Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.Gotha einen Ueberfluß hat. Jhre Vorsteherinnen sind Es gehört in der That mehr Kraft dazu, als man Frankfurt am Main. Sie erwarten doch wohl nicht, daß ich Jhnen den Rö- Gotha einen Ueberfluß hat. Jhre Vorsteherinnen sind Es gehoͤrt in der That mehr Kraft dazu, als man Frankfurt am Main. Sie erwarten doch wohl nicht, daß ich Jhnen den Roͤ- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0013" n="9"/> Gotha einen Ueberfluß hat. Jhre Vorsteherinnen sind<lb/> Theils Deutsche, Theils Franzoͤsische Damen, und sie<lb/> haben den <hi rendition="#g">fuͤr Frauenzimmer</hi> großen Nachtheil, daß<lb/> Adelige und Unadelige mit einander auf gleichem Fuß er-<lb/> zogen werden. Natuͤrlich schmiegen die jungen Gemuͤther<lb/> sich leicht aneinander, und die <hi rendition="#g">kleine Comtesse</hi> fragt<lb/> noch nicht, ob der Vater ihrer Busenfreundin nur ein Se-<lb/> kretair ist. Aber die <hi rendition="#g">erwachsene</hi> Comtesse denkt ge-<lb/> woͤhnlich anders, oder tritt wenigstens in andere Verhaͤlt-<lb/> nisse, die sie noͤthigen, sich von der Gespielin ihrer Ju-<lb/> gend zuruͤckzuziehen; das thut denn natuͤrlich der Unade-<lb/> ligen weh, das macht sie ungluͤcklich. Sie, die vielleicht<lb/> bestimmt ist, die kleine enge Wirthschaft eines buͤrgerli-<lb/> chen Kanzelisten zu fuͤhren, tritt aus einem frohen klaͤnzenden<lb/> Cirkel, wo sie Arm in Arm mit Graͤfinnen und Baronessen<lb/> das Leben durchflatterte, in die stille beschraͤnkte Wohnung<lb/> eines Gatten, der sich tief buͤckt, wenn eine der vormaligen<lb/> Jugendfreundinnen seiner Gattin an ihm voruͤber faͤhrt.</p><lb/> <p>Es gehoͤrt in der That mehr Kraft dazu, als man<lb/> bei einem Maͤdchen gewoͤhnlich voraussetzen darf, um sich<lb/> ohne Murren und Seufzen in das beschraͤnktere Verhaͤlt-<lb/> niß zu finden. — Auch wenn sie <hi rendition="#g">nicht</hi> heirathet, wird<lb/> ihr selten das Haus ihrer Eltern wieder das werden, was<lb/> es vormals war. Kurz, diese gemischten Jnstitute sind<lb/> faͤhig, den Keim einer Untugend zu entwickeln, der ohne-<lb/> hin bey Frauenzimmern leichter gedeiht, als bei Maͤnnern,<lb/> ich meine den <hi rendition="#g">Neid.</hi></p><lb/> <p>Frankfurt am Main.</p><lb/> <p>Sie erwarten doch wohl nicht, daß ich Jhnen den <hi rendition="#g">Roͤ-<lb/> mer</hi> beschreiben soll, auf welchem der neue Kaiser zu spei-<lb/> sen pflegt? oder die goldene Bulle? oder die Pantoffeln<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [9/0013]
Gotha einen Ueberfluß hat. Jhre Vorsteherinnen sind
Theils Deutsche, Theils Franzoͤsische Damen, und sie
haben den fuͤr Frauenzimmer großen Nachtheil, daß
Adelige und Unadelige mit einander auf gleichem Fuß er-
zogen werden. Natuͤrlich schmiegen die jungen Gemuͤther
sich leicht aneinander, und die kleine Comtesse fragt
noch nicht, ob der Vater ihrer Busenfreundin nur ein Se-
kretair ist. Aber die erwachsene Comtesse denkt ge-
woͤhnlich anders, oder tritt wenigstens in andere Verhaͤlt-
nisse, die sie noͤthigen, sich von der Gespielin ihrer Ju-
gend zuruͤckzuziehen; das thut denn natuͤrlich der Unade-
ligen weh, das macht sie ungluͤcklich. Sie, die vielleicht
bestimmt ist, die kleine enge Wirthschaft eines buͤrgerli-
chen Kanzelisten zu fuͤhren, tritt aus einem frohen klaͤnzenden
Cirkel, wo sie Arm in Arm mit Graͤfinnen und Baronessen
das Leben durchflatterte, in die stille beschraͤnkte Wohnung
eines Gatten, der sich tief buͤckt, wenn eine der vormaligen
Jugendfreundinnen seiner Gattin an ihm voruͤber faͤhrt.
Es gehoͤrt in der That mehr Kraft dazu, als man
bei einem Maͤdchen gewoͤhnlich voraussetzen darf, um sich
ohne Murren und Seufzen in das beschraͤnktere Verhaͤlt-
niß zu finden. — Auch wenn sie nicht heirathet, wird
ihr selten das Haus ihrer Eltern wieder das werden, was
es vormals war. Kurz, diese gemischten Jnstitute sind
faͤhig, den Keim einer Untugend zu entwickeln, der ohne-
hin bey Frauenzimmern leichter gedeiht, als bei Maͤnnern,
ich meine den Neid.
Frankfurt am Main.
Sie erwarten doch wohl nicht, daß ich Jhnen den Roͤ-
mer beschreiben soll, auf welchem der neue Kaiser zu spei-
sen pflegt? oder die goldene Bulle? oder die Pantoffeln
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