Getragen von dem Fittig der Gedanken, Gehoben von der Welle der Begier, Entschwingt der freye Geist sich kühn des Raumes Schranken, Und pflegt Vertraulichkeit mit dir.
Doch ach, wenn ich nun wirklich zu dir fliege, So überwältigt mich geheimes Graun. Der Blöde wagt es nicht, die seelenvollen Züge, Das klare Antlitz anzuschaun.
Mein Blick bebt bange vor dem deinen nieder. Von ferne steh' ich träumend. Jedes Wort, Das dir entsäuselt, klingt aus meinem Innern wieder, Ein liebelispelnder Accord.
Wenn im Vorüberfliehn dein Kleid mich streifet, Dein irrend Auge meines blinzelnd fasst, Dein himmelheller Blick den meinigen ergreifet, So stockt die Rede. Wechselnd blasst
Und feuert mir die Wange. Nebel flirren Vor meinen Augen; jeder Umriss schwankt, Es schwindelt der Begriff in ausganglosen Irren, Und rings die Feste rollt und wankt.
Getragen von dem Fittig der Gedanken, Gehoben von der Welle der Begier, Entschwingt der freye Geist sich kühn des Raumes Schranken, Und pflegt Vertraulichkeit mit dir.
Doch ach, wenn ich nun wirklich zu dir fliege, So überwältigt mich geheimes Graun. Der Blöde wagt es nicht, die seelenvollen Züge, Das klare Antlitz anzuschaun.
Mein Blick bebt bange vor dem deinen nieder. Von ferne steh' ich träumend. Jedes Wort, Das dir entsäuselt, klingt aus meinem Innern wieder, Ein liebelispelnder Accord.
Wenn im Vorüberfliehn dein Kleid mich streifet, Dein irrend Auge meines blinzelnd fasst, Dein himmelheller Blick den meinigen ergreifet, So stockt die Rede. Wechselnd blasst
Und feuert mir die Wange. Nebel flirren Vor meinen Augen; jeder Umriss schwankt, Es schwindelt der Begriff in ausganglosen Irren, Und rings die Feste rollt und wankt.
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Getragen von dem Fittig der Gedanken,
Gehoben von der Welle der Begier,
Entschwingt der freye Geist sich kühn des Raumes
Schranken,
Und pflegt Vertraulichkeit mit dir.
Doch ach, wenn ich nun wirklich zu dir
fliege,
So überwältigt mich geheimes Graun.
Der Blöde wagt es nicht, die seelenvollen Züge,
Das klare Antlitz anzuschaun.
Mein Blick bebt bange vor dem deinen nieder.
Von ferne steh' ich träumend. Jedes Wort,
Das dir entsäuselt, klingt aus meinem Innern
wieder,
Ein liebelispelnder Accord.
Wenn im Vorüberfliehn dein Kleid mich streifet,
Dein irrend Auge meines blinzelnd fasst,
Dein himmelheller Blick den meinigen ergreifet,
So stockt die Rede. Wechselnd blasst
Und feuert mir die Wange. Nebel flirren
Vor meinen Augen; jeder Umriss schwankt,
Es schwindelt der Begriff in ausganglosen Irren,
Und rings die Feste rollt und wankt.
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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798/215>, abgerufen am 16.02.2025.
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