Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Frag mich nicht, sagte er, wie ich so auf einmal meinen Sinn gegen dich geändert habe, ich könnte dir's doch nicht sagen, wie das gekommen ist. Du weißt, ich hab' gegen dich viel auf dem Herzen gehabt; und nicht wie ein Bruder gegen seine Schwester handeln soll, hab' ich gehandelt. Das wird mir auf der Seele immer liegen wie eine Centnerlast; das kann kein Jom Kippur, kein Fasten und keine Reue mir herunterbringen. Aber auf den Händen könnt' ich dich jetzt tragen durch die ganze Welt, und möcht' mich nicht schämen. Ich hab' dir so viel abzubitten, daß mir's nur Gott verzeihen kann. Madlena sagte: Denk nicht dran, Josseph, dir diese Stund' zu verbittern. Mir ist's ja, als wenn ich nicht auf der Erden wäre. Dann fuhr er mit der flachen Hand ihr über das Gesicht. Sag mir nur, Dinah Leben, bemerkte er besorgt, wie kannst du dir's nur einfallen lassen in der Hitze da, auf dem Felde zu arbeiten? Nimmst du kein Bedacht auf dich, so denk doch an deine Kinder. Kein Bauer arbeitet jetzt, sie liegen alle irgendwo im Schatten und ruhen sich aus. Nur du allein mußt eine Ausnahme machen? Hast denn du's so nöthig? Das will ich dir sagen, entgegnete sie erröthend, es ist noch gar nicht lange, daß mein Mann zu dem Seinigen gekommen ist. Sein Vater hat mit ihm geschmollt und hat ihn enterben wollen, weil er mich zu Frag mich nicht, sagte er, wie ich so auf einmal meinen Sinn gegen dich geändert habe, ich könnte dir's doch nicht sagen, wie das gekommen ist. Du weißt, ich hab' gegen dich viel auf dem Herzen gehabt; und nicht wie ein Bruder gegen seine Schwester handeln soll, hab' ich gehandelt. Das wird mir auf der Seele immer liegen wie eine Centnerlast; das kann kein Jom Kippur, kein Fasten und keine Reue mir herunterbringen. Aber auf den Händen könnt' ich dich jetzt tragen durch die ganze Welt, und möcht' mich nicht schämen. Ich hab' dir so viel abzubitten, daß mir's nur Gott verzeihen kann. Madlena sagte: Denk nicht dran, Josseph, dir diese Stund' zu verbittern. Mir ist's ja, als wenn ich nicht auf der Erden wäre. Dann fuhr er mit der flachen Hand ihr über das Gesicht. Sag mir nur, Dinah Leben, bemerkte er besorgt, wie kannst du dir's nur einfallen lassen in der Hitze da, auf dem Felde zu arbeiten? Nimmst du kein Bedacht auf dich, so denk doch an deine Kinder. Kein Bauer arbeitet jetzt, sie liegen alle irgendwo im Schatten und ruhen sich aus. Nur du allein mußt eine Ausnahme machen? Hast denn du's so nöthig? Das will ich dir sagen, entgegnete sie erröthend, es ist noch gar nicht lange, daß mein Mann zu dem Seinigen gekommen ist. Sein Vater hat mit ihm geschmollt und hat ihn enterben wollen, weil er mich zu <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="14"> <pb facs="#f0199"/> <p>Frag mich nicht, sagte er, wie ich so auf einmal meinen Sinn gegen dich geändert habe, ich könnte dir's doch nicht sagen, wie das gekommen ist. Du weißt, ich hab' gegen dich viel auf dem Herzen gehabt; und nicht wie ein Bruder gegen seine Schwester handeln soll, hab' ich gehandelt. Das wird mir auf der Seele immer liegen wie eine Centnerlast; das kann kein Jom Kippur, kein Fasten und keine Reue mir herunterbringen. Aber auf den Händen könnt' ich dich jetzt tragen durch die ganze Welt, und möcht' mich nicht schämen. Ich hab' dir so viel abzubitten, daß mir's nur Gott verzeihen kann.</p><lb/> <p>Madlena sagte: Denk nicht dran, Josseph, dir diese Stund' zu verbittern. Mir ist's ja, als wenn ich nicht auf der Erden wäre.</p><lb/> <p>Dann fuhr er mit der flachen Hand ihr über das Gesicht.</p><lb/> <p>Sag mir nur, Dinah Leben, bemerkte er besorgt, wie kannst du dir's nur einfallen lassen in der Hitze da, auf dem Felde zu arbeiten? Nimmst du kein Bedacht auf dich, so denk doch an deine Kinder. Kein Bauer arbeitet jetzt, sie liegen alle irgendwo im Schatten und ruhen sich aus. Nur du allein mußt eine Ausnahme machen? Hast denn du's so nöthig?</p><lb/> <p>Das will ich dir sagen, entgegnete sie erröthend, es ist noch gar nicht lange, daß mein Mann zu dem Seinigen gekommen ist. Sein Vater hat mit ihm geschmollt und hat ihn enterben wollen, weil er mich zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0199]
Frag mich nicht, sagte er, wie ich so auf einmal meinen Sinn gegen dich geändert habe, ich könnte dir's doch nicht sagen, wie das gekommen ist. Du weißt, ich hab' gegen dich viel auf dem Herzen gehabt; und nicht wie ein Bruder gegen seine Schwester handeln soll, hab' ich gehandelt. Das wird mir auf der Seele immer liegen wie eine Centnerlast; das kann kein Jom Kippur, kein Fasten und keine Reue mir herunterbringen. Aber auf den Händen könnt' ich dich jetzt tragen durch die ganze Welt, und möcht' mich nicht schämen. Ich hab' dir so viel abzubitten, daß mir's nur Gott verzeihen kann.
Madlena sagte: Denk nicht dran, Josseph, dir diese Stund' zu verbittern. Mir ist's ja, als wenn ich nicht auf der Erden wäre.
Dann fuhr er mit der flachen Hand ihr über das Gesicht.
Sag mir nur, Dinah Leben, bemerkte er besorgt, wie kannst du dir's nur einfallen lassen in der Hitze da, auf dem Felde zu arbeiten? Nimmst du kein Bedacht auf dich, so denk doch an deine Kinder. Kein Bauer arbeitet jetzt, sie liegen alle irgendwo im Schatten und ruhen sich aus. Nur du allein mußt eine Ausnahme machen? Hast denn du's so nöthig?
Das will ich dir sagen, entgegnete sie erröthend, es ist noch gar nicht lange, daß mein Mann zu dem Seinigen gekommen ist. Sein Vater hat mit ihm geschmollt und hat ihn enterben wollen, weil er mich zu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/199 |
Zitationshilfe: | Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/199>, abgerufen am 26.06.2024. |