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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Erste Entwicklung der Säugethiere.
belsäule nach hinten sich wenden. Hierbei vereinigen sie sich bald
zu einem kurzen unpaaren Aortenstamme, der bald wieder in
zwei parallele Aeste auseinander geht, die ArteriaevertebralesArt. vertebrales
posteriores
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posteriores oder die primitiven Aorten, die, unterhalb der
Urwirbel neben der Chorda gelegen, bis zum hintern Ende des Em-
bryo verlaufen. Hierbei geben sie jede 4--5 Aeste, die ArteriaeArt. omphalo-
mesentericae
.

omphalo-mesentericae oder die Nabelgekröspulsadern, ab, die,
ohne im Embryo selbst sich zu verbreiten, über den Bereich dessel-
ben hinaus in den Fruchthof verlaufen und hier mit den ebenfalls
den Embryo verlassenden letzten Enden der primitiven Aorten ein
oberflächliches ziemlich dichtes Gefässnetz bilden, das fast die
ganze Fläche des Fruchthofes, der nun etwa 4''' misst, einnimmt.
Die Randtheile dieses Netzes münden in eine starke Vene, VenaVena terminalis.
sive Sinus terminalis, die, fast den ganzen Fruchthof begrenzend,
am Kopfe mit zwei Stämmen, den Venae omphalo-mesenteri-Venae omphalo-
mesentericae
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cae oder Nabelgekrösvenen, gegen den Embryo sich umbiegt,
welche dann in das hintere Ende des Herzens einmünden. Bevor
sie dieses erreichen, nehmen sie jedoch noch zwei hintere Venen-
stämme auf. Alle drei grösseren Venen hängen durch ein etwas
weiteres Venennetz zusammen, welches tiefer liegt als das Netz, das
aus den Arterien hervorgeht. Die Vertheilung der Blutgefässe im
Fruchthofe ist demnach, wie die Figur Ihnen zeigt, so, dass derselbe
in 4 Bezirke zerfällt. Von den zwei mittleren ist der vordere ohne
alle Gefässe und enthält der hintere nur Ausbreitungen der Arte-
rien. Die seitlichen dagegen zeigen Arterien- und Venenveräste-
lungen in zwei Lagen.

Diess ist die zierliche Gestalt des ersten Gefässsystems, das vorPhysiologische
Bedeutung des
Kreislaufes im
Fruchthofe.

Allem das Bemerkenswerthe zeigt, dass es ein einkammeriges Herz
besitzt und dass im Embryo selbst noch keine weiteren Verästelun-
gen sich finden. Physiologisch sind diese ersten Gefässe wohl vor-
züglich dazu bestimmt, aus dem Inhalte der Keimblase, der, wie wir
früher sahen, vom mütterlichen Organismus stammt, Nahrungsma-
terial aufzunehmen, daher die resorbirenden Venenwurzeln in tie-
ferer Schicht liegen und überaus stark entwickelt sind. Das aufge-
nommene Material nun kommt in erster Linie wohl vorzüglich dem
Fruchthofe zu Gute, der in seiner gefässführenden Schicht rasch
sich ausdehnt und das innere Blatt der Keimblase immer mehr um-
wächst, um mit demselben dann den Dottersack zu bilden, in zwei-
ter Linie auch dem Embryo selbst, der jedoch in diesem Stadium

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Erste Entwicklung der Säugethiere.
belsäule nach hinten sich wenden. Hierbei vereinigen sie sich bald
zu einem kurzen unpaaren Aortenstamme, der bald wieder in
zwei parallele Aeste auseinander geht, die ArteriaevertebralesArt. vertebrales
posteriores
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posteriores oder die primitiven Aorten, die, unterhalb der
Urwirbel neben der Chorda gelegen, bis zum hintern Ende des Em-
bryo verlaufen. Hierbei geben sie jede 4—5 Aeste, die ArteriaeArt. omphalo-
mesentericae
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omphalo-mesentericae oder die Nabelgekröspulsadern, ab, die,
ohne im Embryo selbst sich zu verbreiten, über den Bereich dessel-
ben hinaus in den Fruchthof verlaufen und hier mit den ebenfalls
den Embryo verlassenden letzten Enden der primitiven Aorten ein
oberflächliches ziemlich dichtes Gefässnetz bilden, das fast die
ganze Fläche des Fruchthofes, der nun etwa 4‴ misst, einnimmt.
Die Randtheile dieses Netzes münden in eine starke Vene, VenaVena terminalis.
sive Sinus terminalis, die, fast den ganzen Fruchthof begrenzend,
am Kopfe mit zwei Stämmen, den Venae omphalo-mesenteri-Venae omphalo-
mesentericae
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cae oder Nabelgekrösvenen, gegen den Embryo sich umbiegt,
welche dann in das hintere Ende des Herzens einmünden. Bevor
sie dieses erreichen, nehmen sie jedoch noch zwei hintere Venen-
stämme auf. Alle drei grösseren Venen hängen durch ein etwas
weiteres Venennetz zusammen, welches tiefer liegt als das Netz, das
aus den Arterien hervorgeht. Die Vertheilung der Blutgefässe im
Fruchthofe ist demnach, wie die Figur Ihnen zeigt, so, dass derselbe
in 4 Bezirke zerfällt. Von den zwei mittleren ist der vordere ohne
alle Gefässe und enthält der hintere nur Ausbreitungen der Arte-
rien. Die seitlichen dagegen zeigen Arterien- und Venenveräste-
lungen in zwei Lagen.

