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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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der ihn an diesem Tage nicht mehr verließ. Wohin er immer blickte, folgten ihm die todgebrochenen Augen seiner Mutter nach; stets sah er sich an ihrem Sterbebette allein, Madlena stand nicht neben ihm! Plötzlich, fürchtete er, werde die Mutter verlöschen, sie werde vielleicht nicht einmal so viel Zeit haben, um seinen Namen zu rufen -- und Madlena wird nicht dabei sein!

Nur zuweilen überschlichen ihn die Geister der alten Stunden. Ob denn Madlena auch das Recht habe, am Sterbebette ihrer Mutter zu erscheinen? Ob es nicht eine Sünde wäre, sie in diesem Falle zu rufen?

Ein heftigeres Husten der Mutter, das aus der Stube zu ihm drang, ein lauter gesprochenes Wort aus dem Sterbebuche, in welchem die alte Marjim fast den ganzen Tag "sagte", verscheuchten dann diese nagenden Geister, nur um ihn andern zu überliefern, denen er eben so wenig Antwort stehen konnte.

Es wird vielleicht Manchen sonderbar bedünken, daß sich in die wildstürmenden Gedanken Josseph's im Laufe des Tages der "Ahasverus" so selten mengte. Aber von einer Natur, die einer gewaltsamen Lösung entgegengeht und die Krankheitsstoffe überwältigen soll, deren innerste Wohnung das geheimnißvolle Reich des Gemüthes ist, kann man nicht fordern, daß sie ein Gedanke ausschließend allein beherrsche; nach hundert Ausgangsthoren drängen sich die gelösten und sich

der ihn an diesem Tage nicht mehr verließ. Wohin er immer blickte, folgten ihm die todgebrochenen Augen seiner Mutter nach; stets sah er sich an ihrem Sterbebette allein, Madlena stand nicht neben ihm! Plötzlich, fürchtete er, werde die Mutter verlöschen, sie werde vielleicht nicht einmal so viel Zeit haben, um seinen Namen zu rufen — und Madlena wird nicht dabei sein!

Nur zuweilen überschlichen ihn die Geister der alten Stunden. Ob denn Madlena auch das Recht habe, am Sterbebette ihrer Mutter zu erscheinen? Ob es nicht eine Sünde wäre, sie in diesem Falle zu rufen?

Ein heftigeres Husten der Mutter, das aus der Stube zu ihm drang, ein lauter gesprochenes Wort aus dem Sterbebuche, in welchem die alte Marjim fast den ganzen Tag „sagte“, verscheuchten dann diese nagenden Geister, nur um ihn andern zu überliefern, denen er eben so wenig Antwort stehen konnte.

Es wird vielleicht Manchen sonderbar bedünken, daß sich in die wildstürmenden Gedanken Josseph's im Laufe des Tages der „Ahasverus“ so selten mengte. Aber von einer Natur, die einer gewaltsamen Lösung entgegengeht und die Krankheitsstoffe überwältigen soll, deren innerste Wohnung das geheimnißvolle Reich des Gemüthes ist, kann man nicht fordern, daß sie ein Gedanke ausschließend allein beherrsche; nach hundert Ausgangsthoren drängen sich die gelösten und sich

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/172>, abgerufen am 23.11.2024.