Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802.Himmel und Erde vergehn! Nimmer vergehet das Ich! -- Ha, wenn das Ich verginge, Was wäre diess nichtige Seyn? Eines Traumes Schatten, Geträumt im zweifelnden Zwielicht, Zerschwunden mit des Tages Dämmerung, Wäre diess nichtige Seyn! Ärmer noch wär' ich, als der Halm und das Gras; Verächtlicher noch, als der Kiesel der Gasse. Des Daseyns Entzücken empfanden sie nicht; Dein Grauen Vernichtung empfinden sie nimmer. Ach, wenn ich ewig nicht wäre, So ächzt' ich dem kommenden Tag' Entgegen, so ächzt' ich, käme die Nacht, Und verhüllte mich, und schwiege ver- traurend. So würd' ich unter die Blumen des Frühlings Mich strecken, und die Blume beneiden. Du, o blühende Erde, däuchtest mir ein offnes Grab; Die Menschen zerfliessende Schatten. Himmel und Erde vergehn! Nimmer vergehet das Ich! — Ha, wenn das Ich verginge, Was wäre dieſs nichtige Seyn? Eines Traumes Schatten, Geträumt im zweifelnden Zwielicht, Zerschwunden mit des Tages Dämmerung, Wäre dieſs nichtige Seyn! Ärmer noch wär' ich, als der Halm und das Gras; Verächtlicher noch, als der Kiesel der Gasse. Des Daseyns Entzücken empfanden sie nicht; Dein Grauen Vernichtung empfinden sie nimmer. Ach, wenn ich ewig nicht wäre, So ächzt' ich dem kommenden Tag' Entgegen, so ächzt' ich, käme die Nacht, Und verhüllte mich, und schwiege ver- traurend. So würd' ich unter die Blumen des Frühlings Mich strecken, und die Blume beneiden. Du, o blühende Erde, däuchtest mir ein offnes Grab; Die Menschen zerfliessende Schatten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0275" n="249"/> <lg n="8"> <l>Himmel und Erde vergehn!</l><lb/> <l>Nimmer vergehet das Ich! —</l><lb/> <l>Ha, wenn das Ich verginge,</l><lb/> <l>Was wäre dieſs nichtige Seyn?</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Eines Traumes Schatten,</l><lb/> <l>Geträumt im zweifelnden Zwielicht,</l><lb/> <l>Zerschwunden mit des Tages Dämmerung,</l><lb/> <l>Wäre dieſs nichtige Seyn!</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Ärmer noch wär' ich, als der Halm und das Gras;</l><lb/> <l>Verächtlicher noch, als der Kiesel der Gasse.</l><lb/> <l>Des Daseyns Entzücken empfanden sie</l><lb/> <l>nicht;</l><lb/> <l>Dein Grauen Vernichtung empfinden sie</l><lb/> <l>nimmer.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Ach, wenn ich ewig nicht wäre,</l><lb/> <l>So ächzt' ich dem kommenden Tag'</l><lb/> <l>Entgegen, so ächzt' ich, käme die Nacht,</l><lb/> <l>Und verhüllte mich, und schwiege ver-<lb/> traurend.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>So würd' ich unter die Blumen des Frühlings</l><lb/> <l>Mich strecken, und die Blume beneiden.</l><lb/> <l>Du, o blühende Erde, däuchtest mir ein</l><lb/> <l>offnes Grab;</l><lb/> <l>Die Menschen zerfliessende Schatten.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [249/0275]
Himmel und Erde vergehn!
Nimmer vergehet das Ich! —
Ha, wenn das Ich verginge,
Was wäre dieſs nichtige Seyn?
Eines Traumes Schatten,
Geträumt im zweifelnden Zwielicht,
Zerschwunden mit des Tages Dämmerung,
Wäre dieſs nichtige Seyn!
Ärmer noch wär' ich, als der Halm und das Gras;
Verächtlicher noch, als der Kiesel der Gasse.
Des Daseyns Entzücken empfanden sie
nicht;
Dein Grauen Vernichtung empfinden sie
nimmer.
Ach, wenn ich ewig nicht wäre,
So ächzt' ich dem kommenden Tag'
Entgegen, so ächzt' ich, käme die Nacht,
Und verhüllte mich, und schwiege ver-
traurend.
So würd' ich unter die Blumen des Frühlings
Mich strecken, und die Blume beneiden.
Du, o blühende Erde, däuchtest mir ein
offnes Grab;
Die Menschen zerfliessende Schatten.
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