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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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Säuselt in weissen Locken um deine gesunkene
Schläfe;
Jener Schimmer erlischt; jenes Gelispel
erstummt.
Wanderer kommen und fragen: "Wo ist die Blume
der Schönheit,
"Welche mit Blüthen und Duft schmückte
das funkelnde Feld?"
Wandrer, sie ist nicht mehr; sie schläft den eiser-
nen Schlummer.
Ihren schlanken Halm knickten die Stürme;
der Duft
Ihres Kelches zerfloss in die Lüfte des Himmels;
die Blätter
Flattern am Boden verstreut, treiben im
Sturmwind umher.
Also ist das Loos der Erdenschöne gefal-
len.
"Blüh' und welk' und stirb!" sprach das
Verhängniss zum Staub.
Trauerst du darum, Geliebte? Nein, traure nicht,
meine Minona!
Sprossen, blühen, verblühn möge die Schöne
des Staubs.
Eine Schöne giebt es, die nimmer verwelkt noch
verduftet.
Eine Jugend, die nie kränkelt, noch altert,
noch stirbt.

F 2

Säuselt in weissen Locken um deine gesunkene
Schläfe;
Jener Schimmer erlischt; jenes Gelispel
erstummt.
Wanderer kommen und fragen: „Wo ist die Blume
der Schönheit,
„Welche mit Blüthen und Duft schmückte
das funkelnde Feld?“
Wandrer, sie ist nicht mehr; sie schläft den eiser-
nen Schlummer.
Ihren schlanken Halm knickten die Stürme;
der Duft
Ihres Kelches zerfloss in die Lüfte des Himmels;
die Blätter
Flattern am Boden verstreut, treiben im
Sturmwind umher.
Also ist das Loos der Erdenschöne gefal-
len.
„Blüh' und welk' und stirb!“ sprach das
Verhängniss zum Staub.
Trauerst du darum, Geliebte? Nein, traure nicht,
meine Minona!
Sprossen, blühen, verblühn möge die Schöne
des Staubs.
Eine Schöne giebt es, die nimmer verwelkt noch
verduftet.
Eine Jugend, die nie kränkelt, noch altert,
noch stirbt.

F 2
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[83/0099] Säuselt in weissen Locken um deine gesunkene Schläfe; Jener Schimmer erlischt; jenes Gelispel erstummt. Wanderer kommen und fragen: „Wo ist die Blume der Schönheit, „Welche mit Blüthen und Duft schmückte das funkelnde Feld?“ Wandrer, sie ist nicht mehr; sie schläft den eiser- nen Schlummer. Ihren schlanken Halm knickten die Stürme; der Duft Ihres Kelches zerfloss in die Lüfte des Himmels; die Blätter Flattern am Boden verstreut, treiben im Sturmwind umher. Also ist das Loos der Erdenschöne gefal- len. „Blüh' und welk' und stirb!“ sprach das Verhängniss zum Staub. Trauerst du darum, Geliebte? Nein, traure nicht, meine Minona! Sprossen, blühen, verblühn möge die Schöne des Staubs. Eine Schöne giebt es, die nimmer verwelkt noch verduftet. Eine Jugend, die nie kränkelt, noch altert, noch stirbt. F 2

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798/99>, abgerufen am 26.04.2024.