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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Achtundzwanzigste Vorlesung.
mitive Augenblase einstülpt. V. Baer und Viele mit ihm nahmen sei-
ner Zeit an, dass die primitive Augenblase unmittelbar zum späteren
Bulbus sich gestaltet, und da lag es dann natürlich nahe, den Glas-
körper als die fester gewordene Flüssigkeit im Innern dieser Blase
aufzufassen und denselben mit der Flüssigkeit in den Hirnhöhlen,
mit denen ja die Augenblase ursprünglich in offener Verbindung
steht, zu vergleichen. Eine Wendung zu einer richtigeren Erkennt-
niss wurde zuerst durch Huschke gegeben, der (Ammon's Zeitschr. f.
Ophthalmologie 1835. St. 275) zeigte, dass die primitive Augenblase,
wie er glaubte, durch die Bildung der Linse so eingestülpt werde,
dass die vordere Wand derselben an die hintere sich anlege und jede
Spur der früheren Höhlung schwinde, welche Beobachtung dann
später von Remak bestätigt wurde. Somit war klar, dass der Glas-
körper nicht im Innern der primitiven Blase, sondern gerade umge-
kehrt an der Aussenseite derselben, d. h. zwischen dem vorderen
eingestülpten Blatte derselben und der Linse sich bilden müsse, doch
gelang es keinem der beiden genannten Autoren, irgend weitere That-
sachen aufzufinden. Erst Schöler, einem Schüler Reichert's, gebührt
das Verdienst, gezeigt zu haben, dass auch der Glaskörper von den
äusseren Bedeckungen in die primitive Blase sich einstülpt, wie diess
die Fig. 138 Ihnen versinnlicht. Während nämlich von vorn her
die Linse die primitive Augenblase einstülpt, geschieht diess kurze
Zeit darauf auch von unten her durch einen Fortsatz, welcher wohl
unzweifelhaft als eine Wucherung der Cutis gedeutet werden darf.
Anfänglich erscheint dieser Fortsatz in Gestalt einer schmalen und
kurzen Leiste, welche unmittelbar hinter und unter der Linse die
untere Wand der primitiven Blase gegen die obere drängt, bald aber
wuchert dieser Fortsatz mit Ausnahme seiner Abgangsstelle von der
Haut zu einem kugeligen Gebilde heran und dann ist die primitive
Augenblase nicht nur von vorn, sondern auch von unten her voll-
kommen eingestülpt, so dass die vordere und untere die obere und
hintere Wand derselben berührt, und erscheint nun als "secun-
däre Augenblase"
, welche den Glaskörper einschliesst, mit ihrem
vorderen Rande die Linse umfasst und unten eine Spalte zeigt, durch
welche der Glaskörper mit der Haut zusammenhängt. Diese secun-
däre Blase kann so lange, als die Spalte, die wir einfach als "Augen-
spalte" bezeichnen wollen, vorhanden ist, am zweckmässigsten mit
einer eng anliegenden Haube verglichen werden. Später jedoch
schliesst sich die Spalte ganz und gar und dann ist die secundäre

