ist gut. Der Rheinfall hat meine Erwartung nicht über- troffen, aber in einem hohen Grade befriedigt. Manche Reisende hatten mir die Wirkung seines Anblicks geringer schildern wollen, als ich sie wirklich fand. Es ist ein im- ponirendes Schauspiel, an dessen Beschreibung sich keine Feder wagen darf. -- Die Gegend um Zürich hat mir sehr gefallen, vielleicht doch nur mehr als alle übrigen, weil der Aufenthalt durch gute Menschen mir interessant wurde. Die Aussicht vom Bürgeli über den See nach Schneekoppen ist sehr reizend. Fast noch reizender, we- nigstens noch mannichfaltiger, ist die aus den Zimmern des Gasthofes (zum Schwerdt), welche ich bewohnte. Man hat dieser Aussicht im Vorbeigehen schon oft erwähnt; ich will Jhnen etwas umständlicher -- nicht beschrei- ben (davor behüte mich Gott!) sondern nur aufzählen, was Sie alles sehen. Das Zimmer ist ein Eckzimmer. Oeffnen Sie ein Fenster linker Hand, so sehen Sie un- ter sich den Fluß, die Limmat, und eine sehr breite Brücke darüber, welche zu beiden Seiten mit dichten bun- ten Reihen von Gemüse- und Obstverkäuferinnen besetzt ist; zwischen denselben spazieren die französischen Chasseurs her- um, deren Wachthaus Sie jenseits der Brücke gewahr wer- den, Sie glauben nicht, welch ein Leben und Gewimmel auf dieser Brücke herrscht. Links hinunter erblicken Sie längs dem Flusse zwei lange Straßen, und einen Theil der Stadt. Oeffnen Sie das Fenster rechter Hand, so haben Sie unter ihren Füßen einen freien sehr lebhaf- ten Platz, und gerade vor sich den Züricher See, von la- chenden Landhäusern eingefaßt, die wiederum von den Al- pen begränzt sind, über denen sich wiederum die Schnee- koppen erheben. Dies Amphitheater, aus sanfter und rauher Natur zusammengesetzt, mit dem Menschengewim-
ist gut. Der Rheinfall hat meine Erwartung nicht uͤber- troffen, aber in einem hohen Grade befriedigt. Manche Reisende hatten mir die Wirkung seines Anblicks geringer schildern wollen, als ich sie wirklich fand. Es ist ein im- ponirendes Schauspiel, an dessen Beschreibung sich keine Feder wagen darf. — Die Gegend um Zuͤrich hat mir sehr gefallen, vielleicht doch nur mehr als alle uͤbrigen, weil der Aufenthalt durch gute Menschen mir interessant wurde. Die Aussicht vom Buͤrgeli uͤber den See nach Schneekoppen ist sehr reizend. Fast noch reizender, we- nigstens noch mannichfaltiger, ist die aus den Zimmern des Gasthofes (zum Schwerdt), welche ich bewohnte. Man hat dieser Aussicht im Vorbeigehen schon oft erwaͤhnt; ich will Jhnen etwas umstaͤndlicher — nicht beschrei- ben (davor behuͤte mich Gott!) sondern nur aufzaͤhlen, was Sie alles sehen. Das Zimmer ist ein Eckzimmer. Oeffnen Sie ein Fenster linker Hand, so sehen Sie un- ter sich den Fluß, die Limmat, und eine sehr breite Bruͤcke daruͤber, welche zu beiden Seiten mit dichten bun- ten Reihen von Gemuͤse- und Obstverkaͤuferinnen besetzt ist; zwischen denselben spazieren die franzoͤsischen Chasseurs her- um, deren Wachthaus Sie jenseits der Bruͤcke gewahr wer- den, Sie glauben nicht, welch ein Leben und Gewimmel auf dieser Bruͤcke herrscht. Links hinunter erblicken Sie laͤngs dem Flusse zwei lange Straßen, und einen Theil der Stadt. Oeffnen Sie das Fenster rechter Hand, so haben Sie unter ihren Fuͤßen einen freien sehr lebhaf- ten Platz, und gerade vor sich den Zuͤricher See, von la- chenden Landhaͤusern eingefaßt, die wiederum von den Al- pen begraͤnzt sind, uͤber denen sich wiederum die Schnee- koppen erheben. Dies Amphitheater, aus sanfter und rauher Natur zusammengesetzt, mit dem Menschengewim-
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ist gut. Der Rheinfall hat meine Erwartung nicht uͤber-
troffen, aber in einem hohen Grade befriedigt. Manche
Reisende hatten mir die Wirkung seines Anblicks geringer
schildern wollen, als ich sie wirklich fand. Es ist ein im-
ponirendes Schauspiel, an dessen Beschreibung sich keine
Feder wagen darf. — Die Gegend um Zuͤrich hat mir
sehr gefallen, vielleicht doch nur mehr als alle uͤbrigen,
weil der Aufenthalt durch gute Menschen mir interessant
wurde. Die Aussicht vom Buͤrgeli uͤber den See nach
Schneekoppen ist sehr reizend. Fast noch reizender, we-
nigstens noch mannichfaltiger, ist die aus den Zimmern
des Gasthofes (zum Schwerdt), welche ich bewohnte.
Man hat dieser Aussicht im Vorbeigehen schon oft erwaͤhnt;
ich will Jhnen etwas umstaͤndlicher — nicht beschrei-
ben (davor behuͤte mich Gott!) sondern nur aufzaͤhlen,
was Sie alles sehen. Das Zimmer ist ein Eckzimmer.
Oeffnen Sie ein Fenster linker Hand, so sehen Sie un-
ter sich den Fluß, die Limmat, und eine sehr breite
Bruͤcke daruͤber, welche zu beiden Seiten mit dichten bun-
ten Reihen von Gemuͤse- und Obstverkaͤuferinnen besetzt ist;
zwischen denselben spazieren die franzoͤsischen Chasseurs her-
um, deren Wachthaus Sie jenseits der Bruͤcke gewahr wer-
den, Sie glauben nicht, welch ein Leben und Gewimmel
auf dieser Bruͤcke herrscht. Links hinunter erblicken Sie
laͤngs dem Flusse zwei lange Straßen, und einen Theil
der Stadt. Oeffnen Sie das Fenster rechter Hand,
so haben Sie unter ihren Fuͤßen einen freien sehr lebhaf-
ten Platz, und gerade vor sich den Zuͤricher See, von la-
chenden Landhaͤusern eingefaßt, die wiederum von den Al-
pen begraͤnzt sind, uͤber denen sich wiederum die Schnee-
koppen erheben. Dies Amphitheater, aus sanfter und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/30>, abgerufen am 01.08.2024.
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