Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802.Denn wer des ängstlichen Vergessens Raub Entsagt wohl je des Daseyns bangem Glück, Steigt wohl hinunter in den kalten Staub, Und wirft nicht zaudernd einen Blick zurück? Umsinkend lehnen wir an Freundesbrust, Erblindend tappen wir nach Freundeshand. Auch in der Urne glüht noch Lebenslust, Fort in der Asche glimmt der Hoffnung Brand -- -- Und du, der hier in schlichtem Liede preist, Was sonst zu preisen nie das Lied gewagt, Vielleicht, wenn einst ein dir verwandter Geist Hieher verirrend sehnend nach dir fragt, Dass dann der grauen Hüttner einer spricht: "Wir sahn ihn öfter in der Dämmrung Graun "Den Berg erklimmen, der das Echo bricht, "Und stieren Augs der Sonn' entgegen schaun. "Dort unterm Buchbaum, an des Bächleins Rand, "Wo Schatten winkt und grüne kühle Ruh, "Warf er sich hin im schwülen Mittagsbrand "Und sah des Bächleins Rieseln sinnig zu. "Oft irrt' er murmelnd längst des Haynes Saum, "Bleich wie die Liebe, wie der Gram gebückt. "Itzt fuhr er auf, wie aus dem tiefsten Traum, "Itzt starrt' er hin, als wär' sein Geist verzückt. Denn wer des ängstlichen Vergessens Raub Entsagt wohl je des Daseyns bangem Glück, Steigt wohl hinunter in den kalten Staub, Und wirft nicht zaudernd einen Blick zurück? Umsinkend lehnen wir an Freundesbrust, Erblindend tappen wir nach Freundeshand. Auch in der Urne glüht noch Lebenslust, Fort in der Asche glimmt der Hoffnung Brand — — Und du, der hier in schlichtem Liede preist, Was sonst zu preisen nie das Lied gewagt, Vielleicht, wenn einst ein dir verwandter Geist Hieher verirrend sehnend nach dir fragt, Daſs dann der grauen Hüttner einer spricht: „Wir sahn ihn öfter in der Dämmrung Graun „Den Berg erklimmen, der das Echo bricht, „Und stieren Augs der Sonn' entgegen schaun. „Dort unterm Buchbaum, an des Bächleins Rand, „Wo Schatten winkt und grüne kühle Ruh, „Warf er sich hin im schwülen Mittagsbrand „Und sah des Bächleins Rieseln sinnig zu. „Oft irrt' er murmelnd längst des Haynes Saum, „Bleich wie die Liebe, wie der Gram gebückt. „Itzt fuhr er auf, wie aus dem tiefsten Traum, „Itzt starrt' er hin, als wär' sein Geist verzückt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0072" n="52"/> <lg n="22"> <l>Denn wer des ängstlichen Vergessens Raub</l><lb/> <l>Entsagt wohl je des Daseyns bangem Glück,</l><lb/> <l>Steigt wohl hinunter in den kalten Staub,</l><lb/> <l>Und wirft nicht zaudernd einen Blick zurück?</l> </lg><lb/> <lg n="23"> <l>Umsinkend lehnen wir an Freundesbrust,</l><lb/> <l>Erblindend tappen wir nach Freundeshand.</l><lb/> <l>Auch in der Urne glüht noch Lebenslust,</l><lb/> <l>Fort in der Asche glimmt der Hoffnung Brand — —</l> </lg><lb/> <lg n="24"> <l>Und du, der hier in schlichtem Liede preist,</l><lb/> <l>Was sonst zu preisen nie das Lied gewagt,</l><lb/> <l>Vielleicht, wenn einst ein dir verwandter Geist</l><lb/> <l>Hieher verirrend sehnend nach dir fragt,</l> </lg><lb/> <lg n="25"> <l>Daſs dann der grauen Hüttner einer spricht:</l><lb/> <l>„Wir sahn ihn öfter in der Dämmrung Graun</l><lb/> <l>„Den Berg erklimmen, der das Echo bricht,</l><lb/> <l>„Und stieren Augs der Sonn' entgegen schaun.</l> </lg><lb/> <lg n="26"> <l>„Dort unterm Buchbaum, an des Bächleins Rand,</l><lb/> <l>„Wo Schatten winkt und grüne kühle Ruh,</l><lb/> <l>„Warf er sich hin im schwülen Mittagsbrand</l><lb/> <l>„Und sah des Bächleins Rieseln sinnig zu.</l> </lg><lb/> <lg n="27"> <l>„Oft irrt' er murmelnd längst des Haynes Saum,</l><lb/> <l>„Bleich wie die Liebe, wie der Gram gebückt.</l><lb/> <l>„Itzt fuhr er auf, wie aus dem tiefsten Traum,</l><lb/> <l>„Itzt starrt' er hin, als wär' sein Geist verzückt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0072]
Denn wer des ängstlichen Vergessens Raub
Entsagt wohl je des Daseyns bangem Glück,
Steigt wohl hinunter in den kalten Staub,
Und wirft nicht zaudernd einen Blick zurück?
Umsinkend lehnen wir an Freundesbrust,
Erblindend tappen wir nach Freundeshand.
Auch in der Urne glüht noch Lebenslust,
Fort in der Asche glimmt der Hoffnung Brand — —
Und du, der hier in schlichtem Liede preist,
Was sonst zu preisen nie das Lied gewagt,
Vielleicht, wenn einst ein dir verwandter Geist
Hieher verirrend sehnend nach dir fragt,
Daſs dann der grauen Hüttner einer spricht:
„Wir sahn ihn öfter in der Dämmrung Graun
„Den Berg erklimmen, der das Echo bricht,
„Und stieren Augs der Sonn' entgegen schaun.
„Dort unterm Buchbaum, an des Bächleins Rand,
„Wo Schatten winkt und grüne kühle Ruh,
„Warf er sich hin im schwülen Mittagsbrand
„Und sah des Bächleins Rieseln sinnig zu.
„Oft irrt' er murmelnd längst des Haynes Saum,
„Bleich wie die Liebe, wie der Gram gebückt.
„Itzt fuhr er auf, wie aus dem tiefsten Traum,
„Itzt starrt' er hin, als wär' sein Geist verzückt.
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Zitationshilfe: | Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen03_1802/72>, abgerufen am 16.02.2025. |