schen von allen Ständen ein, wenig Frauenzimmer, mei- stens Männer, besonders Fremde, sonst Engländer, jetzt vorzüglich Russen. Alle Zimmer sind offen und erleuch- tet. Der Nachbar flüstert dem Nachbar ins Ohr. All- gemeine Theilnahme bewirkt nur dann und wann ein ar- tiger Calembourg, der unerwartet durch die Gesellschaft blitzt. Gleich darauf wird es wieder ganz still. Ein paar junge Herren reden mit der Frau vom Hause, die Uebrigen schleichen sich hin und her, betrachten die anti- ken Kanapees, die griechischen Zimmer, das römische Bett, das chinesische boudoir. -- Die Mystificateurs und Plaisants (vormals Spaßmacher genannt) sind noch sehr Mode, und gleichen den Lilien auf dem Felde: sie arbeiten nicht, und der himmlische Vater ernährt sie doch. Sie setzen sich an die Tafeln der Reichen, und ihre Kün- ste sind: Gesichter schneiden, das Geschrei von allerlei Thieren oder das Geräusch einer Säge nachmachen, die Stimme verändern, hinter einer spanischen Wand ganz allein eine Komödie spielen, sich auf allerlei Art vermummen, einen honetten Mann von der Gesellschaft zum Narren halten u. dgl. m.
Zum guten Ton gehört, alle Damen zu vernachläßi- gen und allein um die schönste sich herzudrängen, sie starr anzugaffen und fast zu ersticken. -- Gegen 2 Uhr in der Nacht kömmt ein Tänzer par excellence, dann schreit plötzlich Alles: die Gavotte! die Gavotte! -- Ein Pianoforte wird zurechtgesetzt, man bildet einen Kreis, man steigt auf die Stühle, man klatscht, der junge Mensch, der mit der Frau vom Hause tanzt, em- pfängt selbstgefällig die Komplimente als schuldigen Tri- but. Er nimmt den Pas über Männer und Greise, prä- sentirt keiner Dame einen Stuhl, schwatzt von Spekta-
schen von allen Staͤnden ein, wenig Frauenzimmer, mei- stens Maͤnner, besonders Fremde, sonst Englaͤnder, jetzt vorzuͤglich Russen. Alle Zimmer sind offen und erleuch- tet. Der Nachbar fluͤstert dem Nachbar ins Ohr. All- gemeine Theilnahme bewirkt nur dann und wann ein ar- tiger Calembourg, der unerwartet durch die Gesellschaft blitzt. Gleich darauf wird es wieder ganz still. Ein paar junge Herren reden mit der Frau vom Hause, die Uebrigen schleichen sich hin und her, betrachten die anti- ken Kanapees, die griechischen Zimmer, das roͤmische Bett, das chinesische boudoir. — Die Mystificateurs und Plaisants (vormals Spaßmacher genannt) sind noch sehr Mode, und gleichen den Lilien auf dem Felde: sie arbeiten nicht, und der himmlische Vater ernaͤhrt sie doch. Sie setzen sich an die Tafeln der Reichen, und ihre Kuͤn- ste sind: Gesichter schneiden, das Geschrei von allerlei Thieren oder das Geraͤusch einer Saͤge nachmachen, die Stimme veraͤndern, hinter einer spanischen Wand ganz allein eine Komoͤdie spielen, sich auf allerlei Art vermummen, einen honetten Mann von der Gesellschaft zum Narren halten u. dgl. m.
Zum guten Ton gehoͤrt, alle Damen zu vernachlaͤßi- gen und allein um die schoͤnste sich herzudraͤngen, sie starr anzugaffen und fast zu ersticken. — Gegen 2 Uhr in der Nacht koͤmmt ein Taͤnzer par excellence, dann schreit ploͤtzlich Alles: die Gavotte! die Gavotte! — Ein Pianoforte wird zurechtgesetzt, man bildet einen Kreis, man steigt auf die Stuͤhle, man klatscht, der junge Mensch, der mit der Frau vom Hause tanzt, em- pfaͤngt selbstgefaͤllig die Komplimente als schuldigen Tri- but. Er nimmt den Pas uͤber Maͤnner und Greise, praͤ- sentirt keiner Dame einen Stuhl, schwatzt von Spekta-
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schen von allen Staͤnden ein, wenig Frauenzimmer, mei-
stens Maͤnner, besonders Fremde, sonst Englaͤnder, jetzt
vorzuͤglich Russen. Alle Zimmer sind offen und erleuch-
tet. Der Nachbar fluͤstert dem Nachbar ins Ohr. All-
gemeine Theilnahme bewirkt nur dann und wann ein ar-
tiger Calembourg, der unerwartet durch die Gesellschaft
blitzt. Gleich darauf wird es wieder ganz still. Ein
paar junge Herren reden mit der Frau vom Hause, die
Uebrigen schleichen sich hin und her, betrachten die anti-
ken Kanapees, die griechischen Zimmer, das roͤmische
Bett, das chinesische boudoir. — Die Mystificateurs
und Plaisants (vormals Spaßmacher genannt) sind noch
sehr Mode, und gleichen den Lilien auf dem Felde: sie
arbeiten nicht, und der himmlische Vater ernaͤhrt sie doch.
Sie setzen sich an die Tafeln der Reichen, und ihre Kuͤn-
ste sind: Gesichter schneiden, das Geschrei von allerlei
Thieren oder das Geraͤusch einer Saͤge nachmachen,
die Stimme veraͤndern, hinter einer spanischen Wand
ganz allein eine Komoͤdie spielen, sich auf allerlei Art
vermummen, einen honetten Mann von der Gesellschaft
zum Narren halten u. dgl. m.
Zum guten Ton gehoͤrt, alle Damen zu vernachlaͤßi-
gen und allein um die schoͤnste sich herzudraͤngen, sie starr
anzugaffen und fast zu ersticken. — Gegen 2 Uhr in
der Nacht koͤmmt ein Taͤnzer par excellence, dann
schreit ploͤtzlich Alles: die Gavotte! die Gavotte!
— Ein Pianoforte wird zurechtgesetzt, man bildet einen
Kreis, man steigt auf die Stuͤhle, man klatscht, der
junge Mensch, der mit der Frau vom Hause tanzt, em-
pfaͤngt selbstgefaͤllig die Komplimente als schuldigen Tri-
but. Er nimmt den Pas uͤber Maͤnner und Greise, praͤ-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/176>, abgerufen am 31.07.2024.
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