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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Fünfte Vorlesung.
finden sich trotz dieser allgemeinen Uebereinstimmung mancherlei
Verschiedenheiten im Einzelnen. Vor Allem ist es der Dotter, des-
sen Zusammensetzung sehr wechselnde Verhältnisse darbietet, deren
richtige Auffassung für den Embryologen nicht ohne Belang ist, da
ja dieser Theil des Eies es ist, aus dem der Embryo sich bildet. Es
sind darum auch die Forscher schon seit längerer Zeit bemüht ge-
wesen, sowohl seine Zusammensetzung und Bildung als auch seine
Bedeutung für die Anlage des neuen Geschöpfes zu ergründen und
hat sich hierbei mit Bezug auf letzteres ein doppeltes Verhalten her-
ausgestellt, welches dazu benutzt worden ist, um die Eier in zwei
Hauptgruppen zu sondern. Bei den einen Eiern nämlich wird, worauf
Bildungsdotter
und
Nahrungsdotter.
Reichert zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt hat (Beitr. St. 25 flgde.),
der gesammte Dotter zur Anlage des Embryo verwendet, während
bei den andern nur einem kleineren Theile des Eiinhaltes diese Be-
deutung zukommt und das meiste einfach Nahrungsmaterial für das
werdende Geschöpf ist. Reichert gebraucht zur Bezeichnung dieser
beiden Dotterarten die Ausdrücke "Bildungsdotter" und "Nahrungs-
dotter", welche von den meisten Autoren angenommen wurden, wie
besonders von Leuckart und Allen Thomson in ihren vortrefflichen
Arbeiten über das thierische Ei (Artikel Zeugung in R. Wagner's
Handb. d. Phys. Bd. IV. und Art. Ovum in Todd's Cyclopaedia of
Anatomy, Supplem
.), und die Eier selbst hat Remak, je nachdem sie
nur Bildungsdotter oder beide Dotterarten enthalten, "holoblastische"
und "meroblastische" genannt. (Compt. rend. 1852. T. XXXV.
pag. 341).

Die Eier mit Bildungs- und Nahrungsdotter unterscheiden sich
noch weiter dadurch, dass bei den einen schon das unbefruchtete
Ei im Eierstock den Bildungsdotter erkennen lässt, wie das Ei der
Vögel, der beschuppten Amphibien, der Plagiostomen [Thomson l. c.
pag. 80 contra Leydig (Rochen und Haie pag. 87)], der Teleostier
(Vogt, Aubert, Lereboullet, Ransom contra Coste), bei denen allen
derselbe in Gestalt einer grösseren oder kleineren Scheibe feinkör-
niger Substanz erscheint, die man mit v. Baer als Stratum proligerum,
Keimschicht bezeichnen kann. Bei den meroblastischen Eiern der
Wirbellosen dagegen hat sich eine solche Sonderung noch nicht vor-
gefunden, doch nimmt auch hier, wenigstens nach der Befruchtung,
wie ich bei den Cephalopoden gefunden habe, der Bildungsdotter
eine andere Beschaffenheit an und wird feinkörnig.

Mit dem hervorgehobenen Unterschiede in der Verwendung des

Fünfte Vorlesung.
finden sich trotz dieser allgemeinen Uebereinstimmung mancherlei
Verschiedenheiten im Einzelnen. Vor Allem ist es der Dotter, des-
sen Zusammensetzung sehr wechselnde Verhältnisse darbietet, deren
richtige Auffassung für den Embryologen nicht ohne Belang ist, da
ja dieser Theil des Eies es ist, aus dem der Embryo sich bildet. Es
sind darum auch die Forscher schon seit längerer Zeit bemüht ge-
wesen, sowohl seine Zusammensetzung und Bildung als auch seine
Bedeutung für die Anlage des neuen Geschöpfes zu ergründen und
hat sich hierbei mit Bezug auf letzteres ein doppeltes Verhalten her-
ausgestellt, welches dazu benutzt worden ist, um die Eier in zwei
Hauptgruppen zu sondern. Bei den einen Eiern nämlich wird, worauf
Bildungsdotter
und
Nahrungsdotter.
Reichert zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt hat (Beitr. St. 25 flgde.),
der gesammte Dotter zur Anlage des Embryo verwendet, während
bei den andern nur einem kleineren Theile des Eiinhaltes diese Be-
deutung zukommt und das meiste einfach Nahrungsmaterial für das
werdende Geschöpf ist. Reichert gebraucht zur Bezeichnung dieser
beiden Dotterarten die Ausdrücke »Bildungsdotter« und »Nahrungs-
dotter«, welche von den meisten Autoren angenommen wurden, wie
besonders von Leuckart und Allen Thomson in ihren vortrefflichen
Arbeiten über das thierische Ei (Artikel Zeugung in R. Wagner’s
Handb. d. Phys. Bd. IV. und Art. Ovum in Todd’s Cyclopaedia of
Anatomy, Supplem
.), und die Eier selbst hat Remak, je nachdem sie
nur Bildungsdotter oder beide Dotterarten enthalten, »holoblastische«
und »meroblastische« genannt. (Compt. rend. 1852. T. XXXV.
pag. 341).

