muthlich würde man den Gegenstand der lästigen Be- wunderung endlich erstickt haben, wenn er nicht so klug gewesen wäre, nach einigen Minuten zu entschlüpfen.
Man glaube übrigens ja nicht, daß an solchen Or- ten eigentlich Vergnügen herrsche. Der Pariser stürzt sich in das Gewühl, weil die stillen Freuden der Häus- lichkeit ihm fremd sind. Das Wort plaisir ist nur eine Redensart, eine facon de parler. Man hat das Vergnügen Sie zu sehen, zu hören, mit Jhnen zu sprechen, Sie sind aber Dem, der das Vergnügen hat, dennoch sehr gleichgiltig. Er hatte das Vergnü- gen, bei Dem oder Dem zu Mittag zu speisen, wo er gräßlich Langeweile erduldete. Sie laden ihn ein -- mit großem Vergnügen sagt er, und kommt nicht. Sie fordern seinen Arm -- mit vielem Vergnügen, Ma- dame; dabei murmelt er einen Fluch zwischen den Zäh- nen, denn dieser Zwang ist ihm in den Tod zuwider.
Der Geschmack an den sogenannten fetes champe- tres hat sehr abgenommen, denn die Orte, wo diese ländlichen Feste gegeben wurden, vermehrten sich ins Un- endliche, und lächerlich war es, wenn Einer das kleinste Stückchen Land mit ein paar Zwergbäumen besetzte, ei- nen elenden Springbrunnen oder ein schlängelndes Pfütz- lein schuff, und dann ihm den Namen Jsle des Venus, Jardin d'Apollon, Paphos, Elysee, Frascati, les grands Maronniers, la Chaumiere Jndienne u. s. w. beilegte.
Die Feuerwerke, besonders Ruggie'ri's sind sehr beliebt; und das beste Spektakel konnte dagegen nicht aufkommen. Von Liebhabertheatern hingegen hört man Wenig mehr. -- Jn Ranelagh spielen die jungen Leu- te -- so lange es die Witterung erlaubt -- das jeu de
muthlich wuͤrde man den Gegenstand der laͤstigen Be- wunderung endlich erstickt haben, wenn er nicht so klug gewesen waͤre, nach einigen Minuten zu entschluͤpfen.
Man glaube uͤbrigens ja nicht, daß an solchen Or- ten eigentlich Vergnuͤgen herrsche. Der Pariser stuͤrzt sich in das Gewuͤhl, weil die stillen Freuden der Haͤus- lichkeit ihm fremd sind. Das Wort plaisir ist nur eine Redensart, eine façon de parler. Man hat das Vergnuͤgen Sie zu sehen, zu hoͤren, mit Jhnen zu sprechen, Sie sind aber Dem, der das Vergnuͤgen hat, dennoch sehr gleichgiltig. Er hatte das Vergnuͤ- gen, bei Dem oder Dem zu Mittag zu speisen, wo er graͤßlich Langeweile erduldete. Sie laden ihn ein — mit großem Vergnuͤgen sagt er, und kommt nicht. Sie fordern seinen Arm — mit vielem Vergnuͤgen, Ma- dame; dabei murmelt er einen Fluch zwischen den Zaͤh- nen, denn dieser Zwang ist ihm in den Tod zuwider.
Der Geschmack an den sogenannten fêtes champê- tres hat sehr abgenommen, denn die Orte, wo diese laͤndlichen Feste gegeben wurden, vermehrten sich ins Un- endliche, und laͤcherlich war es, wenn Einer das kleinste Stuͤckchen Land mit ein paar Zwergbaͤumen besetzte, ei- nen elenden Springbrunnen oder ein schlaͤngelndes Pfuͤtz- lein schuff, und dann ihm den Namen Jsle des Venus, Jardin d'Apollon, Paphos, Elysée, Frascati, les grands Maronniers, la Chaumière Jndienne u. s. w. beilegte.
Die Feuerwerke, besonders Ruggie'ri's sind sehr beliebt; und das beste Spektakel konnte dagegen nicht aufkommen. Von Liebhabertheatern hingegen hoͤrt man Wenig mehr. — Jn Ranelagh spielen die jungen Leu- te — so lange es die Witterung erlaubt — das jeu de
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muthlich wuͤrde man den Gegenstand der laͤstigen Be-
wunderung endlich erstickt haben, wenn er nicht so klug
gewesen waͤre, nach einigen Minuten zu entschluͤpfen.
Man glaube uͤbrigens ja nicht, daß an solchen Or-
ten eigentlich Vergnuͤgen herrsche. Der Pariser stuͤrzt
sich in das Gewuͤhl, weil die stillen Freuden der Haͤus-
lichkeit ihm fremd sind. Das Wort plaisir ist nur
eine Redensart, eine façon de parler. Man hat das
Vergnuͤgen Sie zu sehen, zu hoͤren, mit Jhnen zu
sprechen, Sie sind aber Dem, der das Vergnuͤgen
hat, dennoch sehr gleichgiltig. Er hatte das Vergnuͤ-
gen, bei Dem oder Dem zu Mittag zu speisen, wo
er graͤßlich Langeweile erduldete. Sie laden ihn ein
— mit großem Vergnuͤgen sagt er, und kommt nicht.
Sie fordern seinen Arm — mit vielem Vergnuͤgen, Ma-
dame; dabei murmelt er einen Fluch zwischen den Zaͤh-
nen, denn dieser Zwang ist ihm in den Tod zuwider.
Der Geschmack an den sogenannten fêtes champê-
tres hat sehr abgenommen, denn die Orte, wo diese
laͤndlichen Feste gegeben wurden, vermehrten sich ins Un-
endliche, und laͤcherlich war es, wenn Einer das kleinste
Stuͤckchen Land mit ein paar Zwergbaͤumen besetzte, ei-
nen elenden Springbrunnen oder ein schlaͤngelndes Pfuͤtz-
lein schuff, und dann ihm den Namen Jsle des Venus,
Jardin d'Apollon, Paphos, Elysée, Frascati, les
grands Maronniers, la Chaumière Jndienne u. s. w.
beilegte.
Die Feuerwerke, besonders Ruggie'ri's sind sehr
beliebt; und das beste Spektakel konnte dagegen nicht
aufkommen. Von Liebhabertheatern hingegen hoͤrt man
Wenig mehr. — Jn Ranelagh spielen die jungen Leu-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/178>, abgerufen am 16.02.2025.
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