Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.leid's nicht, daß du an den Heiligen da nur mit einem Finger anrührst. Du? lachte der Bauer. Ich, sagte Josseph und stellte sich drohend dem Gottesschänder entgegen. Parzik hatte die Hand von der Kapellensäule fahren lassen, die Männer maßen sich mit stummen Blicken. Ich will doch sehen, wer mir das wehren kann, sagte Parzik mit grauenhafter Ruhe. Ein Lichtstrahl aus der farbigen Papierlaterne, die vor dem Heiligen brannte, fiel auf Josseph's Antlitz, auf dem der Muth einer höheren Sache lag; seine Wimper zuckte nicht. Eben so kalt, aber mit mehr Festigkeit in der Stimme, als der wildbewegte Bauer, entgegnete Josseph: Untersteh dich. Statt aller Antwort packte Parzik die Laubsäule mit der starken Faust, daß sie unter dieser schweren Wucht in sich zusammenwankte. Aber schon lag auch der Arm Josseph's auf seinem Nacken, und der Bauer stürzte zu Boden; es dröhnte fast, als sei ein mächtiger Baum im Walde vom Sturm niedergerissen worden. Parzik suchte sich loszumachen und schlug mit der freien Hand auf Josseph los, der hielt ihn aber wie mit Eisenbanden fest. Kein Wort, als die unterdrückten Laute der beiden Ringer, tönte durch die stille Nacht. Dieser stumme Kampf hatte etwas Grauenhaftes, wie es die Sprache nicht auszudrücken vermag. leid's nicht, daß du an den Heiligen da nur mit einem Finger anrührst. Du? lachte der Bauer. Ich, sagte Josseph und stellte sich drohend dem Gottesschänder entgegen. Parzik hatte die Hand von der Kapellensäule fahren lassen, die Männer maßen sich mit stummen Blicken. Ich will doch sehen, wer mir das wehren kann, sagte Parzik mit grauenhafter Ruhe. Ein Lichtstrahl aus der farbigen Papierlaterne, die vor dem Heiligen brannte, fiel auf Josseph's Antlitz, auf dem der Muth einer höheren Sache lag; seine Wimper zuckte nicht. Eben so kalt, aber mit mehr Festigkeit in der Stimme, als der wildbewegte Bauer, entgegnete Josseph: Untersteh dich. Statt aller Antwort packte Parzik die Laubsäule mit der starken Faust, daß sie unter dieser schweren Wucht in sich zusammenwankte. Aber schon lag auch der Arm Josseph's auf seinem Nacken, und der Bauer stürzte zu Boden; es dröhnte fast, als sei ein mächtiger Baum im Walde vom Sturm niedergerissen worden. Parzik suchte sich loszumachen und schlug mit der freien Hand auf Josseph los, der hielt ihn aber wie mit Eisenbanden fest. Kein Wort, als die unterdrückten Laute der beiden Ringer, tönte durch die stille Nacht. Dieser stumme Kampf hatte etwas Grauenhaftes, wie es die Sprache nicht auszudrücken vermag. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <p><pb facs="#f0151"/> leid's nicht, daß du an den Heiligen da nur mit einem Finger anrührst.</p><lb/> <p>Du? lachte der Bauer.</p><lb/> <p>Ich, sagte Josseph und stellte sich drohend dem Gottesschänder entgegen.</p><lb/> <p>Parzik hatte die Hand von der Kapellensäule fahren lassen, die Männer maßen sich mit stummen Blicken.</p><lb/> <p>Ich will doch sehen, wer mir das wehren kann, sagte Parzik mit grauenhafter Ruhe. Ein Lichtstrahl aus der farbigen Papierlaterne, die vor dem Heiligen brannte, fiel auf Josseph's Antlitz, auf dem der Muth einer höheren Sache lag; seine Wimper zuckte nicht.</p><lb/> <p>Eben so kalt, aber mit mehr Festigkeit in der Stimme, als der wildbewegte Bauer, entgegnete Josseph:</p><lb/> <p>Untersteh dich.</p><lb/> <p>Statt aller Antwort packte Parzik die Laubsäule mit der starken Faust, daß sie unter dieser schweren Wucht in sich zusammenwankte. Aber schon lag auch der Arm Josseph's auf seinem Nacken, und der Bauer stürzte zu Boden; es dröhnte fast, als sei ein mächtiger Baum im Walde vom Sturm niedergerissen worden.</p><lb/> <p>Parzik suchte sich loszumachen und schlug mit der freien Hand auf Josseph los, der hielt ihn aber wie mit Eisenbanden fest. Kein Wort, als die unterdrückten Laute der beiden Ringer, tönte durch die stille Nacht. Dieser stumme Kampf hatte etwas Grauenhaftes, wie es die Sprache nicht auszudrücken vermag.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0151]
leid's nicht, daß du an den Heiligen da nur mit einem Finger anrührst.
Du? lachte der Bauer.
Ich, sagte Josseph und stellte sich drohend dem Gottesschänder entgegen.
Parzik hatte die Hand von der Kapellensäule fahren lassen, die Männer maßen sich mit stummen Blicken.
Ich will doch sehen, wer mir das wehren kann, sagte Parzik mit grauenhafter Ruhe. Ein Lichtstrahl aus der farbigen Papierlaterne, die vor dem Heiligen brannte, fiel auf Josseph's Antlitz, auf dem der Muth einer höheren Sache lag; seine Wimper zuckte nicht.
Eben so kalt, aber mit mehr Festigkeit in der Stimme, als der wildbewegte Bauer, entgegnete Josseph:
Untersteh dich.
Statt aller Antwort packte Parzik die Laubsäule mit der starken Faust, daß sie unter dieser schweren Wucht in sich zusammenwankte. Aber schon lag auch der Arm Josseph's auf seinem Nacken, und der Bauer stürzte zu Boden; es dröhnte fast, als sei ein mächtiger Baum im Walde vom Sturm niedergerissen worden.
Parzik suchte sich loszumachen und schlug mit der freien Hand auf Josseph los, der hielt ihn aber wie mit Eisenbanden fest. Kein Wort, als die unterdrückten Laute der beiden Ringer, tönte durch die stille Nacht. Dieser stumme Kampf hatte etwas Grauenhaftes, wie es die Sprache nicht auszudrücken vermag.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T13:25:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T13:25:39Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |