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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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Schwärmend rief ichs, und die Edle blickte
Schweigend mir ins Auge. Schweigend drückte
Sie die Hand mir. Und vom süssen Schmerz
Überwältigt, sank die Tadellose,
Eine blasse sturmgebeugte Rose,
Angesichts des Weltalls mir ans Herz.
Horch, da wandelte das Angstgestöhne
Plötzlich sich in Hymenäentöne.
Brautgesänge schallten Chor um Chor.
Töne, wie sie Dulon nie entquollen,
Wie sie Franklins Glocken nie entschwollen,
Schlichen schmelzend in mein trunknes Ohr.
Von der Sterne Schimmerlicht umflossen,
Von der Locken Goldgewölk umgossen,
Lag die Edle athmend mir im Arm.
Weggeschwemmt war aus dem selgen Herzen,
Das an ihrem schlug, die Fluth der Schmerzen,
Weggewaschen jeder alte Harm.
Eine grosse, selige Minute
Hielt ich so das Schöne und das Gute
Angeschmiegt an die getreue Brust.
Aber ach, der beerenreichen Trauben
Keine dem gewünschten Baum zu rauben,
War zu lockend die verbotne Lust.

Schwärmend rief ichs, und die Edle blickte
Schweigend mir ins Auge. Schweigend drückte
Sie die Hand mir. Und vom süssen Schmerz
Überwältigt, sank die Tadellose,
Eine blasse sturmgebeugte Rose,
Angesichts des Weltalls mir ans Herz.
Horch, da wandelte das Angstgestöhne
Plötzlich sich in Hymenäentöne.
Brautgesänge schallten Chor um Chor.
Töne, wie sie Dulon nie entquollen,
Wie sie Franklins Glocken nie entschwollen,
Schlichen schmelzend in mein trunknes Ohr.
Von der Sterne Schimmerlicht umflossen,
Von der Locken Goldgewölk umgossen,
Lag die Edle athmend mir im Arm.
Weggeschwemmt war aus dem selgen Herzen,
Das an ihrem schlug, die Fluth der Schmerzen,
Weggewaschen jeder alte Harm.
Eine grosse, selige Minute
Hielt ich so das Schöne und das Gute
Angeschmiegt an die getreue Brust.
Aber ach, der beerenreichen Trauben
Keine dem gewünschten Baum zu rauben,
War zu lockend die verbotne Lust.

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[194/0212] Schwärmend rief ichs, und die Edle blickte Schweigend mir ins Auge. Schweigend drückte Sie die Hand mir. Und vom süssen Schmerz Überwältigt, sank die Tadellose, Eine blasse sturmgebeugte Rose, Angesichts des Weltalls mir ans Herz. Horch, da wandelte das Angstgestöhne Plötzlich sich in Hymenäentöne. Brautgesänge schallten Chor um Chor. Töne, wie sie Dulon nie entquollen, Wie sie Franklins Glocken nie entschwollen, Schlichen schmelzend in mein trunknes Ohr. Von der Sterne Schimmerlicht umflossen, Von der Locken Goldgewölk umgossen, Lag die Edle athmend mir im Arm. Weggeschwemmt war aus dem selgen Herzen, Das an ihrem schlug, die Fluth der Schmerzen, Weggewaschen jeder alte Harm. Eine grosse, selige Minute Hielt ich so das Schöne und das Gute Angeschmiegt an die getreue Brust. Aber ach, der beerenreichen Trauben Keine dem gewünschten Baum zu rauben, War zu lockend die verbotne Lust.

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798/212>, abgerufen am 26.04.2024.