Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.schen von allen Ständen ein, wenig Frauenzimmer, mei- Zum guten Ton gehört, alle Damen zu vernachläßi- schen von allen Staͤnden ein, wenig Frauenzimmer, mei- Zum guten Ton gehoͤrt, alle Damen zu vernachlaͤßi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0176" n="176"/> schen von allen Staͤnden ein, wenig Frauenzimmer, mei-<lb/> stens Maͤnner, besonders Fremde, sonst Englaͤnder, jetzt<lb/> vorzuͤglich Russen. Alle Zimmer sind offen und erleuch-<lb/> tet. Der Nachbar fluͤstert dem Nachbar ins Ohr. All-<lb/> gemeine Theilnahme bewirkt nur dann und wann ein ar-<lb/> tiger Calembourg, der unerwartet durch die Gesellschaft<lb/> blitzt. Gleich darauf wird es wieder ganz still. Ein<lb/> paar junge Herren reden mit der Frau vom Hause, die<lb/> Uebrigen schleichen sich hin und her, betrachten die anti-<lb/> ken Kanapees, die griechischen Zimmer, das roͤmische<lb/> Bett, das chinesische boudoir. — Die Mystificateurs<lb/> und Plaisants (vormals Spaßmacher genannt) sind noch<lb/> sehr Mode, und gleichen den Lilien auf dem Felde: sie<lb/> arbeiten nicht, und der himmlische Vater ernaͤhrt sie doch.<lb/> Sie setzen sich an die Tafeln der Reichen, und ihre Kuͤn-<lb/> ste sind: Gesichter schneiden, das Geschrei von allerlei<lb/> Thieren oder das Geraͤusch einer <hi rendition="#g">Saͤge</hi> nachmachen,<lb/> die Stimme veraͤndern, hinter einer spanischen Wand<lb/> ganz allein eine Komoͤdie spielen, sich auf allerlei Art<lb/> vermummen, einen honetten Mann von der Gesellschaft<lb/> zum Narren halten u. dgl. m.</p><lb/> <p>Zum guten Ton gehoͤrt, alle Damen zu vernachlaͤßi-<lb/> gen und allein um die schoͤnste sich herzudraͤngen, sie starr<lb/> anzugaffen und fast zu ersticken. — Gegen 2 Uhr in<lb/> der Nacht koͤmmt ein Taͤnzer par excellence, dann<lb/> schreit ploͤtzlich Alles: <hi rendition="#g">die Gavotte! die Gavotte!</hi><lb/> — Ein Pianoforte wird zurechtgesetzt, man bildet einen<lb/> Kreis, man steigt auf die Stuͤhle, man klatscht, der<lb/> junge Mensch, der mit der Frau vom Hause tanzt, em-<lb/> pfaͤngt selbstgefaͤllig die Komplimente als schuldigen Tri-<lb/> but. Er nimmt den Pas uͤber Maͤnner und Greise, praͤ-<lb/> sentirt keiner Dame einen Stuhl, schwatzt von Spekta-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [176/0176]
schen von allen Staͤnden ein, wenig Frauenzimmer, mei-
stens Maͤnner, besonders Fremde, sonst Englaͤnder, jetzt
vorzuͤglich Russen. Alle Zimmer sind offen und erleuch-
tet. Der Nachbar fluͤstert dem Nachbar ins Ohr. All-
gemeine Theilnahme bewirkt nur dann und wann ein ar-
tiger Calembourg, der unerwartet durch die Gesellschaft
blitzt. Gleich darauf wird es wieder ganz still. Ein
paar junge Herren reden mit der Frau vom Hause, die
Uebrigen schleichen sich hin und her, betrachten die anti-
ken Kanapees, die griechischen Zimmer, das roͤmische
Bett, das chinesische boudoir. — Die Mystificateurs
und Plaisants (vormals Spaßmacher genannt) sind noch
sehr Mode, und gleichen den Lilien auf dem Felde: sie
arbeiten nicht, und der himmlische Vater ernaͤhrt sie doch.
Sie setzen sich an die Tafeln der Reichen, und ihre Kuͤn-
ste sind: Gesichter schneiden, das Geschrei von allerlei
Thieren oder das Geraͤusch einer Saͤge nachmachen,
die Stimme veraͤndern, hinter einer spanischen Wand
ganz allein eine Komoͤdie spielen, sich auf allerlei Art
vermummen, einen honetten Mann von der Gesellschaft
zum Narren halten u. dgl. m.
Zum guten Ton gehoͤrt, alle Damen zu vernachlaͤßi-
gen und allein um die schoͤnste sich herzudraͤngen, sie starr
anzugaffen und fast zu ersticken. — Gegen 2 Uhr in
der Nacht koͤmmt ein Taͤnzer par excellence, dann
schreit ploͤtzlich Alles: die Gavotte! die Gavotte!
— Ein Pianoforte wird zurechtgesetzt, man bildet einen
Kreis, man steigt auf die Stuͤhle, man klatscht, der
junge Mensch, der mit der Frau vom Hause tanzt, em-
pfaͤngt selbstgefaͤllig die Komplimente als schuldigen Tri-
but. Er nimmt den Pas uͤber Maͤnner und Greise, praͤ-
sentirt keiner Dame einen Stuhl, schwatzt von Spekta-
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