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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane.
uns zu weit führen, wollte ich Ihnen an der Hand der Geschichte
zeigen, wie nach und nach die Erkenntniss, dass dem wirklich so
ist, sich ausbildete und muss ich mich damit begnügen unter Nen-
nung der Namen von H. Rathke (Beitr. z. Geschichte d. Thierwelt,
3. Abh. in den n. Schriften d. Danzig. Gellsch. Bd. 1. Heft 4. 1825;
Burdach's Physiologie an versch. Stellen; Abhandl. z. Bildungs- u.
Entw. d. Menschen und der Thiere. 1832; Meck. Arch. 1832. St.
379; Entw. d. Natter bes. St. 209) und J. Müller (Bildungsgesch.
d. Genit. Düsseldorf 1830), denen in dieser schwierigen Frage das
Hauptverdienst zuzuerkennen ist, Ihnen das, was sich am Ende als
das einzig Wahre herausgestellt hat, zu schildern.

Wir beginen mit dem männlichen Geschlechte, als dem-Ausführungs-
gänge der
Geschlechts-
drüsen
beim männlichen
Geschlechte.

jenigen, welches, wenn man so sagen darf, mit einfacherem Mate-
rial seine ausführenden Theile erzeugt. Der Müller'sche Gang ist
hier bei Thieren zur Zeit, wo die Geschlechtsöffnung schon ganz
deutlich ausgeprägt ist, anfangs noch vorhanden (Fig. 215) und er-
hält auch, wie diess zuerst Rathke bei der Natter und Bischoff bei
Säugethierembryonen nachgewiesen haben, an seinem obern leicht
angeschwollenen Ende eine spaltenförmige Oeffnung, analog
derjenigen, welche beim weiblichen Thiere zur Bildung der Abdomi-
nalöffnung der Tuba führt. Bald aber schwinden die Müller'schen
Gänge von oben nach unten und erhält sich von denselben so zu
sagen nichts als das allerunterste Stück, welches zu dem sogenannten
Uterus masculinus (der Vesicula prostatica des Menschen) sich gestal-
tet. Mit Bezug auf diesen Ueberrest der eigentlichen Geschlechts-
gänge der männlichen Geschöpfe ist zweierlei hervorzuheben und
zwar fürs erste die Verschmelzung, welche die Müller'schen Gänge
an ihrem untersten Ende erleiden, so dass sie später nur mit Einer
Oeffnung in den Sinus urogenitalis einmünden. So waren bei dem in
der Fig. 215 dargestellten männlichen Embryo die Müller'schen
Gänge unten ganz und gar zu einem Uterus masculinus verschmolzen
(Fig. 218), während der obere Theil derselben schon den Beginn der
Atrophie zeigte, welcher derselbe endlich erliegt. Der Ueberrest der
Müller'schen Gänge beim männlichen Geschlechte zeigt zweitens
eine sehr verschiedene Ausbildung bei verschiedenen Gattungen.
Während nämlich dieselben beim Menschen nur in der rudimentär-
sten Form sich zeigen, finden sie sich, wie namentlich E. H. Weber's
Untersuchungen gelehrt haben, bei anderen Geschöpfen, wie z. B.
bei Carnivoren, Wiederkäuern u. a., als grössere am Grunde der

Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane.
uns zu weit führen, wollte ich Ihnen an der Hand der Geschichte
zeigen, wie nach und nach die Erkenntniss, dass dem wirklich so
ist, sich ausbildete und muss ich mich damit begnügen unter Nen-
nung der Namen von H. Rathke (Beitr. z. Geschichte d. Thierwelt,
3. Abh. in den n. Schriften d. Danzig. Gellsch. Bd. 1. Heft 4. 1825;
Burdach’s Physiologie an versch. Stellen; Abhandl. z. Bildungs- u.
Entw. d. Menschen und der Thiere. 1832; Meck. Arch. 1832. St.
379; Entw. d. Natter bes. St. 209) und J. Müller (Bildungsgesch.
d. Genit. Düsseldorf 1830), denen in dieser schwierigen Frage das
Hauptverdienst zuzuerkennen ist, Ihnen das, was sich am Ende als
das einzig Wahre herausgestellt hat, zu schildern.

