Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

1000 Livres bezahlen, und, wenn sie sich auszeichnen,
dem Gouvernement bei ihrem Austritte besonders empfoh-
len werden. Der Zöglinge sind überhaupt 450. Der
Direktor der Anstalt ist ein sehr wackerer Mann, Na-
mens Champagne. Sämmtliche Lehrer, so viele ich da-
von gesehen, sind feingebildete Leute, und zuvorkommend
bereit, Alles zu zeigen, Alles zu erklären. Die sehr
weitläuftigen, vormals den Jesuiten gehörigen Gebäude,
enthalten mehrere große Höfe, derer sich die Jugend zu
Spielplätzen bedient. Die verschiedenen Klassen, die
Schlaf- Speise- Zeichensäle, die Küche, Alles war ge-
räumig, luftig , reinlich. Nur die Kleinern schlafen
in Sälen beisamen, unter Aufsicht von Lehrern und
Bedienten; die Größern haben Jeder seine eigene
Schlafkammer, eine seltene aber treffliche Einrichtung.

Die Zöglinge werden sehr gut genährt. Jch ließ
mir ein Stück von ihrem Brode reichen; es war besser
und weißer als bei dem ersten Restaurateur Naudet im
Palais royal. Alle sehen aber auch gesund und frisch
aus -- Eine schöne Bibliothek von 3000 Bänden ist
besonders reich im Fache der Geschichte. Man verdankt
diese Bibliothek dem Minister Benezech, denn die vor-
malige war in der Revoluzion ganz verschleppt und zer-
streuet worden.

Jch habe das Prytaneum mehreremale besucht. Als
ich zum erstenmale dahin kam, schlug die Uhr gerade
Eins und das Hofgitter wurde eben geschlossen, weil
die Zöglinge vom Essen kamen, und nun Erlaubniß hat-
ten, eine Stunde auf den Höfen herum zu spazieren,
zu rennen, sich lustig zu machen. Der Thürsteher fragte
mich, ob ich Geduld haben wolle, bis die Rekreations-
stunde vorüber sey? Jch bejahte es, und er führte mich

1000 Livres bezahlen, und, wenn sie sich auszeichnen,
dem Gouvernement bei ihrem Austritte besonders empfoh-
len werden. Der Zoͤglinge sind uͤberhaupt 450. Der
Direktor der Anstalt ist ein sehr wackerer Mann, Na-
mens Champagne. Saͤmmtliche Lehrer, so viele ich da-
von gesehen, sind feingebildete Leute, und zuvorkommend
bereit, Alles zu zeigen, Alles zu erklaͤren. Die sehr
weitlaͤuftigen, vormals den Jesuiten gehoͤrigen Gebaͤude,
enthalten mehrere große Hoͤfe, derer sich die Jugend zu
Spielplaͤtzen bedient. Die verschiedenen Klassen, die
Schlaf- Speise- Zeichensaͤle, die Kuͤche, Alles war ge-
raͤumig, luftig , reinlich. Nur die Kleinern schlafen
in Saͤlen beisamen, unter Aufsicht von Lehrern und
Bedienten; die Groͤßern haben Jeder seine eigene
Schlafkammer, eine seltene aber treffliche Einrichtung.

Die Zoͤglinge werden sehr gut genaͤhrt. Jch ließ
mir ein Stuͤck von ihrem Brode reichen; es war besser
und weißer als bei dem ersten Restaurateur Naudet im
Palais royal. Alle sehen aber auch gesund und frisch
aus — Eine schoͤne Bibliothek von 3000 Baͤnden ist
besonders reich im Fache der Geschichte. Man verdankt
diese Bibliothek dem Minister Benezech, denn die vor-
malige war in der Revoluzion ganz verschleppt und zer-
streuet worden.

