einen Versuch zu ihrer Befreiung zu wagen. -- Herr- lich als Kunstwerk und interessant durch seinen Gegen- stand, ist diese knieende Bildsäule Philipps von Villiers l'Jsle Adam, desselben Großmeisters des Johanniter- Ordens, der bei der berühmten Belagerung von Rho- dus, durch Tapferkeit und Klugheit 200000 Türken wi- derstand, bis die Verrätherei seines Kanzlers Amaral ihn zur Uebergabe nöthigte. Jhm schenkte Carl der Fünfte Malta; als er starb, beweinten alle seine Ritter in ihm den Helden und Vater. Auf seinen Leichenstein grub man das schöne Lob: Hier ruht die Glück- besiegende Tugend.
Mit Ehrfurcht betrete ich eine Kapelle, dem Wie- derhersteller der Künste, Franz dem Ersten geweiht. Der Leichnam dieses Biedermannes, so wie der seiner Gemahlin Claude de France, sind mit täuschender Wahr- heit in Marmor nachgeahmt, und die hier und dort angebrachten Reliefs interessiren durch treue Darstellung der Kleidertrachten und Kriegsgeräthe damaliger Zeit. Ueber dem von sechszehn jonischen Säulen getragenen Ge- bälke erblicket man abermals die Bildsäulen des königlichen Paares, knieend, betend, von lieben Kindern umge- ben, und die steifen Hof- und Staatskleider machen einen grellen Abstich mit der Uniform des Todes da un- ten. -- Noch einmal finde ich den Leichnam von da Vinci's Königlichem Freunde, kunstreich abgebildet in weißem Marmor, und mache leider die Erfahrung, daß schon im sechszehnten Jahrhunderte der Knaben- muthwille des Ehrgeizes eben so rege war als heutzu- tage, durch Bekritzeln mit obscuren Namen die heiligsten Denkmäler zu entweihen. Da haben z. B. ein Hugues Betauld im Jahr 1580., ein Lormel 1584., u. a. m.
einen Versuch zu ihrer Befreiung zu wagen. — Herr- lich als Kunstwerk und interessant durch seinen Gegen- stand, ist diese knieende Bildsaͤule Philipps von Villiers l'Jsle Adam, desselben Großmeisters des Johanniter- Ordens, der bei der beruͤhmten Belagerung von Rho- dus, durch Tapferkeit und Klugheit 200000 Tuͤrken wi- derstand, bis die Verraͤtherei seines Kanzlers Amaral ihn zur Uebergabe noͤthigte. Jhm schenkte Carl der Fuͤnfte Malta; als er starb, beweinten alle seine Ritter in ihm den Helden und Vater. Auf seinen Leichenstein grub man das schoͤne Lob: Hier ruht die Gluͤck- besiegende Tugend.
Mit Ehrfurcht betrete ich eine Kapelle, dem Wie- derhersteller der Kuͤnste, Franz dem Ersten geweiht. Der Leichnam dieses Biedermannes, so wie der seiner Gemahlin Claude de France, sind mit taͤuschender Wahr- heit in Marmor nachgeahmt, und die hier und dort angebrachten Reliefs interessiren durch treue Darstellung der Kleidertrachten und Kriegsgeraͤthe damaliger Zeit. Ueber dem von sechszehn jonischen Saͤulen getragenen Ge- baͤlke erblicket man abermals die Bildsaͤulen des koͤniglichen Paares, knieend, betend, von lieben Kindern umge- ben, und die steifen Hof- und Staatskleider machen einen grellen Abstich mit der Uniform des Todes da un- ten. — Noch einmal finde ich den Leichnam von da Vinci's Koͤniglichem Freunde, kunstreich abgebildet in weißem Marmor, und mache leider die Erfahrung, daß schon im sechszehnten Jahrhunderte der Knaben- muthwille des Ehrgeizes eben so rege war als heutzu- tage, durch Bekritzeln mit obscuren Namen die heiligsten Denkmaͤler zu entweihen. Da haben z. B. ein Hugues Bétauld im Jahr 1580., ein Lormel 1584., u. a. m.
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einen Versuch zu ihrer Befreiung zu wagen. — Herr-
lich als Kunstwerk und interessant durch seinen Gegen-
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l'Jsle Adam, desselben Großmeisters des Johanniter-
Ordens, der bei der beruͤhmten Belagerung von Rho-
dus, durch Tapferkeit und Klugheit 200000 Tuͤrken wi-
derstand, bis die Verraͤtherei seines Kanzlers Amaral
ihn zur Uebergabe noͤthigte. Jhm schenkte Carl der
Fuͤnfte Malta; als er starb, beweinten alle seine Ritter
in ihm den Helden und Vater. Auf seinen Leichenstein
grub man das schoͤne Lob: Hier ruht die Gluͤck-
besiegende Tugend.
Mit Ehrfurcht betrete ich eine Kapelle, dem Wie-
derhersteller der Kuͤnste, Franz dem Ersten geweiht.
Der Leichnam dieses Biedermannes, so wie der seiner
Gemahlin Claude de France, sind mit taͤuschender Wahr-
heit in Marmor nachgeahmt, und die hier und dort
angebrachten Reliefs interessiren durch treue Darstellung
der Kleidertrachten und Kriegsgeraͤthe damaliger Zeit.
Ueber dem von sechszehn jonischen Saͤulen getragenen Ge-
baͤlke erblicket man abermals die Bildsaͤulen des koͤniglichen
Paares, knieend, betend, von lieben Kindern umge-
ben, und die steifen Hof- und Staatskleider machen
einen grellen Abstich mit der Uniform des Todes da un-
ten. — Noch einmal finde ich den Leichnam von da
Vinci's Koͤniglichem Freunde, kunstreich abgebildet in
weißem Marmor, und mache leider die Erfahrung,
daß schon im sechszehnten Jahrhunderte der Knaben-
muthwille des Ehrgeizes eben so rege war als heutzu-
tage, durch Bekritzeln mit obscuren Namen die heiligsten
Denkmaͤler zu entweihen. Da haben z. B. ein Hugues
Bétauld im Jahr 1580., ein Lormel 1584., u. a. m.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/132>, abgerufen am 08.07.2024.
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