Wir beginen mit dem männlichen Geschlechte, als dem-Ausführungs-
gänge der
Geschlechts-
drüsen
beim männlichen
Geschlechte.

jenigen, welches, wenn man so sagen darf, mit einfacherem Mate-
rial seine ausführenden Theile erzeugt. Der Müller’sche Gang ist
hier bei Thieren zur Zeit, wo die Geschlechtsöffnung schon ganz
deutlich ausgeprägt ist, anfangs noch vorhanden (Fig. 215) und er-
hält auch, wie diess zuerst Rathke bei der Natter und Bischoff bei
Säugethierembryonen nachgewiesen haben, an seinem obern leicht
angeschwollenen Ende eine spaltenförmige Oeffnung, analog
derjenigen, welche beim weiblichen Thiere zur Bildung der Abdomi-
nalöffnung der Tuba führt. Bald aber schwinden die Müller’schen
Gänge von oben nach unten und erhält sich von denselben so zu
sagen nichts als das allerunterste Stück, welches zu dem sogenannten
Uterus masculinus (der Vesicula prostatica des Menschen) sich gestal-
tet. Mit Bezug auf diesen Ueberrest der eigentlichen Geschlechts-
gänge der männlichen Geschöpfe ist zweierlei hervorzuheben und
zwar fürs erste die Verschmelzung, welche die Müller’schen Gänge
an ihrem untersten Ende erleiden, so dass sie später nur mit Einer
Oeffnung in den Sinus urogenitalis einmünden. So waren bei dem in
der Fig. 215 dargestellten männlichen Embryo die Müller’schen
Gänge unten ganz und gar zu einem Uterus masculinus verschmolzen
(Fig. 218), während der obere Theil derselben schon den Beginn der
Atrophie zeigte, welcher derselbe endlich erliegt. Der Ueberrest der
Müller’schen Gänge beim männlichen Geschlechte zeigt zweitens
eine sehr verschiedene Ausbildung bei verschiedenen Gattungen.
Während nämlich dieselben beim Menschen nur in der rudimentär-
sten Form sich zeigen, finden sie sich, wie namentlich E. H. Weber’s
Untersuchungen gelehrt haben, bei anderen Geschöpfen, wie z. B.
bei Carnivoren, Wiederkäuern u. a., als grössere am Grunde der

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[443/0459] Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. uns zu weit führen, wollte ich Ihnen an der Hand der Geschichte zeigen, wie nach und nach die Erkenntniss, dass dem wirklich so ist, sich ausbildete und muss ich mich damit begnügen unter Nen- nung der Namen von H. Rathke (Beitr. z. Geschichte d. Thierwelt, 3. Abh. in den n. Schriften d. Danzig. Gellsch. Bd. 1. Heft 4. 1825; Burdach’s Physiologie an versch. Stellen; Abhandl. z. Bildungs- u. Entw. d. Menschen und der Thiere. 1832; Meck. Arch. 1832. St. 379; Entw. d. Natter bes. St. 209) und J. Müller (Bildungsgesch. d. Genit. Düsseldorf 1830), denen in dieser schwierigen Frage das Hauptverdienst zuzuerkennen ist, Ihnen das, was sich am Ende als das einzig Wahre herausgestellt hat, zu schildern. Wir beginen mit dem männlichen Geschlechte, als dem- jenigen, welches, wenn man so sagen darf, mit einfacherem Mate- rial seine ausführenden Theile erzeugt. Der Müller’sche Gang ist hier bei Thieren zur Zeit, wo die Geschlechtsöffnung schon ganz deutlich ausgeprägt ist, anfangs noch vorhanden (Fig. 215) und er- hält auch, wie diess zuerst Rathke bei der Natter und Bischoff bei Säugethierembryonen nachgewiesen haben, an seinem obern leicht angeschwollenen Ende eine spaltenförmige Oeffnung, analog derjenigen, welche beim weiblichen Thiere zur Bildung der Abdomi- nalöffnung der Tuba führt. Bald aber schwinden die Müller’schen Gänge von oben nach unten und erhält sich von denselben so zu sagen nichts als das allerunterste Stück, welches zu dem sogenannten Uterus masculinus (der Vesicula prostatica des Menschen) sich gestal- tet. Mit Bezug auf diesen Ueberrest der eigentlichen Geschlechts- gänge der männlichen Geschöpfe ist zweierlei hervorzuheben und zwar fürs erste die Verschmelzung, welche die Müller’schen Gänge an ihrem untersten Ende erleiden, so dass sie später nur mit Einer Oeffnung in den Sinus urogenitalis einmünden. So waren bei dem in der Fig. 215 dargestellten männlichen Embryo die Müller’schen Gänge unten ganz und gar zu einem Uterus masculinus verschmolzen (Fig. 218), während der obere Theil derselben schon den Beginn der Atrophie zeigte, welcher derselbe endlich erliegt. Der Ueberrest der Müller’schen Gänge beim männlichen Geschlechte zeigt zweitens eine sehr verschiedene Ausbildung bei verschiedenen Gattungen. Während nämlich dieselben beim Menschen nur in der rudimentär- sten Form sich zeigen, finden sie sich, wie namentlich E. H. Weber’s Untersuchungen gelehrt haben, bei anderen Geschöpfen, wie z. B. bei Carnivoren, Wiederkäuern u. a., als grössere am Grunde der Ausführungs- gänge der Geschlechts- drüsen beim männlichen Geschlechte.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/459>, abgerufen am 23.11.2024.