Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gleichsam um es vor sich selbst zu verbergen, mit beiden Händen. Und auf dem bist du gelegen, Babe? fragte verwundert der Knabe, die ganze Nacht durch, und das hat dir nicht weh gethan? Ich sag' dir, Fischele Leben, nicht gespürt hab' ich's die ganze Nacht, antwortete Marjim, ich bin drauf gelegen, als hätt' ich noch sechs Kissen unter dem Kopf gehabt. Aber warum? Wieder entstand eine lange Weile; die Großmutter hustete verlegen, dann blickte sie wieder ängstlich nach der Thürklinke, ob sich die nicht bewege, ob dort Niemand lausche. Red' nicht so hoch, mahnte sie und neigte sich zu seinem Ohr: Weißt du, was da drin ist? Ich weiß nicht. Zucker und Kaffeh ist drin, aber ich muß das vor deinem Vater verstecken. Zucker und Kaffeh? Fischele blickte sie zweifelhaft an, als ob der Verstand der alten Frau irregegangen wäre. Nicht sollte dein Vater wissen, sagte sie kopfnickend, wem ich das schicken will, es druckt mir ja genug das Herz ab, daß ich's ihm nicht sagen darf. Gescheidter, wie ich's gemacht, kann nicht einmal ein gleichsam um es vor sich selbst zu verbergen, mit beiden Händen. Und auf dem bist du gelegen, Babe? fragte verwundert der Knabe, die ganze Nacht durch, und das hat dir nicht weh gethan? Ich sag' dir, Fischele Leben, nicht gespürt hab' ich's die ganze Nacht, antwortete Marjim, ich bin drauf gelegen, als hätt' ich noch sechs Kissen unter dem Kopf gehabt. Aber warum? Wieder entstand eine lange Weile; die Großmutter hustete verlegen, dann blickte sie wieder ängstlich nach der Thürklinke, ob sich die nicht bewege, ob dort Niemand lausche. Red' nicht so hoch, mahnte sie und neigte sich zu seinem Ohr: Weißt du, was da drin ist? Ich weiß nicht. Zucker und Kaffeh ist drin, aber ich muß das vor deinem Vater verstecken. Zucker und Kaffeh? Fischele blickte sie zweifelhaft an, als ob der Verstand der alten Frau irregegangen wäre. Nicht sollte dein Vater wissen, sagte sie kopfnickend, wem ich das schicken will, es druckt mir ja genug das Herz ab, daß ich's ihm nicht sagen darf. Gescheidter, wie ich's gemacht, kann nicht einmal ein <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0043"/> gleichsam um es vor sich selbst zu verbergen, mit beiden Händen.</p><lb/> <p>Und auf dem bist du gelegen, Babe? fragte verwundert der Knabe, die ganze Nacht durch, und das hat dir nicht weh gethan?</p><lb/> <p>Ich sag' dir, Fischele Leben, nicht gespürt hab' ich's die ganze Nacht, antwortete Marjim, ich bin drauf gelegen, als hätt' ich noch sechs Kissen unter dem Kopf gehabt.</p><lb/> <p>Aber warum?</p><lb/> <p>Wieder entstand eine lange Weile; die Großmutter hustete verlegen, dann blickte sie wieder ängstlich nach der Thürklinke, ob sich die nicht bewege, ob dort Niemand lausche.</p><lb/> <p>Red' nicht so hoch, mahnte sie und neigte sich zu seinem Ohr:</p><lb/> <p>Weißt du, was da drin ist?</p><lb/> <p>Ich weiß nicht.</p><lb/> <p>Zucker und Kaffeh ist drin, aber ich muß das vor deinem Vater verstecken.</p><lb/> <p>Zucker und Kaffeh?</p><lb/> <p>Fischele blickte sie zweifelhaft an, als ob der Verstand der alten Frau irregegangen wäre.</p><lb/> <p>Nicht sollte dein Vater wissen, sagte sie kopfnickend, wem ich das schicken will, es druckt mir ja genug das Herz ab, daß ich's ihm nicht sagen darf. Gescheidter, wie ich's gemacht, kann nicht einmal ein<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0043]
gleichsam um es vor sich selbst zu verbergen, mit beiden Händen.
Und auf dem bist du gelegen, Babe? fragte verwundert der Knabe, die ganze Nacht durch, und das hat dir nicht weh gethan?
Ich sag' dir, Fischele Leben, nicht gespürt hab' ich's die ganze Nacht, antwortete Marjim, ich bin drauf gelegen, als hätt' ich noch sechs Kissen unter dem Kopf gehabt.
Aber warum?
Wieder entstand eine lange Weile; die Großmutter hustete verlegen, dann blickte sie wieder ängstlich nach der Thürklinke, ob sich die nicht bewege, ob dort Niemand lausche.
Red' nicht so hoch, mahnte sie und neigte sich zu seinem Ohr:
Weißt du, was da drin ist?
Ich weiß nicht.
Zucker und Kaffeh ist drin, aber ich muß das vor deinem Vater verstecken.
Zucker und Kaffeh?
Fischele blickte sie zweifelhaft an, als ob der Verstand der alten Frau irregegangen wäre.
Nicht sollte dein Vater wissen, sagte sie kopfnickend, wem ich das schicken will, es druckt mir ja genug das Herz ab, daß ich's ihm nicht sagen darf. Gescheidter, wie ich's gemacht, kann nicht einmal ein
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Zitationshilfe: | Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/43>, abgerufen am 24.07.2024. |