Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.hast darauf schwören müssen, du wirst ihn nicht verrathen. Versprochen hat er dir vielleicht, daß er dich als Magd ins Haus nehmen will, dir schöne Kleider und Geld geben wird; und die Leute im Dorfe werden sich dann freuen können, wenn der eigene Vater vor der gebenedeieten Haushälterin des Pfarrers den Hut abziehen muß! Hast du geschworen? Dem harten Manne versagte zuletzt die Stimme; er brachte nur gebrochen heulende Laute hervor. Zum Pfarrer werde ich nicht gehen, sagte Anezka; laßt mich nur fort, ich will schon gehen, so weit mich meine Füße tragen. So geh in die Hölle, rief Parzik mit neu ausbrechender Wuth, indem er mit geballter Faust zu einem Schlage ausholte, dem Anezka sich nur durch ein schnelles Ausweichen entzog. Was die Pfaffen verdorben haben, das ist in Grund und Boden hinein verdorben, und dem hilft nicht einmal der Teufel mehr auf. -- Anezka war zur Stube hinaus gewankt. Parzik wollte ihr nach, nur mit Mühe wurde der Wüthende von Josseph und dem Geschrei der alten Frau zurückgehalten, die nicht anders meinte, als der Bauer wolle sich an seiner Tochter vergreifen. Mit aufgehobenen Händen bat sie um Stille und Begütigung, und daß man einem so jungen Kopfe, wie Anezka sei, nicht Alles so wild und ungeschlacht anrechnen könne. Sie werde einen bessern Dienst und bei besseren Leuten gefunden hast darauf schwören müssen, du wirst ihn nicht verrathen. Versprochen hat er dir vielleicht, daß er dich als Magd ins Haus nehmen will, dir schöne Kleider und Geld geben wird; und die Leute im Dorfe werden sich dann freuen können, wenn der eigene Vater vor der gebenedeieten Haushälterin des Pfarrers den Hut abziehen muß! Hast du geschworen? Dem harten Manne versagte zuletzt die Stimme; er brachte nur gebrochen heulende Laute hervor. Zum Pfarrer werde ich nicht gehen, sagte Anezka; laßt mich nur fort, ich will schon gehen, so weit mich meine Füße tragen. So geh in die Hölle, rief Parzik mit neu ausbrechender Wuth, indem er mit geballter Faust zu einem Schlage ausholte, dem Anezka sich nur durch ein schnelles Ausweichen entzog. Was die Pfaffen verdorben haben, das ist in Grund und Boden hinein verdorben, und dem hilft nicht einmal der Teufel mehr auf. — Anezka war zur Stube hinaus gewankt. Parzik wollte ihr nach, nur mit Mühe wurde der Wüthende von Josseph und dem Geschrei der alten Frau zurückgehalten, die nicht anders meinte, als der Bauer wolle sich an seiner Tochter vergreifen. Mit aufgehobenen Händen bat sie um Stille und Begütigung, und daß man einem so jungen Kopfe, wie Anezka sei, nicht Alles so wild und ungeschlacht anrechnen könne. Sie werde einen bessern Dienst und bei besseren Leuten gefunden <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0097"/> hast darauf schwören müssen, du wirst ihn nicht verrathen. Versprochen hat er dir vielleicht, daß er dich als Magd ins Haus nehmen will, dir schöne Kleider und Geld geben wird; und die Leute im Dorfe werden sich dann freuen können, wenn der eigene Vater vor der gebenedeieten Haushälterin des Pfarrers den Hut abziehen muß! Hast du geschworen?</p><lb/> <p>Dem harten Manne versagte zuletzt die Stimme; er brachte nur gebrochen heulende Laute hervor.</p><lb/> <p>Zum Pfarrer werde ich nicht gehen, sagte Anezka; laßt mich nur fort, ich will schon gehen, so weit mich meine Füße tragen.</p><lb/> <p>So geh in die Hölle, rief Parzik mit neu ausbrechender Wuth, indem er mit geballter Faust zu einem Schlage ausholte, dem Anezka sich nur durch ein schnelles Ausweichen entzog. Was die Pfaffen verdorben haben, das ist in Grund und Boden hinein verdorben, und dem hilft nicht einmal der Teufel mehr auf. —</p><lb/> <p>Anezka war zur Stube hinaus gewankt. Parzik wollte ihr nach, nur mit Mühe wurde der Wüthende von Josseph und dem Geschrei der alten Frau zurückgehalten, die nicht anders meinte, als der Bauer wolle sich an seiner Tochter vergreifen. Mit aufgehobenen Händen bat sie um Stille und Begütigung, und daß man einem so jungen Kopfe, wie Anezka sei, nicht Alles so wild und ungeschlacht anrechnen könne. Sie werde einen bessern Dienst und bei besseren Leuten gefunden<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0097]
hast darauf schwören müssen, du wirst ihn nicht verrathen. Versprochen hat er dir vielleicht, daß er dich als Magd ins Haus nehmen will, dir schöne Kleider und Geld geben wird; und die Leute im Dorfe werden sich dann freuen können, wenn der eigene Vater vor der gebenedeieten Haushälterin des Pfarrers den Hut abziehen muß! Hast du geschworen?
Dem harten Manne versagte zuletzt die Stimme; er brachte nur gebrochen heulende Laute hervor.
Zum Pfarrer werde ich nicht gehen, sagte Anezka; laßt mich nur fort, ich will schon gehen, so weit mich meine Füße tragen.
So geh in die Hölle, rief Parzik mit neu ausbrechender Wuth, indem er mit geballter Faust zu einem Schlage ausholte, dem Anezka sich nur durch ein schnelles Ausweichen entzog. Was die Pfaffen verdorben haben, das ist in Grund und Boden hinein verdorben, und dem hilft nicht einmal der Teufel mehr auf. —
Anezka war zur Stube hinaus gewankt. Parzik wollte ihr nach, nur mit Mühe wurde der Wüthende von Josseph und dem Geschrei der alten Frau zurückgehalten, die nicht anders meinte, als der Bauer wolle sich an seiner Tochter vergreifen. Mit aufgehobenen Händen bat sie um Stille und Begütigung, und daß man einem so jungen Kopfe, wie Anezka sei, nicht Alles so wild und ungeschlacht anrechnen könne. Sie werde einen bessern Dienst und bei besseren Leuten gefunden
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/97 |
Zitationshilfe: | Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/97>, abgerufen am 21.07.2024. |