Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Nicht wahr, der ist schön! Aber, Strintillo, der andere ist noch bei weitem schärfer. So? Nun, dann bin ich begierig; wo hast du ihn? Hier auf meinen Lippen. Auf den Lippen? Ich sehe ja nichts. Er kommt schon, sagte Ciccio. Du weißt doch, daß der gute Senf den Kopf aufräumt und die Gedanken klar macht, sieh, solchen bring ich dir auf den Lippen; sage mir doch, Strintillo, wie kannst du es über das Herz bringen, dein Kind vor dir sterben zu sehen? Höre, Ciccio, nahm Strintillo das Wort, wenn das dein Senf ist, so trage ihn wieder hinweg, solchen brauche ich nicht! Gerade solchen brauchst du, lieber Strintillo, du mußt niesen, bevor du klar siehest, was du thust. Du mordest dein Kind, wenn du sie dem braven Giovanni nimmst und dem runzligen Granco giebst. Willst du denn Meerspinnen zu Enkelkindern haben? Ich folge dem Wink des Himmels, sagte Strintillo, dabei bleibt's! Was der Himmel beschließt, darüber müssen wir Menschen nicht grübeln. Aber ist denn dein vermoderter Betthimmel, unter dem du träumst, unser Herrgott, oder bist du ein Heiliger, der Visionen hat? Nein, sagte Strintillo, aber ich bin Don Strintillo, und was ich haben will, muß geschehen. Hierüber trat die Muhme ein, laut weinend, und Nicht wahr, der ist schön! Aber, Strintillo, der andere ist noch bei weitem schärfer. So? Nun, dann bin ich begierig; wo hast du ihn? Hier auf meinen Lippen. Auf den Lippen? Ich sehe ja nichts. Er kommt schon, sagte Ciccio. Du weißt doch, daß der gute Senf den Kopf aufräumt und die Gedanken klar macht, sieh, solchen bring ich dir auf den Lippen; sage mir doch, Strintillo, wie kannst du es über das Herz bringen, dein Kind vor dir sterben zu sehen? Höre, Ciccio, nahm Strintillo das Wort, wenn das dein Senf ist, so trage ihn wieder hinweg, solchen brauche ich nicht! Gerade solchen brauchst du, lieber Strintillo, du mußt niesen, bevor du klar siehest, was du thust. Du mordest dein Kind, wenn du sie dem braven Giovanni nimmst und dem runzligen Granco giebst. Willst du denn Meerspinnen zu Enkelkindern haben? Ich folge dem Wink des Himmels, sagte Strintillo, dabei bleibt's! Was der Himmel beschließt, darüber müssen wir Menschen nicht grübeln. Aber ist denn dein vermoderter Betthimmel, unter dem du träumst, unser Herrgott, oder bist du ein Heiliger, der Visionen hat? Nein, sagte Strintillo, aber ich bin Don Strintillo, und was ich haben will, muß geschehen. Hierüber trat die Muhme ein, laut weinend, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0027"/> <p>Nicht wahr, der ist schön! Aber, Strintillo, der andere ist noch bei weitem schärfer.</p><lb/> <p>So? Nun, dann bin ich begierig; wo hast du ihn?</p><lb/> <p>Hier auf meinen Lippen.</p><lb/> <p>Auf den Lippen? Ich sehe ja nichts.</p><lb/> <p>Er kommt schon, sagte Ciccio. Du weißt doch, daß der gute Senf den Kopf aufräumt und die Gedanken klar macht, sieh, solchen bring ich dir auf den Lippen; sage mir doch, Strintillo, wie kannst du es über das Herz bringen, dein Kind vor dir sterben zu sehen?</p><lb/> <p>Höre, Ciccio, nahm Strintillo das Wort, wenn das dein Senf ist, so trage ihn wieder hinweg, solchen brauche ich nicht!</p><lb/> <p>Gerade solchen brauchst du, lieber Strintillo, du mußt niesen, bevor du klar siehest, was du thust. Du mordest dein Kind, wenn du sie dem braven Giovanni nimmst und dem runzligen Granco giebst. Willst du denn Meerspinnen zu Enkelkindern haben?</p><lb/> <p>Ich folge dem Wink des Himmels, sagte Strintillo, dabei bleibt's! Was der Himmel beschließt, darüber müssen wir Menschen nicht grübeln.</p><lb/> <p>Aber ist denn dein vermoderter Betthimmel, unter dem du träumst, unser Herrgott, oder bist du ein Heiliger, der Visionen hat?</p><lb/> <p>Nein, sagte Strintillo, aber ich bin Don Strintillo, und was ich haben will, muß geschehen.</p><lb/> <p>Hierüber trat die Muhme ein, laut weinend, und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0027]
Nicht wahr, der ist schön! Aber, Strintillo, der andere ist noch bei weitem schärfer.
So? Nun, dann bin ich begierig; wo hast du ihn?
Hier auf meinen Lippen.
Auf den Lippen? Ich sehe ja nichts.
Er kommt schon, sagte Ciccio. Du weißt doch, daß der gute Senf den Kopf aufräumt und die Gedanken klar macht, sieh, solchen bring ich dir auf den Lippen; sage mir doch, Strintillo, wie kannst du es über das Herz bringen, dein Kind vor dir sterben zu sehen?
Höre, Ciccio, nahm Strintillo das Wort, wenn das dein Senf ist, so trage ihn wieder hinweg, solchen brauche ich nicht!
Gerade solchen brauchst du, lieber Strintillo, du mußt niesen, bevor du klar siehest, was du thust. Du mordest dein Kind, wenn du sie dem braven Giovanni nimmst und dem runzligen Granco giebst. Willst du denn Meerspinnen zu Enkelkindern haben?
Ich folge dem Wink des Himmels, sagte Strintillo, dabei bleibt's! Was der Himmel beschließt, darüber müssen wir Menschen nicht grübeln.
Aber ist denn dein vermoderter Betthimmel, unter dem du träumst, unser Herrgott, oder bist du ein Heiliger, der Visionen hat?
Nein, sagte Strintillo, aber ich bin Don Strintillo, und was ich haben will, muß geschehen.
Hierüber trat die Muhme ein, laut weinend, und
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Zitationshilfe: | Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/27>, abgerufen am 16.07.2024. |