Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kopisch, August: Ein Carnevalsfest auf Ischia. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–62. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

lebten, welcher bereits geraume Zeit aller Welteitelkeit entsaget, mannigfaltig und reichlich ergötzt hat. Sollte dieser bunte Wirrwarr Euch die Weltlust vollends verleidet haben, o, so wär' ich nun zu guter Stunde von meiner Einöde herabgekommen, da ich vielleicht Gelegenheit finde, den für die wahre Einsamkeit zu gewinnen, welcher sich inmitten dieses fröhlichen Getümmels bereits einsam zu fühlen scheinet, denn einsam ist beständig die Seele, wenn sie betrübt ist. Und Ihr seid betrübt, Don Antonio. Saget mir, was betrübet Euch? Schüttet mir altem Greisen das Herz aus, kommt in meine Waldeinöde, da könnt Ihr allen Kummer den Lüften des Himmels geben, ich will Eurer Seele warten und pflegen wie eines neugebornen Kindleins; aber sagt mir, Don Antonio, was betrübt Euch? Was betrübet Euch? --

letzte Frage war mit so natürlicher Innigkeit gesprochen, daß der Befragte bald versucht worden wäre, den Eremiten für einen wirklichen zu halten, wenn der Greis ihm nicht bei diesen Worten eine Hand gereicht hätte, welche sich zarter anfühlte wie Sammet. Verwundert streichelte Don Antonio die sanfte Hand, welche seinen Druck innig wiedergab, und sprach: Ehrwürdiger Vater, gern wollte ich Euch als einem welterfahrnen, betagten Manne mein ganzes Herz ausschütten; aber das zarte Frauenhändchen, welches Ihr mir so eben reichet, macht mich in meiner Aufrichtigkeit irre.

Nun so will ich meine Hand zurückziehen! sprach der Eremit.

lebten, welcher bereits geraume Zeit aller Welteitelkeit entsaget, mannigfaltig und reichlich ergötzt hat. Sollte dieser bunte Wirrwarr Euch die Weltlust vollends verleidet haben, o, so wär' ich nun zu guter Stunde von meiner Einöde herabgekommen, da ich vielleicht Gelegenheit finde, den für die wahre Einsamkeit zu gewinnen, welcher sich inmitten dieses fröhlichen Getümmels bereits einsam zu fühlen scheinet, denn einsam ist beständig die Seele, wenn sie betrübt ist. Und Ihr seid betrübt, Don Antonio. Saget mir, was betrübet Euch? Schüttet mir altem Greisen das Herz aus, kommt in meine Waldeinöde, da könnt Ihr allen Kummer den Lüften des Himmels geben, ich will Eurer Seele warten und pflegen wie eines neugebornen Kindleins; aber sagt mir, Don Antonio, was betrübt Euch? Was betrübet Euch? —

letzte Frage war mit so natürlicher Innigkeit gesprochen, daß der Befragte bald versucht worden wäre, den Eremiten für einen wirklichen zu halten, wenn der Greis ihm nicht bei diesen Worten eine Hand gereicht hätte, welche sich zarter anfühlte wie Sammet. Verwundert streichelte Don Antonio die sanfte Hand, welche seinen Druck innig wiedergab, und sprach: Ehrwürdiger Vater, gern wollte ich Euch als einem welterfahrnen, betagten Manne mein ganzes Herz ausschütten; aber das zarte Frauenhändchen, welches Ihr mir so eben reichet, macht mich in meiner Aufrichtigkeit irre.

Nun so will ich meine Hand zurückziehen! sprach der Eremit.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0059"/>
lebten, welcher bereits geraume Zeit                aller Welteitelkeit entsaget, mannigfaltig und reichlich ergötzt hat. Sollte dieser                bunte Wirrwarr Euch die Weltlust vollends verleidet haben, o, so wär' ich nun zu                guter Stunde von meiner Einöde herabgekommen, da ich vielleicht Gelegenheit finde,                den für die wahre Einsamkeit zu gewinnen, welcher sich inmitten dieses fröhlichen                Getümmels bereits einsam zu fühlen scheinet, denn einsam ist beständig die Seele,                wenn sie betrübt ist. Und Ihr seid betrübt, Don Antonio. Saget mir, was betrübet                Euch? Schüttet mir altem Greisen das Herz aus, kommt in meine Waldeinöde, da könnt                Ihr allen Kummer den Lüften des Himmels geben, ich will Eurer Seele warten und                pflegen wie eines neugebornen Kindleins; aber sagt mir, Don Antonio, was betrübt                Euch? Was betrübet Euch? &#x2014;</p><lb/>
        <p> letzte Frage war mit so natürlicher Innigkeit gesprochen, daß der Befragte bald                versucht worden wäre, den Eremiten für einen wirklichen zu halten, wenn der Greis ihm                nicht bei diesen Worten eine Hand gereicht hätte, welche sich zarter anfühlte wie                Sammet. Verwundert streichelte Don Antonio die sanfte Hand, welche seinen Druck innig                wiedergab, und sprach: Ehrwürdiger Vater, gern wollte ich Euch als einem                welterfahrnen, betagten Manne mein ganzes Herz ausschütten; aber das zarte                Frauenhändchen, welches Ihr mir so eben reichet, macht mich in meiner Aufrichtigkeit                irre.</p><lb/>
        <p>Nun so will ich meine Hand zurückziehen! sprach der Eremit.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0059] lebten, welcher bereits geraume Zeit aller Welteitelkeit entsaget, mannigfaltig und reichlich ergötzt hat. Sollte dieser bunte Wirrwarr Euch die Weltlust vollends verleidet haben, o, so wär' ich nun zu guter Stunde von meiner Einöde herabgekommen, da ich vielleicht Gelegenheit finde, den für die wahre Einsamkeit zu gewinnen, welcher sich inmitten dieses fröhlichen Getümmels bereits einsam zu fühlen scheinet, denn einsam ist beständig die Seele, wenn sie betrübt ist. Und Ihr seid betrübt, Don Antonio. Saget mir, was betrübet Euch? Schüttet mir altem Greisen das Herz aus, kommt in meine Waldeinöde, da könnt Ihr allen Kummer den Lüften des Himmels geben, ich will Eurer Seele warten und pflegen wie eines neugebornen Kindleins; aber sagt mir, Don Antonio, was betrübt Euch? Was betrübet Euch? — letzte Frage war mit so natürlicher Innigkeit gesprochen, daß der Befragte bald versucht worden wäre, den Eremiten für einen wirklichen zu halten, wenn der Greis ihm nicht bei diesen Worten eine Hand gereicht hätte, welche sich zarter anfühlte wie Sammet. Verwundert streichelte Don Antonio die sanfte Hand, welche seinen Druck innig wiedergab, und sprach: Ehrwürdiger Vater, gern wollte ich Euch als einem welterfahrnen, betagten Manne mein ganzes Herz ausschütten; aber das zarte Frauenhändchen, welches Ihr mir so eben reichet, macht mich in meiner Aufrichtigkeit irre. Nun so will ich meine Hand zurückziehen! sprach der Eremit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:47:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:47:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910/59
Zitationshilfe: Kopisch, August: Ein Carnevalsfest auf Ischia. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–62. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910/59>, abgerufen am 25.11.2024.