Jch habe das Prytaneum mehreremale besucht. Als
ich zum erstenmale dahin kam, schlug die Uhr gerade
Eins und das Hofgitter wurde eben geschlossen, weil
die Zoͤglinge vom Essen kamen, und nun Erlaubniß hat-
ten, eine Stunde auf den Hoͤfen herum zu spazieren,
zu rennen, sich lustig zu machen. Der Thuͤrsteher fragte
mich, ob ich Geduld haben wolle, bis die Rekreations-
stunde voruͤber sey? Jch bejahte es, und er fuͤhrte mich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0062" n="62"/>
1000 Livres bezahlen, und, wenn sie sich auszeichnen,<lb/>
dem Gouvernement bei ihrem Austritte besonders empfoh-<lb/>
len werden. Der Zo&#x0364;glinge sind u&#x0364;berhaupt 450. Der<lb/>
Direktor der Anstalt ist ein sehr wackerer Mann, Na-<lb/>
mens Champagne. Sa&#x0364;mmtliche Lehrer, so viele ich da-<lb/>
von gesehen, sind feingebildete Leute, und zuvorkommend<lb/>
bereit, Alles zu zeigen, Alles zu erkla&#x0364;ren. Die sehr<lb/>
weitla&#x0364;uftigen, vormals den Jesuiten geho&#x0364;rigen Geba&#x0364;ude,<lb/>
enthalten mehrere große Ho&#x0364;fe, derer sich die Jugend zu<lb/>
Spielpla&#x0364;tzen bedient. Die verschiedenen Klassen, die<lb/>
Schlaf- Speise- Zeichensa&#x0364;le, die Ku&#x0364;che, Alles war ge-<lb/>
ra&#x0364;umig, luftig , reinlich. Nur die <hi rendition="#g">Kleinern</hi> schlafen<lb/>
in Sa&#x0364;len <hi rendition="#g">beisamen,</hi> unter Aufsicht von Lehrern und<lb/>
Bedienten; die <hi rendition="#g">Gro&#x0364;ßern</hi> haben Jeder seine eigene<lb/>
Schlafkammer, eine seltene aber treffliche Einrichtung.</p><lb/>
          <p>Die Zo&#x0364;glinge werden sehr gut gena&#x0364;hrt. Jch ließ<lb/>
mir ein Stu&#x0364;ck von ihrem Brode reichen; es war besser<lb/>
und weißer als bei dem ersten Restaurateur Naudet im<lb/>
Palais royal. Alle sehen aber auch gesund und frisch<lb/>
aus &#x2014; Eine scho&#x0364;ne Bibliothek von 3000 Ba&#x0364;nden ist<lb/>
besonders reich im Fache der Geschichte. Man verdankt<lb/>
diese Bibliothek dem Minister Benezech, denn die vor-<lb/>
malige war in der Revoluzion ganz verschleppt und zer-<lb/>
streuet worden.</p><lb/>
          <p>Jch habe das Prytaneum mehreremale besucht. Als<lb/>
ich zum erstenmale dahin kam, schlug die Uhr gerade<lb/><hi rendition="#g">Eins</hi> und das Hofgitter wurde eben geschlossen, weil<lb/>
die Zo&#x0364;glinge vom Essen kamen, und nun Erlaubniß hat-<lb/>
ten, eine Stunde auf den Ho&#x0364;fen herum zu spazieren,<lb/>
zu rennen, sich lustig zu machen. Der Thu&#x0364;rsteher fragte<lb/>
mich, ob ich Geduld haben wolle, bis die Rekreations-<lb/>
stunde voru&#x0364;ber sey? Jch bejahte es, und er fu&#x0364;hrte mich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0062] 1000 Livres bezahlen, und, wenn sie sich auszeichnen, dem Gouvernement bei ihrem Austritte besonders empfoh- len werden. Der Zoͤglinge sind uͤberhaupt 450. Der Direktor der Anstalt ist ein sehr wackerer Mann, Na- mens Champagne. Saͤmmtliche Lehrer, so viele ich da- von gesehen, sind feingebildete Leute, und zuvorkommend bereit, Alles zu zeigen, Alles zu erklaͤren. Die sehr weitlaͤuftigen, vormals den Jesuiten gehoͤrigen Gebaͤude, enthalten mehrere große Hoͤfe, derer sich die Jugend zu Spielplaͤtzen bedient. Die verschiedenen Klassen, die Schlaf- Speise- Zeichensaͤle, die Kuͤche, Alles war ge- raͤumig, luftig , reinlich. Nur die Kleinern schlafen in Saͤlen beisamen, unter Aufsicht von Lehrern und Bedienten; die Groͤßern haben Jeder seine eigene Schlafkammer, eine seltene aber treffliche Einrichtung. Die Zoͤglinge werden sehr gut genaͤhrt. Jch ließ mir ein Stuͤck von ihrem Brode reichen; es war besser und weißer als bei dem ersten Restaurateur Naudet im Palais royal. Alle sehen aber auch gesund und frisch aus — Eine schoͤne Bibliothek von 3000 Baͤnden ist besonders reich im Fache der Geschichte. Man verdankt diese Bibliothek dem Minister Benezech, denn die vor- malige war in der Revoluzion ganz verschleppt und zer- streuet worden. Jch habe das Prytaneum mehreremale besucht. Als ich zum erstenmale dahin kam, schlug die Uhr gerade Eins und das Hofgitter wurde eben geschlossen, weil die Zoͤglinge vom Essen kamen, und nun Erlaubniß hat- ten, eine Stunde auf den Hoͤfen herum zu spazieren, zu rennen, sich lustig zu machen. Der Thuͤrsteher fragte mich, ob ich Geduld haben wolle, bis die Rekreations- stunde voruͤber sey? Jch bejahte es, und er fuͤhrte mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/62
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/62>, abgerufen am 27.11.2024.