Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.Erdentöchter, Erdensöhne, Rühmet euch nicht eurer Schöne, Trotzet nicht auf eure Kraft. Jedes Daseyns Quell versieget, Jedes Athems Hauch verflieget, Jeder Stärke Nerv' erschlafft. Jüngling, dein gewaltig Leben, Deiner Kräfte rastlos Streben, Deines Stolzes Herrlichkeit Wird zerflattern. Starrend liegen Wirst du, fühllos für Vergnügen, Fühllos selbst für Lieb' und Leid. Mädchen, deiner Wangen Rosen Welken, und das süsse Kosen Deiner Purpurlippen schweigt. Deines Trittes Rehesschnelle Lähmt die Zeit. Die Frisch' und Helle Deines Angesichts verbleicht. Zeder, rausche nicht so prächtig Durch die Lüfte. Stark und mächtig Kommt der Sturm, der dich zerbricht. Steig', o Sonne! Sinke nieder! Einstens sinkst du, steigst nicht wieder, Kerzen gleich erlosch dein Licht. Erdentöchter, Erdensöhne, Rühmet euch nicht eurer Schöne, Trotzet nicht auf eure Kraft. Jedes Daseyns Quell versieget, Jedes Athems Hauch verflieget, Jeder Stärke Nerv' erschlafft. Jüngling, dein gewaltig Leben, Deiner Kräfte rastlos Streben, Deines Stolzes Herrlichkeit Wird zerflattern. Starrend liegen Wirst du, fühllos für Vergnügen, Fühllos selbst für Lieb' und Leid. Mädchen, deiner Wangen Rosen Welken, und das süſse Kosen Deiner Purpurlippen schweigt. Deines Trittes Rehesschnelle Lähmt die Zeit. Die Frisch' und Helle Deines Angesichts verbleicht. Zeder, rausche nicht so prächtig Durch die Lüfte. Stark und mächtig Kommt der Sturm, der dich zerbricht. Steig', o Sonne! Sinke nieder! Einstens sinkst du, steigst nicht wieder, Kerzen gleich erlosch dein Licht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0115" n="75"/> <lg n="3"> <l>Erdentöchter, Erdensöhne,</l><lb/> <l>Rühmet euch nicht eurer Schöne,</l><lb/> <l>Trotzet nicht auf eure Kraft.</l><lb/> <l>Jedes Daseyns Quell versieget,</l><lb/> <l>Jedes Athems Hauch verflieget,</l><lb/> <l>Jeder Stärke Nerv' erschlafft.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Jüngling, dein gewaltig Leben,</l><lb/> <l>Deiner Kräfte rastlos Streben,</l><lb/> <l>Deines Stolzes Herrlichkeit</l><lb/> <l>Wird zerflattern. Starrend liegen</l><lb/> <l>Wirst du, fühllos für Vergnügen,</l><lb/> <l>Fühllos selbst für Lieb' und Leid.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Mädchen, deiner Wangen Rosen</l><lb/> <l>Welken, und das süſse Kosen</l><lb/> <l>Deiner Purpurlippen schweigt.</l><lb/> <l>Deines Trittes Rehesschnelle</l><lb/> <l>Lähmt die Zeit. Die Frisch' und Helle</l><lb/> <l>Deines Angesichts verbleicht.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Zeder, rausche nicht so prächtig</l><lb/> <l>Durch die Lüfte. Stark und mächtig</l><lb/> <l>Kommt der Sturm, der dich zerbricht.</l><lb/> <l>Steig', o Sonne! Sinke nieder!</l><lb/> <l>Einstens sinkst du, steigst nicht wieder,</l><lb/> <l>Kerzen gleich erlosch dein Licht.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0115]
Erdentöchter, Erdensöhne,
Rühmet euch nicht eurer Schöne,
Trotzet nicht auf eure Kraft.
Jedes Daseyns Quell versieget,
Jedes Athems Hauch verflieget,
Jeder Stärke Nerv' erschlafft.
Jüngling, dein gewaltig Leben,
Deiner Kräfte rastlos Streben,
Deines Stolzes Herrlichkeit
Wird zerflattern. Starrend liegen
Wirst du, fühllos für Vergnügen,
Fühllos selbst für Lieb' und Leid.
Mädchen, deiner Wangen Rosen
Welken, und das süſse Kosen
Deiner Purpurlippen schweigt.
Deines Trittes Rehesschnelle
Lähmt die Zeit. Die Frisch' und Helle
Deines Angesichts verbleicht.
Zeder, rausche nicht so prächtig
Durch die Lüfte. Stark und mächtig
Kommt der Sturm, der dich zerbricht.
Steig', o Sonne! Sinke nieder!
Einstens sinkst du, steigst nicht wieder,
Kerzen gleich erlosch dein Licht.
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