Die Eier mit Bildungs- und Nahrungsdotter unterscheiden sich
noch weiter dadurch, dass bei den einen schon das unbefruchtete
Ei im Eierstock den Bildungsdotter erkennen lässt, wie das Ei der
Vögel, der beschuppten Amphibien, der Plagiostomen [Thomson l. c.
pag. 80 contra Leydig (Rochen und Haie pag. 87)], der Teleostier
(Vogt, Aubert, Lereboullet, Ransom contra Coste), bei denen allen
derselbe in Gestalt einer grösseren oder kleineren Scheibe feinkör-
niger Substanz erscheint, die man mit v. Baer als Stratum proligerum,
Keimschicht bezeichnen kann. Bei den meroblastischen Eiern der
Wirbellosen dagegen hat sich eine solche Sonderung noch nicht vor-
gefunden, doch nimmt auch hier, wenigstens nach der Befruchtung,
wie ich bei den Cephalopoden gefunden habe, der Bildungsdotter
eine andere Beschaffenheit an und wird feinkörnig.

Mit dem hervorgehobenen Unterschiede in der Verwendung des

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[22/0038] Fünfte Vorlesung. finden sich trotz dieser allgemeinen Uebereinstimmung mancherlei Verschiedenheiten im Einzelnen. Vor Allem ist es der Dotter, des- sen Zusammensetzung sehr wechselnde Verhältnisse darbietet, deren richtige Auffassung für den Embryologen nicht ohne Belang ist, da ja dieser Theil des Eies es ist, aus dem der Embryo sich bildet. Es sind darum auch die Forscher schon seit längerer Zeit bemüht ge- wesen, sowohl seine Zusammensetzung und Bildung als auch seine Bedeutung für die Anlage des neuen Geschöpfes zu ergründen und hat sich hierbei mit Bezug auf letzteres ein doppeltes Verhalten her- ausgestellt, welches dazu benutzt worden ist, um die Eier in zwei Hauptgruppen zu sondern. Bei den einen Eiern nämlich wird, worauf Reichert zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt hat (Beitr. St. 25 flgde.), der gesammte Dotter zur Anlage des Embryo verwendet, während bei den andern nur einem kleineren Theile des Eiinhaltes diese Be- deutung zukommt und das meiste einfach Nahrungsmaterial für das werdende Geschöpf ist. Reichert gebraucht zur Bezeichnung dieser beiden Dotterarten die Ausdrücke »Bildungsdotter« und »Nahrungs- dotter«, welche von den meisten Autoren angenommen wurden, wie besonders von Leuckart und Allen Thomson in ihren vortrefflichen Arbeiten über das thierische Ei (Artikel Zeugung in R. Wagner’s Handb. d. Phys. Bd. IV. und Art. Ovum in Todd’s Cyclopaedia of Anatomy, Supplem.), und die Eier selbst hat Remak, je nachdem sie nur Bildungsdotter oder beide Dotterarten enthalten, »holoblastische« und »meroblastische« genannt. (Compt. rend. 1852. T. XXXV. pag. 341). Bildungsdotter und Nahrungsdotter. Die Eier mit Bildungs- und Nahrungsdotter unterscheiden sich noch weiter dadurch, dass bei den einen schon das unbefruchtete Ei im Eierstock den Bildungsdotter erkennen lässt, wie das Ei der Vögel, der beschuppten Amphibien, der Plagiostomen [Thomson l. c. pag. 80 contra Leydig (Rochen und Haie pag. 87)], der Teleostier (Vogt, Aubert, Lereboullet, Ransom contra Coste), bei denen allen derselbe in Gestalt einer grösseren oder kleineren Scheibe feinkör- niger Substanz erscheint, die man mit v. Baer als Stratum proligerum, Keimschicht bezeichnen kann. Bei den meroblastischen Eiern der Wirbellosen dagegen hat sich eine solche Sonderung noch nicht vor- gefunden, doch nimmt auch hier, wenigstens nach der Befruchtung, wie ich bei den Cephalopoden gefunden habe, der Bildungsdotter eine andere Beschaffenheit an und wird feinkörnig. Mit dem hervorgehobenen Unterschiede in der Verwendung des

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/38>, abgerufen am 19.04.2024.