Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Uhr auf die Brücke kommen, nur da kann ich's Euch vertrauen, anderswo nicht, wollt Ihr kommen? Josseph sann eine lange Weile, es schien ihm fast nicht räthlich, mit dem wilden Parzik in so später Stunde auf einem und demselben Fleck Erde zu athmen, dann fragte er rasch: Muß ich dabei sein? Lieber wär's mir, sagte der Bauer; ich muß Euch etwas von meiner Tochter erzählen. Wißt Ihr denn noch nicht, wo Anezka hingekommen ? Gott weiß es, sagte Parzik mit bebender Stimme, und der da drüben. Er zeigte mit der Hand nach den hell erleuchteten Fenstern der Pfarrei. Ein seltsamer Gedanke fuhr durch Josseph's Gehirn. Ich komme, sprach er, heute um elf Uhr. Sicher? fragte Parzik düster. So wahr ich lebe. -- Gebt mir Eure Hand drauf. Josseph schlug in die dargereichte Rechte Parzik's ein. Ohne ein Wort weiter an ihn zu richten, verlor sich der Bauer in der Nacht des Dorfes. -- Als Josseph um elf Uhr Nachts den Weg nach der Brücke einschlug, wo ihn Parzik erwartete, mußte er an Madlena's Wohnung vorüber gehen. Er sah noch Licht darin brennen, und wie damals, als er nach der Kunde der Mutter von dem gesegneten Zustand Uhr auf die Brücke kommen, nur da kann ich's Euch vertrauen, anderswo nicht, wollt Ihr kommen? Josseph sann eine lange Weile, es schien ihm fast nicht räthlich, mit dem wilden Parzik in so später Stunde auf einem und demselben Fleck Erde zu athmen, dann fragte er rasch: Muß ich dabei sein? Lieber wär's mir, sagte der Bauer; ich muß Euch etwas von meiner Tochter erzählen. Wißt Ihr denn noch nicht, wo Anezka hingekommen ? Gott weiß es, sagte Parzik mit bebender Stimme, und der da drüben. Er zeigte mit der Hand nach den hell erleuchteten Fenstern der Pfarrei. Ein seltsamer Gedanke fuhr durch Josseph's Gehirn. Ich komme, sprach er, heute um elf Uhr. Sicher? fragte Parzik düster. So wahr ich lebe. — Gebt mir Eure Hand drauf. Josseph schlug in die dargereichte Rechte Parzik's ein. Ohne ein Wort weiter an ihn zu richten, verlor sich der Bauer in der Nacht des Dorfes. — Als Josseph um elf Uhr Nachts den Weg nach der Brücke einschlug, wo ihn Parzik erwartete, mußte er an Madlena's Wohnung vorüber gehen. Er sah noch Licht darin brennen, und wie damals, als er nach der Kunde der Mutter von dem gesegneten Zustand <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <p><pb facs="#f0143"/> Uhr auf die Brücke kommen, nur da kann ich's Euch vertrauen, anderswo nicht, wollt Ihr kommen?</p><lb/> <p>Josseph sann eine lange Weile, es schien ihm fast nicht räthlich, mit dem wilden Parzik in so später Stunde auf einem und demselben Fleck Erde zu athmen, dann fragte er rasch:</p><lb/> <p>Muß ich dabei sein?</p><lb/> <p>Lieber wär's mir, sagte der Bauer; ich muß Euch etwas von meiner Tochter erzählen.</p><lb/> <p>Wißt Ihr denn noch nicht, wo Anezka hingekommen ?</p><lb/> <p>Gott weiß es, sagte Parzik mit bebender Stimme, und der da drüben.</p><lb/> <p>Er zeigte mit der Hand nach den hell erleuchteten Fenstern der Pfarrei.</p><lb/> <p>Ein seltsamer Gedanke fuhr durch Josseph's Gehirn.</p><lb/> <p>Ich komme, sprach er, heute um elf Uhr.</p><lb/> <p>Sicher? fragte Parzik düster.</p><lb/> <p>So wahr ich lebe. —</p><lb/> <p>Gebt mir Eure Hand drauf.</p><lb/> <p>Josseph schlug in die dargereichte Rechte Parzik's ein. Ohne ein Wort weiter an ihn zu richten, verlor sich der Bauer in der Nacht des Dorfes. —</p><lb/> <p>Als Josseph um elf Uhr Nachts den Weg nach der Brücke einschlug, wo ihn Parzik erwartete, mußte er an Madlena's Wohnung vorüber gehen. Er sah noch Licht darin brennen, und wie damals, als er nach der Kunde der Mutter von dem gesegneten Zustand<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0143]
Uhr auf die Brücke kommen, nur da kann ich's Euch vertrauen, anderswo nicht, wollt Ihr kommen?
Josseph sann eine lange Weile, es schien ihm fast nicht räthlich, mit dem wilden Parzik in so später Stunde auf einem und demselben Fleck Erde zu athmen, dann fragte er rasch:
Muß ich dabei sein?
Lieber wär's mir, sagte der Bauer; ich muß Euch etwas von meiner Tochter erzählen.
Wißt Ihr denn noch nicht, wo Anezka hingekommen ?
Gott weiß es, sagte Parzik mit bebender Stimme, und der da drüben.
Er zeigte mit der Hand nach den hell erleuchteten Fenstern der Pfarrei.
Ein seltsamer Gedanke fuhr durch Josseph's Gehirn.
Ich komme, sprach er, heute um elf Uhr.
Sicher? fragte Parzik düster.
So wahr ich lebe. —
Gebt mir Eure Hand drauf.
Josseph schlug in die dargereichte Rechte Parzik's ein. Ohne ein Wort weiter an ihn zu richten, verlor sich der Bauer in der Nacht des Dorfes. —
Als Josseph um elf Uhr Nachts den Weg nach der Brücke einschlug, wo ihn Parzik erwartete, mußte er an Madlena's Wohnung vorüber gehen. Er sah noch Licht darin brennen, und wie damals, als er nach der Kunde der Mutter von dem gesegneten Zustand
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Zitationshilfe: | Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/143>, abgerufen am 17.07.2024. |