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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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Sey geadelt mit dem grossen Namen:
Menschenfreundin -- durch ihn edel g'nug,
Trüge gleich dein Schild nicht Helm und Fahnen,
Die er schon seit sieben Säkeln trug;
Wärst du gleich nicht aus des Helden Samen,
Der den Löwen in der Wüste schlug.
Menschenadel beugt nur Knie und Rücken,
Während, Edle, dir die Seelen selbst sich bücken.
Schonend decken seines Bruders Blösse,
Sorgsam kühlen rascher Jugend Gluth;
Muthig dulden harte Schicksalsstösse,
Gross verachten blinde Bubenwuth;
Giebet Seelenwerth und Geistesgrösse,
Zeugt von Edelsinn und Heldenblut.
Solchem Adel huldigt auch der Weise,
Huldigen des Dichters auserwähltste Preise.
Was ist Leibesschönheit? was ihr Prangen?
Was ist Lilienhals und ringelnd Haar?
Was sind Purpurlippen, Rosenwangen,
Schwanenbrust und schimmernd Augenpaar?
Blumen sind sie, gestern aufgegangen,
Heut verwelkt, verstoben morgen gar.
Unvergänglich sind des Geistes Schimmer;
Seine Blüthe welkt, sein Kelch verduftet nimmer
Sey geadelt mit dem groſsen Namen:
Menschenfreundin — durch ihn edel g'nug,
Trüge gleich dein Schild nicht Helm und Fahnen,
Die er schon seit sieben Säkeln trug;
Wärst du gleich nicht aus des Helden Samen,
Der den Löwen in der Wüste schlug.
Menschenadel beugt nur Knie und Rücken,
Während, Edle, dir die Seelen selbst sich bücken.
Schonend decken seines Bruders Blöſse,
Sorgsam kühlen rascher Jugend Gluth;
Muthig dulden harte Schicksalsstöſse,
Groſs verachten blinde Bubenwuth;
Giebet Seelenwerth und Geistesgröſse,
Zeugt von Edelsinn und Heldenblut.
Solchem Adel huldigt auch der Weise,
Huldigen des Dichters auserwähltste Preise.
Was ist Leibesschönheit? was ihr Prangen?
Was ist Lilienhals und ringelnd Haar?
Was sind Purpurlippen, Rosenwangen,
Schwanenbrust und schimmernd Augenpaar?
Blumen sind sie, gestern aufgegangen,
Heut verwelkt, verstoben morgen gar.
Unvergänglich sind des Geistes Schimmer;
Seine Blüthe welkt, sein Kelch verduftet nimmer
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[89/0129] Sey geadelt mit dem groſsen Namen: Menschenfreundin — durch ihn edel g'nug, Trüge gleich dein Schild nicht Helm und Fahnen, Die er schon seit sieben Säkeln trug; Wärst du gleich nicht aus des Helden Samen, Der den Löwen in der Wüste schlug. Menschenadel beugt nur Knie und Rücken, Während, Edle, dir die Seelen selbst sich bücken. Schonend decken seines Bruders Blöſse, Sorgsam kühlen rascher Jugend Gluth; Muthig dulden harte Schicksalsstöſse, Groſs verachten blinde Bubenwuth; Giebet Seelenwerth und Geistesgröſse, Zeugt von Edelsinn und Heldenblut. Solchem Adel huldigt auch der Weise, Huldigen des Dichters auserwähltste Preise. Was ist Leibesschönheit? was ihr Prangen? Was ist Lilienhals und ringelnd Haar? Was sind Purpurlippen, Rosenwangen, Schwanenbrust und schimmernd Augenpaar? Blumen sind sie, gestern aufgegangen, Heut verwelkt, verstoben morgen gar. Unvergänglich sind des Geistes Schimmer; Seine Blüthe welkt, sein Kelch verduftet nimmer

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/129>, abgerufen am 22.11.2024.