Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.Staub, Schatten, Traum, Gestern gerufen aus dem Nichts, Heute zurückgeworfen ins öde Nichts -- Der wär' ich! Ärmer noch wär' ich, als der Halm und das Gras; Verächtlicher noch, als der Kiesel der Gasse. Des Daseyns Entzücken empfanden sie nicht; Dein Grauen, Vernichtung, empfinden sie nimmer, nimmer. Ach, wenn ich ewig nicht wäre, So ächzt' ich dem kommenden Tag' Entgegen, so ächzt' ich, käme die Nacht, Und verhüllte mich, und schwiege verzweifelnd. So würd' ich unter die Blumen des Frühlings Mich schmiegen, mich krümmen, und die Blume beneiden. Du, o blühende Erde, däuchtest mir ein offenes Grab; Die Menschen zerfliessende Schatten. So würd' ich diese mächtige Kraft, Die du dem Endlichen gewährtest, Unendlicher, Ersticken in der Wollüste Taumel und Rausch, Damit mich nicht träfe der, Donnerge- danke: Vernichtung! Staub, Schatten, Traum, Gestern gerufen aus dem Nichts, Heute zurückgeworfen ins öde Nichts — Der wär' ich! Ärmer noch wär' ich, als der Halm und das Gras; Verächtlicher noch, als der Kiesel der Gasse. Des Daseyns Entzücken empfanden sie nicht; Dein Grauen, Vernichtung, empfinden sie nimmer, nimmer. Ach, wenn ich ewig nicht wäre, So ächzt' ich dem kommenden Tag' Entgegen, so ächzt' ich, käme die Nacht, Und verhüllte mich, und schwiege verzweifelnd. So würd' ich unter die Blumen des Frühlings Mich schmiegen, mich krümmen, und die Blume beneiden. Du, o blühende Erde, däuchtest mir ein offenes Grab; Die Menschen zerflieſsende Schatten. So würd' ich diese mächtige Kraft, Die du dem Endlichen gewährtest, Unendlicher, Ersticken in der Wollüste Taumel und Rausch, Damit mich nicht träfe der, Donnerge- danke: Vernichtung! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0141" n="101"/> <lg n="9"> <l>Staub, Schatten, Traum,</l><lb/> <l>Gestern gerufen aus dem Nichts,</l><lb/> <l>Heute zurückgeworfen ins öde Nichts —</l><lb/> <l>Der wär' ich!</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Ärmer noch wär' ich, als der Halm und das Gras;</l><lb/> <l>Verächtlicher noch, als der Kiesel der Gasse.</l><lb/> <l>Des Daseyns Entzücken empfanden sie nicht;</l><lb/> <l>Dein Grauen, Vernichtung, empfinden</l><lb/> <l>sie nimmer, nimmer.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Ach, wenn ich ewig nicht wäre,</l><lb/> <l>So ächzt' ich dem kommenden Tag'</l><lb/> <l>Entgegen, so ächzt' ich, käme die Nacht,</l><lb/> <l>Und verhüllte mich, und schwiege</l><lb/> <l>verzweifelnd.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>So würd' ich unter die Blumen des Frühlings</l><lb/> <l>Mich schmiegen, mich krümmen, und die Blume</l><lb/> <l>beneiden.</l><lb/> <l>Du, o blühende Erde, däuchtest mir ein</l><lb/> <l>offenes Grab;</l><lb/> <l>Die Menschen zerflieſsende Schatten.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>So würd' ich diese mächtige Kraft,</l><lb/> <l>Die du dem Endlichen gewährtest, Unendlicher,</l><lb/> <l>Ersticken in der Wollüste Taumel und Rausch,</l><lb/> <l>Damit mich nicht träfe der, Donnerge-</l><lb/> <l>danke: Vernichtung!</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0141]
Staub, Schatten, Traum,
Gestern gerufen aus dem Nichts,
Heute zurückgeworfen ins öde Nichts —
Der wär' ich!
Ärmer noch wär' ich, als der Halm und das Gras;
Verächtlicher noch, als der Kiesel der Gasse.
Des Daseyns Entzücken empfanden sie nicht;
Dein Grauen, Vernichtung, empfinden
sie nimmer, nimmer.
Ach, wenn ich ewig nicht wäre,
So ächzt' ich dem kommenden Tag'
Entgegen, so ächzt' ich, käme die Nacht,
Und verhüllte mich, und schwiege
verzweifelnd.
So würd' ich unter die Blumen des Frühlings
Mich schmiegen, mich krümmen, und die Blume
beneiden.
Du, o blühende Erde, däuchtest mir ein
offenes Grab;
Die Menschen zerflieſsende Schatten.
So würd' ich diese mächtige Kraft,
Die du dem Endlichen gewährtest, Unendlicher,
Ersticken in der Wollüste Taumel und Rausch,
Damit mich nicht träfe der, Donnerge-
danke: Vernichtung!
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