Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.Er sandt' ihr noch einmal den sorgenden Blick Ins Antlitz, und bebt' -- o Schrecken! -- zurück. Ihr rosiges Antlitz -- die Rose verschwand -- War bleich, wie ein linnenes Todtengewand. Es rann ihm, wie Regen, den Rücken ent- lang. Die Nachtigall flötet' ihm Leichengesang. Es hauchten die Blüthen ihm Moder und Graus, Und grauenvoll führt' er Schön Hedchen nach Haus. Und bald, als Schön Hedchen im Lager sich barg, Da rollt' ihr die Krankheit durch Adern und Mark. Wie neigte die Blum' ihr traurendes Haupt, Des lebenden Glanzes und Duftes beraubt! Die Mitternacht kam. Es entschwand ihr die Kraft. Sie lag auf dem Lager erschöpft und erschlafft. Her wehte der Morgen, von Rosen umglüht; Da war ihr die Ros' im Antlitz verblüht. "Wie schmückst du dich, Morgen, in bräutli- cher Pracht! "Mir winkt, mich umhüllt schon die ängstliche Tracht. "Wie schön dir die Rosen im Angesicht glühn! "O weh, dass die meinen so frühe verblühn! Er sandt' ihr noch einmal den sorgenden Blick Ins Antlitz, und bebt' — o Schrecken! — zurück. Ihr rosiges Antlitz — die Rose verschwand — War bleich, wie ein linnenes Todtengewand. Es rann ihm, wie Regen, den Rücken ent- lang. Die Nachtigall flötet' ihm Leichengesang. Es hauchten die Blüthen ihm Moder und Graus, Und grauenvoll führt' er Schön Hedchen nach Haus. Und bald, als Schön Hedchen im Lager sich barg, Da rollt' ihr die Krankheit durch Adern und Mark. Wie neigte die Blum' ihr traurendes Haupt, Des lebenden Glanzes und Duftes beraubt! Die Mitternacht kam. Es entschwand ihr die Kraft. Sie lag auf dem Lager erschöpft und erschlafft. Her wehte der Morgen, von Rosen umglüht; Da war ihr die Ros' im Antlitz verblüht. „Wie schmückst du dich, Morgen, in bräutli- cher Pracht! „Mir winkt, mich umhüllt schon die ängstliche Tracht. „Wie schön dir die Rosen im Angesicht glühn! „O weh, daſs die meinen so frühe verblühn! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0259" n="217"/> <lg n="23"> <l>Er sandt' ihr noch einmal den sorgenden Blick</l><lb/> <l>Ins Antlitz, und bebt' — o Schrecken! — zurück.</l><lb/> <l>Ihr rosiges Antlitz — die Rose verschwand —</l><lb/> <l>War bleich, wie ein linnenes Todtengewand.</l> </lg><lb/> <lg n="24"> <l>Es rann ihm, wie Regen, den Rücken ent-</l><lb/> <l>lang.</l><lb/> <l>Die Nachtigall flötet' ihm Leichengesang.</l><lb/> <l>Es hauchten die Blüthen ihm Moder und Graus,</l><lb/> <l>Und grauenvoll führt' er Schön Hedchen nach Haus.</l> </lg><lb/> <lg n="25"> <l>Und bald, als Schön Hedchen im Lager sich</l><lb/> <l>barg,</l><lb/> <l>Da rollt' ihr die Krankheit durch Adern und Mark.</l><lb/> <l>Wie neigte die Blum' ihr traurendes Haupt,</l><lb/> <l>Des lebenden Glanzes und Duftes beraubt!</l> </lg><lb/> <lg n="26"> <l>Die Mitternacht kam. Es entschwand ihr die</l><lb/> <l>Kraft.</l><lb/> <l>Sie lag auf dem Lager erschöpft und erschlafft.</l><lb/> <l>Her wehte der Morgen, von Rosen umglüht;</l><lb/> <l>Da war ihr die Ros' im Antlitz verblüht.</l> </lg><lb/> <lg n="27"> <l>„Wie schmückst du dich, Morgen, in bräutli-</l><lb/> <l>cher Pracht!</l><lb/> <l>„Mir winkt, mich umhüllt schon die ängstliche Tracht.</l><lb/> <l>„Wie schön dir die Rosen im Angesicht glühn!</l><lb/> <l>„O weh, daſs die meinen so frühe verblühn!</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [217/0259]
Er sandt' ihr noch einmal den sorgenden Blick
Ins Antlitz, und bebt' — o Schrecken! — zurück.
Ihr rosiges Antlitz — die Rose verschwand —
War bleich, wie ein linnenes Todtengewand.
Es rann ihm, wie Regen, den Rücken ent-
lang.
Die Nachtigall flötet' ihm Leichengesang.
Es hauchten die Blüthen ihm Moder und Graus,
Und grauenvoll führt' er Schön Hedchen nach Haus.
Und bald, als Schön Hedchen im Lager sich
barg,
Da rollt' ihr die Krankheit durch Adern und Mark.
Wie neigte die Blum' ihr traurendes Haupt,
Des lebenden Glanzes und Duftes beraubt!
Die Mitternacht kam. Es entschwand ihr die
Kraft.
Sie lag auf dem Lager erschöpft und erschlafft.
Her wehte der Morgen, von Rosen umglüht;
Da war ihr die Ros' im Antlitz verblüht.
„Wie schmückst du dich, Morgen, in bräutli-
cher Pracht!
„Mir winkt, mich umhüllt schon die ängstliche Tracht.
„Wie schön dir die Rosen im Angesicht glühn!
„O weh, daſs die meinen so frühe verblühn!
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