Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kortum, Carl Arnold: Die Jobsiade. Bd. 3. Dortmund, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite
5. An seinen vortreflichen Kanzelgaben
Konnten nicht bloß die Ohnwitzer sich laben,
Sondern auch aus der Ferne durch Dick
und Dünn
Gieng man Sonntags, um ihn zu hören, hin.
4. Denn seine Reden waren kräftig und rührend,
Seine Spruchbeweise ächt und überführend,
Und Ausführung und Applikation
Alles im populären Ton.
5. Seine Antecessores im Pfarramte
Hatten geschriebene Predigten für gesammte
Sonntäge im ganzen Jahr,
Auch für jedes hohe Fest ein Paar.
6. Da brauchten sie also sich nicht zu scheniren,
Um auf neue Predigten zu studiren,
Sondern sie hielten jene Jahr aus Jahr ein,
Von Neujahr bis zu den unschuldigen Kin-
derlein.
7. Auch für ausserordentliche Begebnissen,
Kopulationen, Taufen und Begräbnissen,
Hatten sie in ihrem Pulte früh und spat
Einige hübsche Reden im Vorrath.
8. Diese wusten sie dann nach Standesgebühren,
Nach Proportion der Zahlung zu extendiren;
Denn wo es nur wenig Gebühren gab,
War die Rede meist etwas schaal und knapp.
9. Ei-
5. An ſeinen vortreflichen Kanzelgaben
Konnten nicht bloß die Ohnwitzer ſich laben,
Sondern auch aus der Ferne durch Dick
und Duͤnn
Gieng man Sonntags, um ihn zu hoͤren, hin.
4. Denn ſeine Reden waren kraͤftig und ruͤhrend,
Seine Spruchbeweiſe aͤcht und uͤberfuͤhrend,
Und Ausfuͤhrung und Applikation
Alles im populaͤren Ton.
5. Seine Anteceſſores im Pfarramte
Hatten geſchriebene Predigten fuͤr geſammte
Sonntaͤge im ganzen Jahr,
Auch fuͤr jedes hohe Feſt ein Paar.
6. Da brauchten ſie alſo ſich nicht zu ſcheniren,
Um auf neue Predigten zu ſtudiren,
Sondern ſie hielten jene Jahr aus Jahr ein,
Von Neujahr bis zu den unſchuldigen Kin-
derlein.
7. Auch fuͤr auſſerordentliche Begebniſſen,
Kopulationen, Taufen und Begraͤbniſſen,
Hatten ſie in ihrem Pulte fruͤh und ſpat
Einige huͤbſche Reden im Vorrath.
8. Dieſe wuſten ſie dann nach Standesgebuͤhren,
Nach Proportion der Zahlung zu extendiren;
Denn wo es nur wenig Gebuͤhren gab,
War die Rede meiſt etwas ſchaal und knapp.
9. Ei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0028" n="6"/>
          <lg n="3">
            <l>5. An &#x017F;einen vortreflichen Kanzelgaben</l><lb/>
            <l>Konnten nicht bloß die Ohnwitzer &#x017F;ich laben,</l><lb/>
            <l>Sondern auch aus der Ferne durch Dick</l><lb/>
            <l>und Du&#x0364;nn</l><lb/>
            <l>Gieng man Sonntags, um ihn zu ho&#x0364;ren, hin.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>4. Denn &#x017F;eine Reden waren kra&#x0364;ftig und ru&#x0364;hrend,</l><lb/>
            <l>Seine Spruchbewei&#x017F;e a&#x0364;cht und u&#x0364;berfu&#x0364;hrend,</l><lb/>
            <l>Und Ausfu&#x0364;hrung und Applikation</l><lb/>
            <l>Alles im popula&#x0364;ren Ton.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>5. Seine Antece&#x017F;&#x017F;ores im Pfarramte</l><lb/>
            <l>Hatten ge&#x017F;chriebene Predigten fu&#x0364;r ge&#x017F;ammte</l><lb/>
            <l>Sonnta&#x0364;ge im ganzen Jahr,</l><lb/>
            <l>Auch fu&#x0364;r jedes hohe Fe&#x017F;t ein Paar.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="6">
            <l>6. Da brauchten &#x017F;ie al&#x017F;o &#x017F;ich nicht zu &#x017F;cheniren,</l><lb/>
            <l>Um auf neue Predigten zu &#x017F;tudiren,</l><lb/>
            <l>Sondern &#x017F;ie hielten jene Jahr aus Jahr ein,</l><lb/>
            <l>Von Neujahr bis zu den un&#x017F;chuldigen Kin-</l><lb/>
            <l>derlein.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="7">
            <l>7. Auch fu&#x0364;r au&#x017F;&#x017F;erordentliche Begebni&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Kopulationen, Taufen und Begra&#x0364;bni&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Hatten &#x017F;ie in ihrem Pulte fru&#x0364;h und &#x017F;pat</l><lb/>
            <l>Einige hu&#x0364;b&#x017F;che Reden im Vorrath.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="8">
            <l>8. Die&#x017F;e wu&#x017F;ten &#x017F;ie dann nach Standesgebu&#x0364;hren,</l><lb/>
            <l>Nach Proportion der Zahlung zu extendiren;</l><lb/>
            <l>Denn wo es nur wenig Gebu&#x0364;hren gab,</l><lb/>
            <l>War die Rede mei&#x017F;t etwas &#x017F;chaal und knapp.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">9. Ei-</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0028] 5. An ſeinen vortreflichen Kanzelgaben Konnten nicht bloß die Ohnwitzer ſich laben, Sondern auch aus der Ferne durch Dick und Duͤnn Gieng man Sonntags, um ihn zu hoͤren, hin. 4. Denn ſeine Reden waren kraͤftig und ruͤhrend, Seine Spruchbeweiſe aͤcht und uͤberfuͤhrend, Und Ausfuͤhrung und Applikation Alles im populaͤren Ton. 5. Seine Anteceſſores im Pfarramte Hatten geſchriebene Predigten fuͤr geſammte Sonntaͤge im ganzen Jahr, Auch fuͤr jedes hohe Feſt ein Paar. 6. Da brauchten ſie alſo ſich nicht zu ſcheniren, Um auf neue Predigten zu ſtudiren, Sondern ſie hielten jene Jahr aus Jahr ein, Von Neujahr bis zu den unſchuldigen Kin- derlein. 7. Auch fuͤr auſſerordentliche Begebniſſen, Kopulationen, Taufen und Begraͤbniſſen, Hatten ſie in ihrem Pulte fruͤh und ſpat Einige huͤbſche Reden im Vorrath. 8. Dieſe wuſten ſie dann nach Standesgebuͤhren, Nach Proportion der Zahlung zu extendiren; Denn wo es nur wenig Gebuͤhren gab, War die Rede meiſt etwas ſchaal und knapp. 9. Ei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kortum_jobsiade03_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kortum_jobsiade03_1799/28
Zitationshilfe: Kortum, Carl Arnold: Die Jobsiade. Bd. 3. Dortmund, 1799, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kortum_jobsiade03_1799/28>, abgerufen am 28.03.2024.