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Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Jünglinge herein, die mir Engel schienen, weil sie Flügel hatten! -- Hier schwieg der Eremit und weinte.

Nun, und was thaten die Engel?

Sie stellten sich um mich her und sangen ein Lied, und war ich erst erschrocken, so war ich es jetzt noch mehr; denn sie sangen, als ob mein Ende nahe wäre und ich das Irdische verlassen müßte! Da rieselte es mir eiskalt durch alle Glieder, und ich tappte an mir herum, ob ich noch im Leibe wäre? -- Vielleicht hätte ich mich noch wiederum gefaßt; aber nun erschien an der Thür ein rauher schwarzer Dämon mit gräßlichen feurigen Augen und rief: Bist du reif, alter Geizhals? Damit reckte er die Krallen nach mir aus und wollte mich fassen; aber die Engel wehreten ihm und fragten ihn: was willst du, Drache? -- Des Schatzgräbers Seele will ich! brüllte der Rauhe. Aber der eine Engel hatte ein Rauchfaß und schwang es vor ihm und sprach: Der Schatz, den er gefunden, ist ein heiliger Schatz und rettet seine Seele. Hebe dich weg, Satanas! -- Aber Satanas wollte nicht weichen und zählte alle meine Sünden her und forderte meine Seele. Da hatte der andere Engel ein blitzendes Schwert und trieb ihn damit hinweg, daß ich ihn nicht mehr sah; aber der dritte sprach zu mir: Sei getrost, deiner Sünden sind viel, aber sie sind dir vergeben um des Schatzes willen, der ein heiliger Schatz ist; zeuch ihn hervor und folge uns damit ins Paradies, so wird Satan dich nimmer erlangen! -- Da ward

Jünglinge herein, die mir Engel schienen, weil sie Flügel hatten! — Hier schwieg der Eremit und weinte.

Nun, und was thaten die Engel?

Sie stellten sich um mich her und sangen ein Lied, und war ich erst erschrocken, so war ich es jetzt noch mehr; denn sie sangen, als ob mein Ende nahe wäre und ich das Irdische verlassen müßte! Da rieselte es mir eiskalt durch alle Glieder, und ich tappte an mir herum, ob ich noch im Leibe wäre? — Vielleicht hätte ich mich noch wiederum gefaßt; aber nun erschien an der Thür ein rauher schwarzer Dämon mit gräßlichen feurigen Augen und rief: Bist du reif, alter Geizhals? Damit reckte er die Krallen nach mir aus und wollte mich fassen; aber die Engel wehreten ihm und fragten ihn: was willst du, Drache? — Des Schatzgräbers Seele will ich! brüllte der Rauhe. Aber der eine Engel hatte ein Rauchfaß und schwang es vor ihm und sprach: Der Schatz, den er gefunden, ist ein heiliger Schatz und rettet seine Seele. Hebe dich weg, Satanas! — Aber Satanas wollte nicht weichen und zählte alle meine Sünden her und forderte meine Seele. Da hatte der andere Engel ein blitzendes Schwert und trieb ihn damit hinweg, daß ich ihn nicht mehr sah; aber der dritte sprach zu mir: Sei getrost, deiner Sünden sind viel, aber sie sind dir vergeben um des Schatzes willen, der ein heiliger Schatz ist; zeuch ihn hervor und folge uns damit ins Paradies, so wird Satan dich nimmer erlangen! — Da ward

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[0066] Jünglinge herein, die mir Engel schienen, weil sie Flügel hatten! — Hier schwieg der Eremit und weinte. Nun, und was thaten die Engel? Sie stellten sich um mich her und sangen ein Lied, und war ich erst erschrocken, so war ich es jetzt noch mehr; denn sie sangen, als ob mein Ende nahe wäre und ich das Irdische verlassen müßte! Da rieselte es mir eiskalt durch alle Glieder, und ich tappte an mir herum, ob ich noch im Leibe wäre? — Vielleicht hätte ich mich noch wiederum gefaßt; aber nun erschien an der Thür ein rauher schwarzer Dämon mit gräßlichen feurigen Augen und rief: Bist du reif, alter Geizhals? Damit reckte er die Krallen nach mir aus und wollte mich fassen; aber die Engel wehreten ihm und fragten ihn: was willst du, Drache? — Des Schatzgräbers Seele will ich! brüllte der Rauhe. Aber der eine Engel hatte ein Rauchfaß und schwang es vor ihm und sprach: Der Schatz, den er gefunden, ist ein heiliger Schatz und rettet seine Seele. Hebe dich weg, Satanas! — Aber Satanas wollte nicht weichen und zählte alle meine Sünden her und forderte meine Seele. Da hatte der andere Engel ein blitzendes Schwert und trieb ihn damit hinweg, daß ich ihn nicht mehr sah; aber der dritte sprach zu mir: Sei getrost, deiner Sünden sind viel, aber sie sind dir vergeben um des Schatzes willen, der ein heiliger Schatz ist; zeuch ihn hervor und folge uns damit ins Paradies, so wird Satan dich nimmer erlangen! — Da ward

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:35:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/66>, abgerufen am 23.11.2024.