nahme als gesittete Menschen betragen, selbst dann, wenn sie mich irgendwo zurückwiesen. Jch erinnere mich unter andern, daß ich einst in der Vorhalle der Tuillerien einen großen gedruckten Bogen an der Wand erblickte, und hin- zutrat, um ihn zu lesen. Da näherte sich mir die näch- Schildwache sehr bescheiden, und sagte mit einem höfli- chen Lächeln: "Monsieur c'est notre consigne, das darf nicht gelesen werden." -- Mancher Deutsche würde mir sein: Herr! Das ist verboten zu lesen! sehr un- freundlich zugerufen haben. Uebrigens war es mir in der That leid, daß ich das Blatt nicht lesen durfte, zumal seitdem ich wußte, was es enthielt, denn es war in so vie- len Punkten abgefaßt, daß ein interessanter Aufschluß über die inneren Sicherheitsmaaßregeln des Pallastes darin zu vermuthen ist.
Ein schmeichelnder Dichter sang, während meines Auf- enthaltes, von Bonaparte:
Jl eut pur ennemis le feu, la terre et l'onde. Jl en a triomphe pour le bonheur du monde.
Das letztere kann freilich ein Dichter prophezeihen, aber nur der künftige Geschichtschreiber bestätigen, und dann ist noch immer zu wünschen, daß jener Triumph nie durch kleinliche Maaßregeln erreicht worden seyn mö- ge. Zu solchen würde ich die ungeheure Censurbedrückung rechnen, die man sich jetzt in Paris erlaubt, und die un- ter Paul dem Ersten wahrlich nicht empörender war. Der jüngere Düpaty schrieb ein artiges Stück für das Thea- ter Faydeau, das Vorzimmer betitelt, in welchem die Emporkömmlinge von der Satire gegeisselt wurden. So- gleich findet man verwegne Anspielungen darin; man glaubt sogar, einer der Schauspieler habe durch einen blauen Rock mit gelben Knöpfen die Kleidung eines Mannes bezeich-
nahme als gesittete Menschen betragen, selbst dann, wenn sie mich irgendwo zuruͤckwiesen. Jch erinnere mich unter andern, daß ich einst in der Vorhalle der Tuillerien einen großen gedruckten Bogen an der Wand erblickte, und hin- zutrat, um ihn zu lesen. Da naͤherte sich mir die naͤch- Schildwache sehr bescheiden, und sagte mit einem hoͤfli- chen Laͤcheln: „Monsieur c'est notre consigne, das darf nicht gelesen werden.“ — Mancher Deutsche wuͤrde mir sein: Herr! Das ist verboten zu lesen! sehr un- freundlich zugerufen haben. Uebrigens war es mir in der That leid, daß ich das Blatt nicht lesen durfte, zumal seitdem ich wußte, was es enthielt, denn es war in so vie- len Punkten abgefaßt, daß ein interessanter Aufschluß uͤber die inneren Sicherheitsmaaßregeln des Pallastes darin zu vermuthen ist.
Ein schmeichelnder Dichter sang, waͤhrend meines Auf- enthaltes, von Bonaparte:
Jl eut pur ennemis le feu, la terre et l'onde. Jl en a triomphé pour le bonheur du monde.
Das letztere kann freilich ein Dichter prophezeihen, aber nur der kuͤnftige Geschichtschreiber bestaͤtigen, und dann ist noch immer zu wuͤnschen, daß jener Triumph nie durch kleinliche Maaßregeln erreicht worden seyn moͤ- ge. Zu solchen wuͤrde ich die ungeheure Censurbedruͤckung rechnen, die man sich jetzt in Paris erlaubt, und die un- ter Paul dem Ersten wahrlich nicht empoͤrender war. Der juͤngere Duͤpaty schrieb ein artiges Stuͤck fuͤr das Thea- ter Faydeau, das Vorzimmer betitelt, in welchem die Emporkoͤmmlinge von der Satire gegeisselt wurden. So- gleich findet man verwegne Anspielungen darin; man glaubt sogar, einer der Schauspieler habe durch einen blauen Rock mit gelben Knoͤpfen die Kleidung eines Mannes bezeich-
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nahme als gesittete Menschen betragen, selbst dann, wenn
sie mich irgendwo zuruͤckwiesen. Jch erinnere mich unter
andern, daß ich einst in der Vorhalle der Tuillerien einen
großen gedruckten Bogen an der Wand erblickte, und hin-
zutrat, um ihn zu lesen. Da naͤherte sich mir die naͤch-
Schildwache sehr bescheiden, und sagte mit einem hoͤfli-
chen Laͤcheln: „Monsieur c'est notre consigne, das darf
nicht gelesen werden.“ — Mancher Deutsche wuͤrde mir
sein: Herr! Das ist verboten zu lesen! sehr un-
freundlich zugerufen haben. Uebrigens war es mir in der
That leid, daß ich das Blatt nicht lesen durfte, zumal
seitdem ich wußte, was es enthielt, denn es war in so vie-
len Punkten abgefaßt, daß ein interessanter Aufschluß uͤber
die inneren Sicherheitsmaaßregeln des Pallastes darin zu
vermuthen ist.
Ein schmeichelnder Dichter sang, waͤhrend meines Auf-
enthaltes, von Bonaparte:
Jl eut pur ennemis le feu, la terre et l'onde.
Jl en a triomphé pour le bonheur du monde.
Das letztere kann freilich ein Dichter prophezeihen,
aber nur der kuͤnftige Geschichtschreiber bestaͤtigen,
und dann ist noch immer zu wuͤnschen, daß jener Triumph
nie durch kleinliche Maaßregeln erreicht worden seyn moͤ-
ge. Zu solchen wuͤrde ich die ungeheure Censurbedruͤckung
rechnen, die man sich jetzt in Paris erlaubt, und die un-
ter Paul dem Ersten wahrlich nicht empoͤrender war. Der
juͤngere Duͤpaty schrieb ein artiges Stuͤck fuͤr das Thea-
ter Faydeau, das Vorzimmer betitelt, in welchem die
Emporkoͤmmlinge von der Satire gegeisselt wurden. So-
gleich findet man verwegne Anspielungen darin; man glaubt
sogar, einer der Schauspieler habe durch einen blauen Rock
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/90>, abgerufen am 16.02.2025.
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