Sitzung von vier Stunden die Haare schwarz oder kasta- nienbraun zu färben, so, daß die Farbe im ganzen Le- ben nicht wieder abgehen werde. Es ist also in Paris selbst einem Ehemanne unmöglich, zu bestimmen, von welcher Grundfarbe das Haar seiner Frau sey.
Man gönne mir den Spaß, die jungen Pariser Ele- gants noch einmal vor meiner Einbildungskraft vorbei- hüpfen, oder eigentlich reiten zu lassen: denn diese Menschengattung fraternisirt jetzt einzig und allein mit den Honyehms. Jm Boulogner Holze wird geritten und einander zugerufen: quelle superbe bete! -- wer nicht eine solche bete hat, bedeutet gar Nichts. Ein schlechter Reiter auf einem magern Gaule gilt für einen Engländer, besonders wenn er recht auswärts reitet; Sporn und Reitpeitsche werden auch, ohne zu reiten, ge- tragen. -- Ein Modejüngling grüßt Niemanden; den hübschen Weibern giebt er einen Blick, den Kammermäd- chen einen vertrauten Wink, den Ehemännern ein bon soir, den Gläubigern ein kleines Hutlüftchen, und dem Vater einen Händedruck. Um Glück zu machen, muß er mager und bleich aussehen, muß ein Pfeifer, Persif- lirer und Mystifizirer seyn, muß Nichts verstehen, und über Alles urtheilen. Die unsittliche Mode, die Hände in die Hosenklappe zu stecken, ist endlich verschwun- den, man ist bis zur Hosentasche hinübergerückt. -- Alles, was ein Elegant an seinem Leibe trägt, muß zer- knillt seyn, Nichts darf neu aussehen; die Strümpfe müssen herunter hängen, die Weste nachläßig zugeknöpft, keine Leinwand mehr, Hemden von Baumwollenzeug, die Beinkleider am Knie so zugeknöpft, daß das Knie schief erscheint, nur einen Ring und eine Uhr. Ta-
Sitzung von vier Stunden die Haare schwarz oder kasta- nienbraun zu faͤrben, so, daß die Farbe im ganzen Le- ben nicht wieder abgehen werde. Es ist also in Paris selbst einem Ehemanne unmoͤglich, zu bestimmen, von welcher Grundfarbe das Haar seiner Frau sey.
Man goͤnne mir den Spaß, die jungen Pariser Ele- gants noch einmal vor meiner Einbildungskraft vorbei- huͤpfen, oder eigentlich reiten zu lassen: denn diese Menschengattung fraternisirt jetzt einzig und allein mit den Honyehms. Jm Boulogner Holze wird geritten und einander zugerufen: quelle superbe bête! — wer nicht eine solche bête hat, bedeutet gar Nichts. Ein schlechter Reiter auf einem magern Gaule gilt fuͤr einen Englaͤnder, besonders wenn er recht auswaͤrts reitet; Sporn und Reitpeitsche werden auch, ohne zu reiten, ge- tragen. — Ein Modejuͤngling gruͤßt Niemanden; den huͤbschen Weibern giebt er einen Blick, den Kammermaͤd- chen einen vertrauten Wink, den Ehemaͤnnern ein bon soir, den Glaͤubigern ein kleines Hutluͤftchen, und dem Vater einen Haͤndedruck. Um Gluͤck zu machen, muß er mager und bleich aussehen, muß ein Pfeifer, Persif- lirer und Mystifizirer seyn, muß Nichts verstehen, und uͤber Alles urtheilen. Die unsittliche Mode, die Haͤnde in die Hosenklappe zu stecken, ist endlich verschwun- den, man ist bis zur Hosentasche hinuͤbergeruͤckt. — Alles, was ein Elegant an seinem Leibe traͤgt, muß zer- knillt seyn, Nichts darf neu aussehen; die Struͤmpfe muͤssen herunter haͤngen, die Weste nachlaͤßig zugeknoͤpft, keine Leinwand mehr, Hemden von Baumwollenzeug, die Beinkleider am Knie so zugeknoͤpft, daß das Knie schief erscheint, nur einen Ring und eine Uhr. Ta-
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Sitzung von vier Stunden die Haare schwarz oder kasta-
nienbraun zu faͤrben, so, daß die Farbe im ganzen Le-
ben nicht wieder abgehen werde. Es ist also in Paris
selbst einem Ehemanne unmoͤglich, zu bestimmen, von
welcher Grundfarbe das Haar seiner Frau sey.
Man goͤnne mir den Spaß, die jungen Pariser Ele-
gants noch einmal vor meiner Einbildungskraft vorbei-
huͤpfen, oder eigentlich reiten zu lassen: denn diese
Menschengattung fraternisirt jetzt einzig und allein mit
den Honyehms. Jm Boulogner Holze wird geritten
und einander zugerufen: quelle superbe bête! — wer
nicht eine solche bête hat, bedeutet gar Nichts. Ein
schlechter Reiter auf einem magern Gaule gilt fuͤr einen
Englaͤnder, besonders wenn er recht auswaͤrts reitet;
Sporn und Reitpeitsche werden auch, ohne zu reiten, ge-
tragen. — Ein Modejuͤngling gruͤßt Niemanden; den
huͤbschen Weibern giebt er einen Blick, den Kammermaͤd-
chen einen vertrauten Wink, den Ehemaͤnnern ein bon
soir, den Glaͤubigern ein kleines Hutluͤftchen, und dem
Vater einen Haͤndedruck. Um Gluͤck zu machen, muß
er mager und bleich aussehen, muß ein Pfeifer, Persif-
lirer und Mystifizirer seyn, muß Nichts verstehen, und
uͤber Alles urtheilen. Die unsittliche Mode, die Haͤnde
in die Hosenklappe zu stecken, ist endlich verschwun-
den, man ist bis zur Hosentasche hinuͤbergeruͤckt. —
Alles, was ein Elegant an seinem Leibe traͤgt, muß zer-
knillt seyn, Nichts darf neu aussehen; die Struͤmpfe
muͤssen herunter haͤngen, die Weste nachlaͤßig zugeknoͤpft,
keine Leinwand mehr, Hemden von Baumwollenzeug,
die Beinkleider am Knie so zugeknoͤpft, daß das Knie
schief erscheint, nur einen Ring und eine Uhr. Ta-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/174>, abgerufen am 31.07.2024.
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