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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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Saht ihr ein Laster drin? Vom Strand der
freyen Hylde
Kam ich zu euch mit ungebrochnem Muth.
Noch ungebändigt war des Jünglings Trotz und Wilde,
Noch unverlodert seine Gluth.
Ich irrt' umher und sucht' und las mir manche Blume
In unsrer grossen Mutter mildem Schooss;
Und sieh! im Grazienhayn, in Eros Heiligthume
Spross mir die Eine hold und gross.
Und ich gewann sie lieb. Ich barg sie vor dem
Wüthen
Des Mittagstrahls, vor Frost und Hagelschlag.
Und höher schoss ihr Halm, und tausendblättrig mühten
Sich ihre Blüthen an den Tag.
Ich hing mein Herz an sie. Doch fort ist meine
Blume,
Und ich verlasse nun den öden Ort.
Vom Hain Uraniens, aus Eros Heiligthume
Ist meine schöne Blume fort.
Ich mag nun auch nicht weilen. Lebet wohl Gefilde,
Ihr Kinder der Natur, so lieb, so voll!
Die Nachtigall kommt' itzt zu euch, und Frühlings-
milde --
Ich aber gehe -- Lebet wohl!
Saht ihr ein Laster drin? Vom Strand der
freyen Hylde
Kam ich zu euch mit ungebrochnem Muth.
Noch ungebändigt war des Jünglings Trotz und Wilde,
Noch unverlodert seine Gluth.
Ich irrt' umher und sucht' und las mir manche Blume
In unsrer groſsen Mutter mildem Schooſs;
Und sieh! im Grazienhayn, in Eros Heiligthume
Sproſs mir die Eine hold und groſs.
Und ich gewann sie lieb. Ich barg sie vor dem
Wüthen
Des Mittagstrahls, vor Frost und Hagelschlag.
Und höher schoſs ihr Halm, und tausendblättrig mühten
Sich ihre Blüthen an den Tag.
Ich hing mein Herz an sie. Doch fort ist meine
Blume,
Und ich verlasse nun den öden Ort.
Vom Hain Uraniens, aus Eros Heiligthume
Ist meine schöne Blume fort.
Ich mag nun auch nicht weilen. Lebet wohl Gefilde,
Ihr Kinder der Natur, so lieb, so voll!
Die Nachtigall kommt' itzt zu euch, und Frühlings-
milde —
Ich aber gehe — Lebet wohl!
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[363/0409] Saht ihr ein Laster drin? Vom Strand der freyen Hylde Kam ich zu euch mit ungebrochnem Muth. Noch ungebändigt war des Jünglings Trotz und Wilde, Noch unverlodert seine Gluth. Ich irrt' umher und sucht' und las mir manche Blume In unsrer groſsen Mutter mildem Schooſs; Und sieh! im Grazienhayn, in Eros Heiligthume Sproſs mir die Eine hold und groſs. Und ich gewann sie lieb. Ich barg sie vor dem Wüthen Des Mittagstrahls, vor Frost und Hagelschlag. Und höher schoſs ihr Halm, und tausendblättrig mühten Sich ihre Blüthen an den Tag. Ich hing mein Herz an sie. Doch fort ist meine Blume, Und ich verlasse nun den öden Ort. Vom Hain Uraniens, aus Eros Heiligthume Ist meine schöne Blume fort. Ich mag nun auch nicht weilen. Lebet wohl Gefilde, Ihr Kinder der Natur, so lieb, so voll! Die Nachtigall kommt' itzt zu euch, und Frühlings- milde — Ich aber gehe — Lebet wohl!

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/409>, abgerufen am 26.11.2024.