Diess ist die zierliche Gestalt des ersten Gefässsystems, das vorPhysiologische
Bedeutung des
Kreislaufes im
Fruchthofe.

Allem das Bemerkenswerthe zeigt, dass es ein einkammeriges Herz
besitzt und dass im Embryo selbst noch keine weiteren Verästelun-
gen sich finden. Physiologisch sind diese ersten Gefässe wohl vor-
züglich dazu bestimmt, aus dem Inhalte der Keimblase, der, wie wir
früher sahen, vom mütterlichen Organismus stammt, Nahrungsma-
terial aufzunehmen, daher die resorbirenden Venenwurzeln in tie-
ferer Schicht liegen und überaus stark entwickelt sind. Das aufge-
nommene Material nun kommt in erster Linie wohl vorzüglich dem
Fruchthofe zu Gute, der in seiner gefässführenden Schicht rasch
sich ausdehnt und das innere Blatt der Keimblase immer mehr um-
wächst, um mit demselben dann den Dottersack zu bilden, in zwei-
ter Linie auch dem Embryo selbst, der jedoch in diesem Stadium

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[83/0099] Erste Entwicklung der Säugethiere. belsäule nach hinten sich wenden. Hierbei vereinigen sie sich bald zu einem kurzen unpaaren Aortenstamme, der bald wieder in zwei parallele Aeste auseinander geht, die Arteriaevertebrales posteriores oder die primitiven Aorten, die, unterhalb der Urwirbel neben der Chorda gelegen, bis zum hintern Ende des Em- bryo verlaufen. Hierbei geben sie jede 4—5 Aeste, die Arteriae omphalo-mesentericae oder die Nabelgekröspulsadern, ab, die, ohne im Embryo selbst sich zu verbreiten, über den Bereich dessel- ben hinaus in den Fruchthof verlaufen und hier mit den ebenfalls den Embryo verlassenden letzten Enden der primitiven Aorten ein oberflächliches ziemlich dichtes Gefässnetz bilden, das fast die ganze Fläche des Fruchthofes, der nun etwa 4‴ misst, einnimmt. Die Randtheile dieses Netzes münden in eine starke Vene, Vena sive Sinus terminalis, die, fast den ganzen Fruchthof begrenzend, am Kopfe mit zwei Stämmen, den Venae omphalo-mesenteri- cae oder Nabelgekrösvenen, gegen den Embryo sich umbiegt, welche dann in das hintere Ende des Herzens einmünden. Bevor sie dieses erreichen, nehmen sie jedoch noch zwei hintere Venen- stämme auf. Alle drei grösseren Venen hängen durch ein etwas weiteres Venennetz zusammen, welches tiefer liegt als das Netz, das aus den Arterien hervorgeht. Die Vertheilung der Blutgefässe im Fruchthofe ist demnach, wie die Figur Ihnen zeigt, so, dass derselbe in 4 Bezirke zerfällt. Von den zwei mittleren ist der vordere ohne alle Gefässe und enthält der hintere nur Ausbreitungen der Arte- rien. Die seitlichen dagegen zeigen Arterien- und Venenveräste- lungen in zwei Lagen. Art. vertebrales posteriores. Art. omphalo- mesentericae. Vena terminalis. Venae omphalo- mesentericae. Diess ist die zierliche Gestalt des ersten Gefässsystems, das vor Allem das Bemerkenswerthe zeigt, dass es ein einkammeriges Herz besitzt und dass im Embryo selbst noch keine weiteren Verästelun- gen sich finden. Physiologisch sind diese ersten Gefässe wohl vor- züglich dazu bestimmt, aus dem Inhalte der Keimblase, der, wie wir früher sahen, vom mütterlichen Organismus stammt, Nahrungsma- terial aufzunehmen, daher die resorbirenden Venenwurzeln in tie- ferer Schicht liegen und überaus stark entwickelt sind. Das aufge- nommene Material nun kommt in erster Linie wohl vorzüglich dem Fruchthofe zu Gute, der in seiner gefässführenden Schicht rasch sich ausdehnt und das innere Blatt der Keimblase immer mehr um- wächst, um mit demselben dann den Dottersack zu bilden, in zwei- ter Linie auch dem Embryo selbst, der jedoch in diesem Stadium Physiologische Bedeutung des Kreislaufes im Fruchthofe. 6*

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/99>, abgerufen am 24.11.2024.