la&#x0364;&#x017F;tig, als dem, der &#x017F;ie em-<lb/>
pfa&#x0364;ngt. Man la&#x0364;ßt die Leute e&#x017F;&#x017F;en wovon &#x017F;ie<lb/>
Lu&#x017F;t haben, und &#x017F;o viel &#x017F;ie mo&#x0364;gen, man no&#x0364;-<lb/>
thigt nie. Das Ti&#x017F;chgebet i&#x017F;t nicht mehr ge-<lb/>
bra&#x0364;uchlich, weil die Kinder nur plappern, und<lb/>
die Erwach&#x017F;enen nichts dabey denken. Ein<lb/>
an&#x017F;ta&#x0364;ndiger Scherz, ein frohes Lied, wu&#x0364;rzen<lb/>
das Mahl. Der Titel bedient man &#x017F;ich blos<lb/>
im Amte, im ge&#x017F;elligen Leben wu&#x0364;rden &#x017F;ie nur<lb/>
die Freude ver&#x017F;cheuchen. Kurz, ein guter<lb/>
Wirth &#x017F;ucht Alles zu entfernen, was die Be-<lb/>
haglichkeit &#x017F;einer Ga&#x0364;&#x017F;te &#x017F;to&#x0364;ren ko&#x0364;nnte. Man<lb/>
ko&#x0364;mmt, man &#x017F;etzt &#x017F;ich, man &#x017F;teht, Alles nach<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Belieben.</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0104] Fr. St. Will heydniſche Lieder ſingen. Sperl. Kuͤßt die Nachbarin. Fr. St. Hat weder deinem Vater noch dem Herrn Paſtor loci geduldig zuge- hoͤrt. Sab. O weh! o weh! der arme Olmers! — Liebe Großmutter, in der Reſidenz ver- bannt man ſo viel moͤglich allen Zwang. Komplimente ſind dem, der ſie macht, im Grunde eben ſo laͤſtig, als dem, der ſie em- pfaͤngt. Man laͤßt die Leute eſſen wovon ſie Luſt haben, und ſo viel ſie moͤgen, man noͤ- thigt nie. Das Tiſchgebet iſt nicht mehr ge- braͤuchlich, weil die Kinder nur plappern, und die Erwachſenen nichts dabey denken. Ein anſtaͤndiger Scherz, ein frohes Lied, wuͤrzen das Mahl. Der Titel bedient man ſich blos im Amte, im geſelligen Leben wuͤrden ſie nur die Freude verſcheuchen. Kurz, ein guter Wirth ſucht Alles zu entfernen, was die Be- haglichkeit ſeiner Gaͤſte ſtoͤren koͤnnte. Man koͤmmt, man ſetzt ſich, man ſteht, Alles nach Belieben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_kleinstaedter_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_kleinstaedter_1803/104
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Die deutschen Kleinstädter. Leipzig, 1803, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_kleinstaedter_1803/104>, abgerufen am 03.05.2024.