Achtundzwanzigste Vorlesung.
mitive Augenblase einstülpt. V. Baer und Viele mit ihm nahmen sei-
ner Zeit an, dass die primitive Augenblase unmittelbar zum späteren
Bulbus sich gestaltet, und da lag es dann natürlich nahe, den Glas-
körper als die fester gewordene Flüssigkeit im Innern dieser Blase
aufzufassen und denselben mit der Flüssigkeit in den Hirnhöhlen,
mit denen ja die Augenblase ursprünglich in offener Verbindung
steht, zu vergleichen. Eine Wendung zu einer richtigeren Erkennt-
niss wurde zuerst durch Huschke gegeben, der (Ammon’s Zeitschr. f.
Ophthalmologie 1835. St. 275) zeigte, dass die primitive Augenblase,
wie er glaubte, durch die Bildung der Linse so eingestülpt werde,
dass die vordere Wand derselben an die hintere sich anlege und jede
Spur der früheren Höhlung schwinde, welche Beobachtung dann
später von Remak bestätigt wurde. Somit war klar, dass der Glas-
körper nicht im Innern der primitiven Blase, sondern gerade umge-
kehrt an der Aussenseite derselben, d. h. zwischen dem vorderen
eingestülpten Blatte derselben und der Linse sich bilden müsse, doch
gelang es keinem der beiden genannten Autoren, irgend weitere That-
sachen aufzufinden. Erst Schöler, einem Schüler Reichert’s, gebührt
das Verdienst, gezeigt zu haben, dass auch der Glaskörper von den
äusseren Bedeckungen in die primitive Blase sich einstülpt, wie diess
die Fig. 138 Ihnen versinnlicht. Während nämlich von vorn her
die Linse die primitive Augenblase einstülpt, geschieht diess kurze
Zeit darauf auch von unten her durch einen Fortsatz, welcher wohl
unzweifelhaft als eine Wucherung der Cutis gedeutet werden darf.
Anfänglich erscheint dieser Fortsatz in Gestalt einer schmalen und
kurzen Leiste, welche unmittelbar hinter und unter der Linse die
untere Wand der primitiven Blase gegen die obere drängt, bald aber
wuchert dieser Fortsatz mit Ausnahme seiner Abgangsstelle von der
Haut zu einem kugeligen Gebilde heran und dann ist die primitive
Augenblase nicht nur von vorn, sondern auch von unten her voll-
kommen eingestülpt, so dass die vordere und untere die obere und
hintere Wand derselben berührt, und erscheint nun als «secun-
däre Augenblase»
, welche den Glaskörper einschliesst, mit ihrem
vorderen Rande die Linse umfasst und unten eine Spalte zeigt, durch
welche der Glaskörper mit der Haut zusammenhängt. Diese secun-
däre Blase kann so lange, als die Spalte, die wir einfach als «Augen-
spalte» bezeichnen wollen, vorhanden ist, am zweckmässigsten mit
einer eng anliegenden Haube verglichen werden. Später jedoch
schliesst sich die Spalte ganz und gar und dann ist die secundäre

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[280/0296] Achtundzwanzigste Vorlesung. mitive Augenblase einstülpt. V. Baer und Viele mit ihm nahmen sei- ner Zeit an, dass die primitive Augenblase unmittelbar zum späteren Bulbus sich gestaltet, und da lag es dann natürlich nahe, den Glas- körper als die fester gewordene Flüssigkeit im Innern dieser Blase aufzufassen und denselben mit der Flüssigkeit in den Hirnhöhlen, mit denen ja die Augenblase ursprünglich in offener Verbindung steht, zu vergleichen. Eine Wendung zu einer richtigeren Erkennt- niss wurde zuerst durch Huschke gegeben, der (Ammon’s Zeitschr. f. Ophthalmologie 1835. St. 275) zeigte, dass die primitive Augenblase, wie er glaubte, durch die Bildung der Linse so eingestülpt werde, dass die vordere Wand derselben an die hintere sich anlege und jede Spur der früheren Höhlung schwinde, welche Beobachtung dann später von Remak bestätigt wurde. Somit war klar, dass der Glas- körper nicht im Innern der primitiven Blase, sondern gerade umge- kehrt an der Aussenseite derselben, d. h. zwischen dem vorderen eingestülpten Blatte derselben und der Linse sich bilden müsse, doch gelang es keinem der beiden genannten Autoren, irgend weitere That- sachen aufzufinden. Erst Schöler, einem Schüler Reichert’s, gebührt das Verdienst, gezeigt zu haben, dass auch der Glaskörper von den äusseren Bedeckungen in die primitive Blase sich einstülpt, wie diess die Fig. 138 Ihnen versinnlicht. Während nämlich von vorn her die Linse die primitive Augenblase einstülpt, geschieht diess kurze Zeit darauf auch von unten her durch einen Fortsatz, welcher wohl unzweifelhaft als eine Wucherung der Cutis gedeutet werden darf. Anfänglich erscheint dieser Fortsatz in Gestalt einer schmalen und kurzen Leiste, welche unmittelbar hinter und unter der Linse die untere Wand der primitiven Blase gegen die obere drängt, bald aber wuchert dieser Fortsatz mit Ausnahme seiner Abgangsstelle von der Haut zu einem kugeligen Gebilde heran und dann ist die primitive Augenblase nicht nur von vorn, sondern auch von unten her voll- kommen eingestülpt, so dass die vordere und untere die obere und hintere Wand derselben berührt, und erscheint nun als «secun- däre Augenblase», welche den Glaskörper einschliesst, mit ihrem vorderen Rande die Linse umfasst und unten eine Spalte zeigt, durch welche der Glaskörper mit der Haut zusammenhängt. Diese secun- däre Blase kann so lange, als die Spalte, die wir einfach als «Augen- spalte» bezeichnen wollen, vorhanden ist, am zweckmässigsten mit einer eng anliegenden Haube verglichen werden. Später jedoch schliesst sich die Spalte ganz und gar und dann ist die secundäre

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/296>, abgerufen am 21.05.2024.