Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie hat ja damals zu mir geschickt und hat ihr Erbtheil heraus wollen. Was hab' ich ihr aber sagen lassen? Sie soll mich verklagen beim Amt und beim Kreisamt und beim Gubernium, sie könnt' selbst zum Kaiser auf Wien gehen, hab' ich ihr sagen lassen, und sich den besten Advocaten auf der Welt nehmen. Sie sollt' schon sehen, wie ich noch einen bessern Kopf auf mir hab', als der beste Advocat auf der Welt.

Und hat sie dich denn verklagt? meinte fast absichtslos die Mutter.

Diese einfache Frage schien einen wunderbaren Eindruck auf Josseph zu machen. Er starrte die Mutter eine lange Weile, fast verblüfft, fast geblendet von den wenigen Worten an, die so gewichtigen Inhalts waren.

Verklagt ob sie mich hat? stammelte er mehr, als er sprach. Nein, das hat sie nicht gethan.

Und warum erst jetzt? Wie ist dir das eingefallen?

Bedachte Josseph nicht, daß in diesem Augenblicke eine Lebensfrage von seinen Lippen beantwortet werden sollte?

Mit einem verdrießlichen Achselzucken sagte er:

Ich will mit ihr einmal fertig werden. Von Rechtswegen kommt ihr das Geld doch, und wenn sie mich hätt' verklagen wollen, hätt' ich nur zu sagen gebraucht: ich hab's nicht, und hätt das aus den Büchern bewiesen. Fertig werden will ich; dann seh'

Sie hat ja damals zu mir geschickt und hat ihr Erbtheil heraus wollen. Was hab' ich ihr aber sagen lassen? Sie soll mich verklagen beim Amt und beim Kreisamt und beim Gubernium, sie könnt' selbst zum Kaiser auf Wien gehen, hab' ich ihr sagen lassen, und sich den besten Advocaten auf der Welt nehmen. Sie sollt' schon sehen, wie ich noch einen bessern Kopf auf mir hab', als der beste Advocat auf der Welt.

Und hat sie dich denn verklagt? meinte fast absichtslos die Mutter.

Diese einfache Frage schien einen wunderbaren Eindruck auf Josseph zu machen. Er starrte die Mutter eine lange Weile, fast verblüfft, fast geblendet von den wenigen Worten an, die so gewichtigen Inhalts waren.

Verklagt ob sie mich hat? stammelte er mehr, als er sprach. Nein, das hat sie nicht gethan.

Und warum erst jetzt? Wie ist dir das eingefallen?

Bedachte Josseph nicht, daß in diesem Augenblicke eine Lebensfrage von seinen Lippen beantwortet werden sollte?

Mit einem verdrießlichen Achselzucken sagte er:

Ich will mit ihr einmal fertig werden. Von Rechtswegen kommt ihr das Geld doch, und wenn sie mich hätt' verklagen wollen, hätt' ich nur zu sagen gebraucht: ich hab's nicht, und hätt das aus den Büchern bewiesen. Fertig werden will ich; dann seh'

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="9">
        <pb facs="#f0133"/>
        <p>Sie hat ja damals zu mir geschickt und hat ihr Erbtheil heraus wollen. Was hab' ich                ihr aber sagen lassen? Sie soll mich verklagen beim Amt und beim Kreisamt und beim                Gubernium, sie könnt' selbst zum Kaiser auf Wien gehen, hab' ich ihr sagen lassen,                und sich den besten Advocaten auf der Welt nehmen. Sie sollt' schon sehen, wie ich                noch einen bessern Kopf auf mir hab', als der beste Advocat auf der Welt.</p><lb/>
        <p>Und hat sie dich denn verklagt? meinte fast absichtslos die Mutter.</p><lb/>
        <p>Diese einfache Frage schien einen wunderbaren Eindruck auf Josseph zu machen. Er                starrte die Mutter eine lange Weile, fast verblüfft, fast geblendet von den wenigen                Worten an, die so gewichtigen Inhalts waren.</p><lb/>
        <p>Verklagt ob sie mich hat? stammelte er mehr, als er sprach. Nein, das hat sie nicht                gethan.</p><lb/>
        <p>Und warum erst jetzt? Wie ist dir das eingefallen?</p><lb/>
        <p>Bedachte Josseph nicht, daß in diesem Augenblicke eine Lebensfrage von seinen Lippen                beantwortet werden sollte?</p><lb/>
        <p>Mit einem verdrießlichen Achselzucken sagte er:</p><lb/>
        <p>Ich will mit ihr einmal fertig werden. Von Rechtswegen kommt ihr das Geld doch, und                wenn sie mich hätt' verklagen wollen, hätt' ich nur zu sagen gebraucht: ich hab's                nicht, und hätt das aus den Büchern bewiesen. Fertig werden will ich; dann seh'<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0133] Sie hat ja damals zu mir geschickt und hat ihr Erbtheil heraus wollen. Was hab' ich ihr aber sagen lassen? Sie soll mich verklagen beim Amt und beim Kreisamt und beim Gubernium, sie könnt' selbst zum Kaiser auf Wien gehen, hab' ich ihr sagen lassen, und sich den besten Advocaten auf der Welt nehmen. Sie sollt' schon sehen, wie ich noch einen bessern Kopf auf mir hab', als der beste Advocat auf der Welt. Und hat sie dich denn verklagt? meinte fast absichtslos die Mutter. Diese einfache Frage schien einen wunderbaren Eindruck auf Josseph zu machen. Er starrte die Mutter eine lange Weile, fast verblüfft, fast geblendet von den wenigen Worten an, die so gewichtigen Inhalts waren. Verklagt ob sie mich hat? stammelte er mehr, als er sprach. Nein, das hat sie nicht gethan. Und warum erst jetzt? Wie ist dir das eingefallen? Bedachte Josseph nicht, daß in diesem Augenblicke eine Lebensfrage von seinen Lippen beantwortet werden sollte? Mit einem verdrießlichen Achselzucken sagte er: Ich will mit ihr einmal fertig werden. Von Rechtswegen kommt ihr das Geld doch, und wenn sie mich hätt' verklagen wollen, hätt' ich nur zu sagen gebraucht: ich hab's nicht, und hätt das aus den Büchern bewiesen. Fertig werden will ich; dann seh'

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/133
Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/133>, abgerufen am 27.11.2024.