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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Siebenundzwanzigste Vorlesung.

Der vierte wieder stärkere gangliöse Kopfnerv, der Vagus,
liegt ebenfalls hinter dem Ohrbläschen, verläuft zwischen den hin-
teren Kiemenspalten und den ersten Urwirbeln zur Faserwand des
Vorderdarmes und entwickelt später auch Aeste zum Herzen, das,
wie Sie aus Früherem wissen, aus dieser Wand sich entwickelt, die
anfänglich unverhältnissmässig gross sind, und zu den Lungen.

Von der Entwicklung der Augenmuskelnerven, des Accessorius
und Hypoglossus ist bis jetzt nichts bekannt.

Bildung der
Rückenmarks-
nerven.
Was die Rückenmarksnerven anlangt, so fehlt eine spe-
cielle Entwicklungsgeschichte derselben fast ganz. Was wir wissen,
beschränkt sich auf die Ganglien und Wurzeln und wurde das Wich-
tigste schon vorhin auseinandergesetzt, so dass nur noch Weniges
nachzutragen bleibt. Vor Allem möchte ich mit Bezug auf den Ort
der Entstehung der Spinalganglien mir hier noch eine Bemerkung
erlauben. Nach Remak's Darstellung, die ich Ihnen früher (s. St. 61
u. flgde.) ausführlich vorgetragen, zerfallen die aus den Urwirbeln
hervorgegangenen oberen Ausläufer, die das Rückenmark umschlies-
sen (die Membrana reuniens superior von Rathke oder das was ich
häutige Wirbelbogen nenne), der Länge nach in die Spinalganglien
und die Anlagen der eigentlichen Bogen. Ich finde nun aber bei
Untersuchungen an jungen menschlichen und Säugethierembryonen,
dass diese Auffassung nicht ganz naturgemäss ist, indem mir die
Sache so sich zu verhalten scheint, dass die häutigen Wirbelbogen
in der Dicke in zwei Lagen sich spalten, von denen die innere
die Hüllen des Rückenmarks sammt den Spinalganglien, die ur-
sprünglich alle innen an den eigentlichen Wirbelbogen ihre Lage
haben, liefert, während die äussere die knorpeligen Wirbelbogen und
die sie vereinenden Ligamenta crurum subflava erzeugt. Diese meine
Annahme ändert übrigens nicht das Geringste an dem, was Remak
über die Lagenverhältnisse von Ganglien und Wirbelbogen zu einan-
der und zu den primären und secundären Wirbelabtheilungen vor-
getragen hat, nur hat man sich die beiderlei Gebilde nicht in einer
Ebene, in einer und derselben Schicht liegend zu denken.

Ein fernerer Punct, auf den ich noch Ihre Aufmerksamkeit len-
ken möchte, ist die ungemeine Grösse der Spinalganglien in frühen
Zeiten. Betrachtet man den Rücken junger menschlicher Embryonen
von vier bis acht Wochen, so sieht man an demselben deutlich das
Mark durch die Haut und die Membrana reuniens superior durch-

Siebenundzwanzigste Vorlesung.

Der vierte wieder stärkere gangliöse Kopfnerv, der Vagus,
liegt ebenfalls hinter dem Ohrbläschen, verläuft zwischen den hin-
teren Kiemenspalten und den ersten Urwirbeln zur Faserwand des
Vorderdarmes und entwickelt später auch Aeste zum Herzen, das,
wie Sie aus Früherem wissen, aus dieser Wand sich entwickelt, die
anfänglich unverhältnissmässig gross sind, und zu den Lungen.

Von der Entwicklung der Augenmuskelnerven, des Accessorius
und Hypoglossus ist bis jetzt nichts bekannt.

Bildung der
Rückenmarks-
nerven.
Was die Rückenmarksnerven anlangt, so fehlt eine spe-
cielle Entwicklungsgeschichte derselben fast ganz. Was wir wissen,
beschränkt sich auf die Ganglien und Wurzeln und wurde das Wich-
tigste schon vorhin auseinandergesetzt, so dass nur noch Weniges
nachzutragen bleibt. Vor Allem möchte ich mit Bezug auf den Ort
der Entstehung der Spinalganglien mir hier noch eine Bemerkung
erlauben. Nach Remak’s Darstellung, die ich Ihnen früher (s. St. 61
u. flgde.) ausführlich vorgetragen, zerfallen die aus den Urwirbeln
hervorgegangenen oberen Ausläufer, die das Rückenmark umschlies-
sen (die Membrana reuniens superior von Rathke oder das was ich
häutige Wirbelbogen nenne), der Länge nach in die Spinalganglien
und die Anlagen der eigentlichen Bogen. Ich finde nun aber bei
Untersuchungen an jungen menschlichen und Säugethierembryonen,
dass diese Auffassung nicht ganz naturgemäss ist, indem mir die
Sache so sich zu verhalten scheint, dass die häutigen Wirbelbogen
in der Dicke in zwei Lagen sich spalten, von denen die innere
die Hüllen des Rückenmarks sammt den Spinalganglien, die ur-
sprünglich alle innen an den eigentlichen Wirbelbogen ihre Lage
haben, liefert, während die äussere die knorpeligen Wirbelbogen und
die sie vereinenden Ligamenta crurum subflava erzeugt. Diese meine
Annahme ändert übrigens nicht das Geringste an dem, was Remak
über die Lagenverhältnisse von Ganglien und Wirbelbogen zu einan-
der und zu den primären und secundären Wirbelabtheilungen vor-
getragen hat, nur hat man sich die beiderlei Gebilde nicht in einer
Ebene, in einer und derselben Schicht liegend zu denken.

Ein fernerer Punct, auf den ich noch Ihre Aufmerksamkeit len-
ken möchte, ist die ungemeine Grösse der Spinalganglien in frühen
Zeiten. Betrachtet man den Rücken junger menschlicher Embryonen
von vier bis acht Wochen, so sieht man an demselben deutlich das
Mark durch die Haut und die Membrana reuniens superior durch-

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[268/0284] Siebenundzwanzigste Vorlesung. Der vierte wieder stärkere gangliöse Kopfnerv, der Vagus, liegt ebenfalls hinter dem Ohrbläschen, verläuft zwischen den hin- teren Kiemenspalten und den ersten Urwirbeln zur Faserwand des Vorderdarmes und entwickelt später auch Aeste zum Herzen, das, wie Sie aus Früherem wissen, aus dieser Wand sich entwickelt, die anfänglich unverhältnissmässig gross sind, und zu den Lungen. Von der Entwicklung der Augenmuskelnerven, des Accessorius und Hypoglossus ist bis jetzt nichts bekannt. Was die Rückenmarksnerven anlangt, so fehlt eine spe- cielle Entwicklungsgeschichte derselben fast ganz. Was wir wissen, beschränkt sich auf die Ganglien und Wurzeln und wurde das Wich- tigste schon vorhin auseinandergesetzt, so dass nur noch Weniges nachzutragen bleibt. Vor Allem möchte ich mit Bezug auf den Ort der Entstehung der Spinalganglien mir hier noch eine Bemerkung erlauben. Nach Remak’s Darstellung, die ich Ihnen früher (s. St. 61 u. flgde.) ausführlich vorgetragen, zerfallen die aus den Urwirbeln hervorgegangenen oberen Ausläufer, die das Rückenmark umschlies- sen (die Membrana reuniens superior von Rathke oder das was ich häutige Wirbelbogen nenne), der Länge nach in die Spinalganglien und die Anlagen der eigentlichen Bogen. Ich finde nun aber bei Untersuchungen an jungen menschlichen und Säugethierembryonen, dass diese Auffassung nicht ganz naturgemäss ist, indem mir die Sache so sich zu verhalten scheint, dass die häutigen Wirbelbogen in der Dicke in zwei Lagen sich spalten, von denen die innere die Hüllen des Rückenmarks sammt den Spinalganglien, die ur- sprünglich alle innen an den eigentlichen Wirbelbogen ihre Lage haben, liefert, während die äussere die knorpeligen Wirbelbogen und die sie vereinenden Ligamenta crurum subflava erzeugt. Diese meine Annahme ändert übrigens nicht das Geringste an dem, was Remak über die Lagenverhältnisse von Ganglien und Wirbelbogen zu einan- der und zu den primären und secundären Wirbelabtheilungen vor- getragen hat, nur hat man sich die beiderlei Gebilde nicht in einer Ebene, in einer und derselben Schicht liegend zu denken. Bildung der Rückenmarks- nerven. Ein fernerer Punct, auf den ich noch Ihre Aufmerksamkeit len- ken möchte, ist die ungemeine Grösse der Spinalganglien in frühen Zeiten. Betrachtet man den Rücken junger menschlicher Embryonen von vier bis acht Wochen, so sieht man an demselben deutlich das Mark durch die Haut und die Membrana reuniens superior durch-

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/284>, abgerufen am 28.11.2024.